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Comic Blog


Sonntag, 04. Mai 2008

Der große Tote – Die Tränen der Bienen

Filed under: Mystery — Michael um 17:47

Der große Tote 1 - Die Tränen der BienenDie Reise mit dem Zug geht Pauline bereits auf die Nerven. Sie erreicht ein kleines Dorf in der Dunkelheit und sofort ist sie überzeugt, ein ödes Kaff vor sich zu haben. Zu allem Überfluss gehen ihr auch noch die Zigaretten aus.
Die Ente, ein altes Auto, das ihr ihre Freundin zur Verfügung gestellt hat, hat gleich am Bahnhof keine Lust zu starten. Dem jungen Mann, Erwan, der ihr helfen will, unterstellt sie sogleich, sie anmachen zu wollen. Kurzum, Pauline ist eine genervte Nervensäge, misstrauisch und beständig krittelnd.

Manchmal entsteht das große Abenteuer gleich nebenan. Indem man durch einen Schrank geht. Oder unbekannte Augentropfen zu sich nimmt.
Pauline ist eine moderne junge Frau, die kurz vor ihrem Examen zur Wirtschaftswissenschaftlerin steht. Mitten im Leben, ein typischer Städter, nicht auf den Mund gefallen, jemand, der mit Wald, Natur mangelndem Komfort auf Kriegsfuss steht. Darüber hinaus hat sie etwas gegen Ratschläge, wenn sie es besser weiß. Pauline gehört zu den Menschen, die noch viel lernen müssen, nur keine Wirtschaftswissenschaften, dies aber äußerst ungern zugeben.

Ihr gegenüber steht Erwan, ein junger Mann, erdgebunden, intelligent, der sich zurückgezogen hat und – völlig untypisch – in einem kleinen Haus im Nirgendwo, der bretonischen Landschaft lebt. Aus diesen Gegensätzen, und daraus, dass sie ein Mann und eine Frau sind, entstehen komische und spannende Momente, die Regis Loisel und JB Djian wie Noten punktgenau einsetzen. Alleine daraus ließe sich eine bezaubernde Komödie vor einer wunderbaren Landschaft erzählen, aber Loisel geht natürlich noch einen Schritt weiter.

Keine riesige Tür öffnet sich, kein Sturm, kein Blitz oder Donner, kein magisches Farbenspiel, nur ein Tropfen – man meint ein leises Plopp zu hören – und weg ist derjenige, der Die Tränen der Bienen zu sich genommen hat. Loisel kippt die grandiosen Erwartungen des Lesers angesichts eines Übergangs in eine andere Welt einfach über den Haufen. Auch Vincent Mallie begnügt sich bei seiner Umsetzung mit einem kleinen gelben Lufthauch.

Nicht sofort ist alles anders. Deshalb ist die Akzeptanz dessen, was sich mehr und mehr in Paulines Leben einschleicht, auch größer. Die Natur ist nicht sonderlich anders. Auch das fremde Volk wirkt nicht so fremd. Es könnte ein seltsam aussehender Indianerstamm sein. Es ist leicht verständlich zu beobachten, wie Pauline sich bemüht, mit der Situation fertig zu werden. Anfangs ist sie noch sehr verkrampft – sogar noch in der wirklichen Welt, als sie noch annimmt, Erwan sei ein gewöhnlicher Schwerenöter – doch je größer der Abstand zu den normalen Dingen wird, desto gelöster wird sie. Das hat Anklänge eines Urlaubs. Die Anspannung fällt zusehends von einem ab. Und je mehr Loisel und Djian den Leser an diese neue Normalität und Ursprünglichkeit gewöhnen, so tun sie dies nur, um den Schlusspunkt mit einem leisen Donner zu setzen, die Entdeckung, um die sich alles dreht.

Mallie zeichnet klare, sehr eindeutige, auch unverwechselbare Köpfe. Weder Pauline noch Erwan sind 08/15-Figuren. Aber Mallié hat sich auch nicht nehmen lassen, Pauline eine große Klappe aufzusetzen und ihr so bereits optisch etwas von ihrem Charakter mit auf den Weg zu geben.
Erwan hingegen ist gleich von Beginn an sympathisch – und er ist auch so gezeichnet. Ein leicht rundlicher Kopf, große Augen, krause schwarze Haare und mit einem melancholischen Zug versehen. Seine Naturverbundenheit, die Sanftheit, mit der Loisel und Djian ihn beschrieben haben, tun ihr Übriges.
Die Natur selbst gibt sich beinahe unauffällig. Dem Leser muss auffallen, wie sich die Proportionen geändert haben. Einiges an der Vegetation sieht anders aus. Auch existieren auf einmal neue Tiere, ein wenig bärig pummelig, auch einem Lama ähnlich – Pauline nimmt von diesem Umstand kaum Notiz. Es bleibt ihr auch keine Zeit, denn die Priesterinnen des kleinen Volkes sind außergewöhnlich genug.

Das Design dieser Wesen ist menschenähnlich, aber nicht mehr ganz so knuffig, wie jene normalen Dorfbewohner des kleinen Volkes zu Beginn – die Pauline noch hässlich fand. Ein Umstand, den man als Leser nicht nachvollziehen kann. Durch die Priesterinnen wird der indianische Ansatz dieses Wolkes noch verstärkt.

Ein leichtfüßiger Beginn, durch den der Übergang vom Vertrauten zum Phantastischen kaum auffällt. Dank der haargenau skizzierten und beschriebenen Charaktere bemerkt man diese kleine Entführung kaum. Erst wenn die Pointe naht – aber dann hält einen die Geschichte längst gefangen. Sehr schön! 😀

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