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Comic Blog


Sonntag, 03. Februar 2008

Yiu – Die Kaiserin der Tränen

Filed under: SciFi — Michael um 13:09

Yiu - Die Kaiserin der TränenEin gewöhnlicher Auftrag. – Was Yiu eben einen gewöhnlichen Auftrag nennt. Die weltweite ökumenische Allianz bereitet sich auf ihre Konferenz vor. Einer jedoch soll niemals an der Konferenz teilnehmen: Jesus Frans Verbruggen. Seine Verderbtheit ist selbst dem Klerus zuviel geworden. Yiu wartet auf die Abschussfreigabe.
Es ist das übliche Vorgehen. Über die Kopfhörer kommen die Vorgaben des Beobachters glasklar herein. Der Beobachter ist sehr menschlich. Er weiß, dass er gegen die Vorschriften handelt, trotzdem informiert er Yiu über eine Geiselnahme im Zentralkrankenhaus.

Yiu will nicht länger warten. In diesem Krankenhaus befindet sich ihr einziger Verwandter: Ji-A, ihr kleiner Bruder. Dieses Kind, so beschließt sie ohne Verzögerung, darf nicht sterben. Verbruggen kann sich in Kürze von ihrer Professionalität überzeugen, als sie ihren Auftrag gegen den ausdrücklichen Befehl vorzieht, nur um gleich darauf zum Krankenhaus aufbrechen zu wollen. Yiu entkommt unbeschadet, will sie die Taktik ihrer Gegner kennt und mit ihnen gnadenlos spielt. Selten zuvor war sie so energisch in ihrem Vorgehen. Noch nie war ihr Anliegen derart persönlich.

Das Zentralkrankenhaus im nördlichen Viertel von New Jerusalem ist ein riesiger Komplex, mehr Festung als Heilungsstätte. Der Vergleich ist nicht leichtfertig gewählt, sind doch gerade die Kinder das höchste Gut dieser Gesellschaft, die am Abgrund steht, kurz vor der genetischen Auslöschung. Die Ordensschwestern versuchen die Kinder zu schützen, gegen die skrupellosen und brutalen Verbrecher hingegen haben sie keinerlei Chance. Wenig später ist Yiu vor Ort. Mit ihren Fähigkeiten gelangte sie bis zum Anführer der Geiselnehmer. Doch so leicht wie zu Beginn bleibt ihre persönliche Mission nicht. Gleich darauf scheinen ihr buchstäblich alle auf den Fersen zu sein.

Mit dieser Ausgabe von Yiu, der ersten Hälfte eines Zweiteilers, könnten die Macher J.M. Vee, Téhy und Vax ein wenig das gewohnte Tempo herausnehmen – denkste!
Das Team lässt dem Leser nur zwei Seiten Zeit, sich in die Geschichte einzufinden. Dann bleibt nur noch, sich anzuschnallen, denn die Achterbahnfahrt geht mit Höchstgeschwindigkeit los. Im Laufe der weiteren Handlung ändert sich daran nichts.

Nach den ersten beiden Geschichten Die Armee des Neo-Mülls und Die Auferstehung des Unreinen begegnen wir Yiu, die einen simplen Scharfschützenauftrag auszuführen hat. Als Schauplatz wurde eine Kirche gewählt, in einer Größenordnung, in der ein Vatikan bequem Platz hätte. Eine Nachricht platzt in die Vorbereitungen des Attentats. Diese Nachricht trifft Yiu tiefer als alle Qualen, die sie (mit dem Leser als Augenzeugen) in der Vergangenheit erleiden musste.
Verwandtschaft! In dieser geschilderten Zukunft ist Verwandtschaft ein hohes Gut, in einer Zeit, da natürliche Geburten selten und das Privileg einiger weniger sind. Bisher agierte Yiu meist kühl, professionell, nun, da ihr Bruder in Gefahr ist, brechen Emotionen durch, ist der Einsatz höher. Yiu setzt noch mehr auf Risiko, das jetzt weitaus weniger durchkalkuliert ist, da die Zeit drängt.
Es ist Vee, Téhy und Vax zu verdanken, dass die hastende, atemlose Atmosphäre sehr gut auf den Leser übergreift und er sich zügeln muss, um jeden einzelnen Satz zu lesen, da die Bilder so vorwärts drängen.

Beweine unsere kranke Welt …
So lautet eine Aufforderung des anführenden Geiselnehmers an die Mutter Oberin, die hilflos vor ihm liegt. In der Tat beschreiben die Autoren und Zeichner eine Menschheit, die abseits aller gegenwärtigen Moral und Normen existiert, die völlig aus den Fugen geraten ist. Wahnhaftes und Wahnsinn findet sich überall, eine deutliche Richtung lässt sich nicht ausmachen. Alles ist übergroß, düster, laut, für Menschen eine unpassend technisierte Umgebung wie eigentlich für jedes Leben. Wenn es einen gemeinsamen Nenner gibt, dann ist es die Gewalt, die Auseinandersetzung, denn eine Wertschätzung von Leben mündet in Mord, Totschlag, Selbstmord, im besten Fall in Selbstaufopferung.

Dank der Bilder wirkt diese Welt echt. Die Figuren sind sehr gut gekleidet. Schnallen, Taschen, Zubehör und viele anderen Kleinigkeiten sind richtig platziert, um einen filmischen Eindruck zu erzielen. Natürlich ist eine derartige Detailtreue, die sich in jedem anderen Bereich fortsetzt, sehr arbeitsintensiv. Doch das Endergebnis lohnt sich. Die Wirkung hat etwas von einem Breitwand-Gefühl, jener Effekt, der vor einer großen Kinoleinwand einsetzt, wenn man nicht weiß, wohin man zuerst schauen soll. (Entsprechend kann man zum Schluss gleich noch einmal von vorne beginnen, um all jene Details zu genießen, die einem zuvor entgangen sind, denn die Blick- und Lesegeschwindigkeit wird sich von Seite zu Seite wie von selbst erhöhen.)

Die Hintergrundgeschichte, wie eine Erinnerung erzählt, stellt ein Rätsel dar, welches sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht lüften lässt. In jedem Fall ist es mysteriös zu nennen. Der Ausgangspunkt ist ein vergangener Kampf oder Krieg. Eine gequälte Seele wurde erschaffen, eine, die nichts mehr zu verlieren hat. Yiu war auch einmal eine solche Seele (jedenfalls hat es den Anschein) und nun hat sie alles zu verlieren, was ihr lieb und teuer ist. Wie sich die Situation auflösen wird, ist nicht vorherzusehen.

Der erste Akt dieses Action Dramas rast auf den Leser zu und reißt ihn mit fort. Die dritte Folge von Yiu ist einmal mehr SciFi-Kino zwischen Comic-Seiten, immer im richtigen Tempo, mit schnellen Schnitten, ebenso wie mit langen Einstellungen. Insgesamt ergibt sich eine Achterbahnfahrt aus packenden Szenen, die immer rasanter wird, je mehr es dem Ende zugeht. Perfekte Erzählkunst mit einem gut gewählten Timing durch Vee, Téhy und Vax. 🙂

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