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Comic Blog


Montag, 29. September 2008

W.E.S.T. 3 – El Santero

Filed under: Abenteuer — Michael um 14:02

W.E.S.T. 3 - El SanteroDie weißen amerikanischen Eindringlinge haben keinen Glauben. Sie sehen die Resultate, aber sie wollen lieber nachforschen, ergründen, eine Lösung finden. Soldaten, die an Gelbfieber starben, dürfen nicht wieder aufstehen und als Zombies unter den Lebenden wandeln. Schlimmer noch: Sie scheinen unter dem Einfluss einer fremden Macht zu stehen, der sie gegen ihren Willen handeln lässt. Kuba will die Amerikaner nicht. Der Präsident sieht das anders. Er schickt W.E.S.T.: Das Weird Enforcement Special Team.

Am 7. Januar 1902 wird auf Kuba ein weiterer Tod festgestellt. Diesmal ist es kein Soldat, sondern ein Geschäftsmann, der am Gelbfieber gestorben ist. Edward Nash war Vorsitzender der United Fruit Company. Ein Mann in einer solchen Position stirbt nicht einfach so. Die Presse wittert eine große Geschichte. Obwohl der verantwortliche General Wood alles dementiert, machen schlimme Gerüchte und Vermutungen die Runde. Islero, ein für die Unabhängigkeit Kubas kämpfender Santero, soll für die Tat verantwortlich sein.

Kurz nach der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert bemühte sich die immer noch junge USA anderen Staaten ringsherum auf die demokratischen Beine zu helfen. Kuba ist für die Befreiung von den spanishen Herrschern allerdings nicht besonders dankbar. Aber den Kubanern fehlen auch die Mittel, angemessen zu reagieren. Während einige die Hilfe von außen suchen, greifen andere zu eher abergläubischen Mitteln: Santeria.

Im Kern des unheimlichen Widerstands steht die karibische Form des Voodoo. Diese geheimen Riten wirken nur leider für die amerikanischen Besatzer auch bei Ungläubigen. Das Team, das sich solcher Fälle annimmt, wurde entwickelt und geschrieben von Xavier Dorison und Fabien Nury. Anders als vergleichbare Gegner des Bösen und Löser unheimlicher Fälle wie die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen, B.U.A.P. oder Mulder und Scully bewegt sich W.E.S.T. näher an der historischen Realität. Sind letztere Ermittler schon relativ normal, ist es das Team von W.E.S.T. erst recht. Neben einer unheimlichen Komponente besitzt die Geschichte die Kulisse eines Vorkriegsszenarios, in dem sich Geheimagenten und Intrigen die Klinke in die Hand drücken.

Bemerkenswert ist die Dichte der einzelnen Handlungsstränge, von denen jeder einzelne schon für eine eigene Geschichte ausreichen würde. Morton Chapel, der Chef des Teams, verfügt augenscheinlich über eine bewegte Vergangenheit. Eingangs wird der Leser bereits mit Chapels traumatisierter Tochter Megan konfrontiert. Sobald sie ihren Vater nur sieht, erwacht sie aus ihrer Starre und verfällt in einen hysterischen Schreiwahn. Szenen wie diese machen es dem Leser schwer mit Chapel zu fraternisieren.

Optisch ein gealteter Lex Barker, eine Mischung aus Abenteurertyp und Pinkerton-Agent, hoch aufgeschossen, hager, stets ernsthaft steht dieser Mann ansonsten sehr unterschiedlichen Charakteren vor, die ihre Aufgabe aber nicht weniger ernst nehmen. Bart Rumble, ein irisches Urgestein, ist der sympathischste der vier Teammitglieder. Er ist herzlich, leidenschaftlich, er kann einstecken und austeilen. Er ist ein Profi, der sich in gefährlichen Situationen sehr im Griff hat – was angesichts einiger Szenen ziemlich beeindruckend ist.

Christian Rossi, westernerprobt an der Seite von Jean Giraud bei Jim Cutlass, zeichnet ein Kraftpaket von einem Mann, der in einem Ringerkostüm auch auf einem Jahrmarkt auftreten könnte. Auch die beiden anderen Figuren, Doktor Lennox und Joey Bishop, haben Format und einen guten Wiedererkennungswert. Der grafische Stil besitzt, äußerst passend, eine dokumentarische Form. Wie ein Gerichtszeichner seziert Rossi die Zeit, den Ort, die handelnden Figuren mit scharfem Blick und sicherer Hand. Mit Ocker, Orange, aber auch kaltem Grau und Blau schafft er eine gespenstische Atmosphäre, die auf der Grenze zum Western wandelt und mit den Erinnerungen an bräunlich verblasste Fotografien der besagten Jahrhundertwende spielt.
Darüber hinaus arbeitet er mit ähnlich zerbrechlich anmutenden Darstellungen eines späteren Giraud, aber ohne allzu sehr in die Abstraktion oder zu große Einfachheit zu verfallen.

Eine Geschichte, die in der ins Abseits gedrängten Ecke der amerikanischen Geschichte spielt. In dieser frühen Kubakrise schaffen Dorison und Nury eine perfekt atmosphärische Gruseldämmerung mit überzeugenden Charakteren. Rossis grafische Umsetzung ist wie geschaffen für dieses Genre – wie er schon zuvor unter Beweis gestellt hat. Sobald W.E.S.T. Kuba erreicht, kann der Leser sich den Bildern nicht mehr entziehen. Wer sich Grusel und Freiheitskampf Seite an Seite in historischer Umgebung vorstellen kann und mag, wird hier sehr mitreißend und niveauvoll unterhalten. 🙂

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