Zum Inhalt springen


Comic Blog


Mittwoch, 14. Mai 2008

Siegfried

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:17

SiegfriedEin Paar irrt durch den verschneiten Wald. Nicht nur das Wetter, auch die Götter scheinen sich gegen sie verschworen zu haben. Odin selbst hält die beiden Flüchtigen auf. Der Mann ergibt sich nicht in sein Schicksal. Er greift Odin an. Vergeblich.
Das zerbrochene Schwert des Mannes, der Waffe, die gegen einen Gott geschwungen wurde, versinkt in den eisigen Tiefen eines Waldsees. Wie konnte es zu dieser Tragödie kommen? Warum bemüht sich ein Gott zur Erde hernieder? Die Ursache liegt in fernster Vergangenheit und das Schlüsselwort lautet Macht.

In einem Klumpen Gold liegt die absolute Macht verborgen. Sogar die Macht über die Götter selbst. Fafnir, der aus Verlangen nach der Wächterin des Flusses verging, muss entdecken, wie die Wächterin einen anderen liebt. Der fürchterliche Fafnir bringt das Gold an sich und flieht. Er will auf ewig auf die Liebe verzichten und so die Macht aus dem Gold ziehen. Mime schmiedet für Fafnir den Ring. Doch die Macht birgt nichts Gutes in sich. Fafnir verfällt zusehends dem Wahnsinn, verändert sich und gewinnt das Aussehen eines Drachen.
Mime, der Nibelung, zieht hinaus in die Welt und findet die Wächterin, verletzt, dem Tode nahe. Hoffnungsvoll reicht sie dem Nibelung das Kind und eine Hälfte des zerbrochenen Schwerts. Mime soll ihn groß ziehen, den kleinen Siegfried, fern der Götter und ohne Kenntnis über sie.

So weit, so Wagner. – Ungefähr jedenfalls. Dieser Siegfried ist episch angelegt. Der Hintergrund ist derart groß, dass er für eine eigenständige Geschichte herhält. Es dauert, bis es überhaupt zu Siegfried kommt. Und dann dauert es noch einmal, bevor der Recke zur Tat schreiten kann. Siegfried ist der Wegbereiter des Niedergangs der Götter.
Bereits nach wenigen Seiten fallen auch Ähnlichkeiten zum Herrn der Ringe auf, erinnert Fafnirs Schicksal doch stark an Smeagol, der zu Gollum mutierte. Siegfried, von Mime erzogen, mit den Wölfen spielend und jagend, muss sich einen Vergleich mit Mowgli gefallen lassen. Aber auch viele klassische Motive lassen sich heranziehen, ebenso wie Themen dieser Geschichte auch grundsätzlich zum Drama oder zur Tragödie taugen. Inmitten der echt aussehenden Menschen, Götter und Walküren sind die Nibelungen eher disneyesk dargestellt. Miniaturdrachen im besten Sinne, wie ein recht niedlicher Mime äußerlich beweist.

Als Leser mag man (ich) sich aber nicht auf diesen kleinen (äußerlichen) Außenseiter einstellen. Die Geschichte, wie auch die Bilder, liest sich besser, wenn man diese Nibelungendarstellung von Alex Alice für sich persönlich abmildert. Im Zeichentrick-Trailer zu Siegfried funktioniert es und passt sich besser ein. Vielleicht, weil dort die Farbgebung intensiver, kräftiger ist. Hier ist auch der Vergleich zu einer hochkarätigen Disney-, Don Bluth-, Amblin Entertainment- oder anderen Produktionen viel eher zu bewerkstelligen.

Die düstere, gedeckte Farbgebung des Comics ist erwachsener, verstärkt den dramatischen Effekt. Der große (böse) Wolf, schwarz wie die Nacht, zähnefletschend. Odin, der die Göttlichkeit der Wächterin in seinen Händen zerquetscht. Siegfrieds Kampf mit dem Wolf. Sein Leben im Wald. Der Besuch der Walküre, die Siegfried die spätere Aufgabe nicht zutraut. Wenn der Wolfsvater seinen Sohn, Flocke, den besten Freund Siegfrieds tötet und einen Vorgeschmack dessen liefert, was später kommen wird. Der Leser weiß es oder ahnt es wenigstens. Siegfried bewältigt seine erste schwierige Aufgabe, als er erfahren muss, was Verlust bedeutet.

Ich denke, jeder Leser wird für sich selber eine Schlüsselszene entdecken, wann der Sog ihn packt, wann er weiter lesen muss.
Für mich war es Siegfrieds erste Begegnung mit dem schwarzen Wolf und dem anschließenden Besuch der Walküre, die wie eine Fee erscheint, sogar eine Feder verliert, aber dennoch nicht wohl gesonnen ist, nur neugierig darüber, warum ein Gott das Schicksal in die Hände eines Menschen legt.

Alex Alice’ zeichnerische Begabung wie auch seine handwerklichen Fähigkeiten stehen außer Frage. Die Bilder sind ganz einfach toll und es gibt schlicht und ergreifend nichts bemängeln. Sich an Bildaufbauten oder Sortierungen von Panels zu stören, wäre reine Erbsenzählerei. Der bebilderte Weg von Siegfried vom Kind zum Mann ist rundum gelungen. Die Götter wirken kalt, auch unmenschlich. Die Landschaft, der Wald sind eine dunkle Kulisse, eine Bühne, deren Farben erst freundlicher werden, als Siegfried wenigstens die Freundschaft kennen lernt. Von der Liebe ist er zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt.

Die Rahmenhandlung, die der Walküre, der Hintergrunderzählungen scheinen die bestmögliche Darstellung gefunden zu haben. Einerseits optisch ruhig, ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht, andererseits in einer Art psychedelisch anmutenden Kaleidoskop, dass die Allmacht wie auch die Willkür der Götter und ihres Willen widerspiegelt – klingt stark interpretiert? Mag sein, angesichts der von Alex Alice geschaffenen Bilder könnte es aber Sinn machen.

Ein Bilderrausch, wie er zu dieser epischen Sage passt. Wie es nur selten der Fall ist, lässt sich Alex Alice viel Zeit bei seiner Erzählung und entwickelt eine tolle Bildsprache für dieses Thema. Nach einer Weile hat man als Leser keine Wahl mehr: Man muss einfach wissen, wie es weiter geht. Bei einem solch guten Start wird das Warten auf die nächsten beiden Bände der Trilogie zu einer echten Geduldsprobe. Ein besseres Lob kann eine Geschichte und/oder ein Comic nicht bekommen. 😀

Siegfried 1: Bei Amazon bestellen

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

You must be logged in to post a comment.