Vielleicht hätte Hughie zuerst den anderen zuschauen sollen. Leider fällt ihm nicht auf, dass seine Kumpels den Schnaps über die Schulter wegkippen und nicht trinken. Und so helfen ihm auch seine Superkräfte nichts, als dieses Teufelszeug beinahe seine Speiseröhre verätzt. In Russland trinkt man eben etwas anders als im Rest Europas.
Willkommen in Mütterchen Russland. The Boys sind im Lande, aber nicht zufällig. Sie haben einen Auftrag. Jemand, dessen Identität sich noch nicht offenbart hat, stellt eine Superheldenarmee auf. Klar, dass das nicht im Sinne derer ist, die ein Auge auf diesen Heldenabschaum haben.
Superhelden sind äußerst kaputte Typen – nicht alle, aber viele von ihnen – einige wissen über ihren Zustand Bescheid und finden es selber krankhaft, wollen etwas dagegen unternehmen. Andere … Ja, andere haben ganz einfach ihren Spaß daran und nutzen jede Gelegenheit, um sich mannigfaltige Weise auszutoben.
Doch sie haben die Rechnung ohne die Boys gemacht, eine kleine Gruppe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen Helden im Sinne der Allgemeinheit in den Ar… zu treten. Helden, die glauben, sie kämen auch mit einem Mord davon, haben ganz schlechte Karten.
Garth Ennis erzählt mit der zweiten Ausgabe von The Boys seine ganz eigene Version einer Welt mit Superhelden fort. Bevor es in der zweiten Episode politisch global wird, Der glorreiche Fünfjahresplan, muss zuvor ein Mord aufgeklärt werden. Ein homosexueller Junge wurde tot am Fuß eines mehrstöckigen Hauses aufgefunden. Aus einer ganz normalen Mordermittlung wird bald eine Mörderjagd auf einen Superhelden.
Die Episode Eingelocht ist absolut politisch unkorrekt – so jedenfalls verspricht es die Überleitung zum zweiten Teil dieser Geschichte. Ich möchte behaupten, dass Garth Ennis derlei Überlegungen ziemlich fremd sind. Nicht nur diese Veröffentlichung legt diesen Schluss nahe. Ennis geht diese Thematik aber nicht platt an, im Gegenteil wird das Homosexualität zu einem Streitthema zwischen Billy Butcher und dem Neuen in der Truppe, Wee Hughie, der an einer leichten Homophobie leidet, aber dennoch auf Fairness und Akzeptanz plädiert.
In der Theorie sind sie also okay, aber die Realität sieht anders aus, ja?
Ennis lässt Butcher zum Sprachrohr einer nicht ungewöhnlichen Feststellung werden. Da Butcher sowieso jedermann mit irgendwelchen Schimpfworten belegt und nie ein Blatt vor den Mund nimmt, mag man ihm diesen Charakterzug eher abnehmen als Hughies überängstliche Art irgendwelchen schwulen Schauermärchen aufzusitzen.
Die Auflösung ist menschlich, das Ende der anderen Handlungslinie ist abgedreht, wie so oft, wenn Ennis seine Finger im Spiel hat.
Ging er das Thema Homosexualität noch mit einem gewissen Fingerspitzengefühl an, knallt er mit der nächsten Geschichte wieder voll rein. Aber, auch das muss ihm zugute gehalten werden, mit Liebeswurst (fragt nicht!) wird eine Figur vorgestellt, die nicht nur ein sympathischer Russe ist, sondern auch ein großes Herz für Mütterchen Russland hat – und für seine amerikanischen Freunde. Das ist das große Plus von Ennis, dass er sich der Schwarzweißmalerei verschließt und bei allem Schweinskram, den er zur Zeichnung einer verkommenen Gesellschaft einfließen lässt, auch immer die Menschlichkeit zum Vergleich nebenan stellt.
Darick Robertson macht seine Sache als Zeichner sehr gut. Er hat aber auch Figuren erhalten, mit denen es sich trefflich arbeiten lässt. Butcher, Hughie (der optisch dem Schauspieler Simon Pegg nachempfunden ist), Mother’s Milk, Frenchman und das Weibchen.
Letztere ist einfach nur irre und darf diesen Charakterzug auch in diesem Band wieder unter Beweis stellen, als sie TekKnight auseinander nimmt. Wahnsinn und Wahnsinnskräfte vertragen sich nur bedingt und wenn sie unter Kontrolle zu halten sind.
Weniger gelungen ist der episodische Einschub von Zeichner Peter Snejbjerg. Die Zeichnungen sind nicht schlecht zu nennen, doch sie können mit den eher ernsthaften Bildern von Robertson nicht mithalten.
Eine gute Fortsetzung, nicht ganz so überraschend wie der erste Teil, dafür nicht weniger drastisch. Die Boys werden international, die Intrigen im Hintergrund werden komplexer. Das lässt einiges hoffen für die zukünftigen Ausgaben. Mal sehen, ob Garth Ennis seine unausgesprochenen Versprechen einhält. 🙂