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Comic Blog


Freitag, 23. Oktober 2009

Miss Endicott 1- Die Vergessenen

Filed under: Mystery — Michael um 19:31

Miss Endicott 1 - Die VergessenenEin seltsam kratzendes Geräusch hält das Ehepaar des Nachts wach. Was ist die Ursache? Miss Endicott legt sich nächtens auf die Lauer und wartet. Und siehe da: Zur vorhersagten Stunde erklingt das Geräusch wieder. Miss Endicott, die als Schlichterin die Nachfolge ihrer verstorbenen Mutter übernommen hat, findet alsbald eine Spur, doch dazu geht es erst einmal in die Gefilde unter London. Dort wartet eine Überraschung.

Die junge Miss Endicott kommt heim nach London und übernimmt die Arbeit ihrer Mutter als Schlichterin. Die Grundidee von Jean-Christophe Derrien ist schlicht, bietet allerdings bei genauer Betrachtung ungeahnte Möglichkeiten. Bliebe er bei rein menschlichen Fällen, würde er das fantastische Element außer Acht lassen, gäbe es genügend vorstellbare Handlungsfäden. Mit der Öffnung nach unten, in das Reich der Vergessenen, gibt es keine Grenze mehr.

Ein graues London: Trist, verfallen, neblig. Die Straßen sind uneben, die Wände der Häuser schief, alles ist irgendwie wackelig und sieht aus, als habe es die Abbruchreife bereits hinter sich. In diesem London bietet das Laternenlicht, die Kerze auf dem Tisch, das Feuer im Kamin etwas Wärme. Als Gouvernante hat Miss Endicott für den kleinen Kevin viel Mitgefühl übrig, als Schlichterin kommen ihr darüber hinaus noch ein großes Selbstbewusstsein und ein außerordentliches Durchsetzungsvermögen zugute. Sie weiß sich verbal ebenso wie handgreiflich zu wehren.

Dabei hat sie von Zeichner Xavier Fourquemin eine sehr schmale Gestalt erhalten, schlank und wie andere Figuren auch, puppenhaft. Es fällt schwer den grafischen Stil von Fourquemin mit anderen zu vergleichen. Hier ist durchaus ein Vergleich zu Ralf Schlüter zu ziehen, aber noch mehr finden sich die Gestaltungsmerkmale von Fourquemin mehr bei Puppen, genauer bei Marionetten. Diese Art des Designs, das häufig sehr schlanke, gezogene einer Figur, gibt dem Szenario gleichzeitig etwas Märchenhaftes. Es weckt, wenn auch unbewusst, die Gefühle, die jemand in seiner Kindheit beim Schauen der guten alten Puppenkiste hatte.

Ob absichtlich oder nicht, ob Fourquemin in seiner Kindheit ähnliche Fernseherfahrungen gemacht hat oder nicht und vielleicht daraus schöpfte, der Effekt funktioniert und gibt den Bildern eine unterschwellige Melancholie. Das ist besonders für das Thema hilfreich. Ähnlich wie bei Die Legende vom Changeling, die Fourquemin auch zeichnet, trifft auch hier eine geheime Welt auf die reale Welt (der Menschen). Hier wie dort ist ersteres vom Vergessen und damit auch vom Untergang bedroht.

Das ist durchaus düster, wie es sich für das graue London gehört, aber auch gruselig, wenn hunderte von Ratten Miss Endicott hinterher jagen. Es ist eine jugendliche Gruseligkeit, keine, die einen Erwachsenen Angst machen würde. Doch ist die Atmosphäre heimelig, schön schaurig wie ein Nightmare before Christmas oder ein Corpse Bride, beides Stop-Motion-Filme von Tim Burton.

Obwohl die Macher Franzosen sind, ist die ganze Machart etwas britisch oder auch amerikanisch skurril. Zieht man in Betracht, dass Derrien seine Examensarbeit über Twin Peaks geschrieben hat, wird die Entstehung des Hintergründigen, die Verschachtelung der vorliegenden Geschichte etwas transparenter. Die beiden Männer, die Miss Endicott hinterher laufen und schließlich zu mehr oder minder freiwilligen Helfern werden, könnten beinahe an ein Duo wie Jay und Silent Bob angelehnt sein. Der eine ist immer an Frauen interessiert und über die Maßen von sich überzeugt, der andere ist mehr die Marke Stiller Fußabtreter. Die beiden sind ein Teil des Arrangements, das wohl ausgewogen auf verschiedene Charaktere verteilt ist und sich wie ein Puzzle nach und nach zu einem tollen Bild zusammenfügt.

Feinsinnig und einfühlsam, fantastisch, wohlig schauerlich, spannend, einfach schön gezeichnet mit dem sehr eigenen Stil von Xavier Fourquemin. 🙂

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