Das Leben des jungen Mannes bricht mit einem Schlag zusammen. Sein Bruder stirbt an einer Überdosis Drogen. Seine Mutter begeht wenig später Selbstmord. Für den jungen Mann gibt es nur eine Lösung: Die beiden Dealer, von denen sein Bruder seine Drogen kaufte, müssen sterben.
Das Rechtssystem hält nicht viel von Selbstjustiz. Der junge Mann wird kurz nach der Tat gefasst. Die Strafe folgt auf dem Fuße. Er wird zum Tode verurteilt.
Er hat bereits mit dem Leben abgeschlossen, da überlegen sich einige Männer bei der DEA, der amerikanischen Drug Enforcement Administration, dass der junge einen idealen Undercover-Agenten abgeben würde – nicht zuletzt, weil er einem Sohn des Tosca-Clans, einer führenden Mafiosi-Familie, sehr ähnlich sieht. Diese Chance darf nicht ungenutzt bleiben.
Und wer die Wahl hat zwischen der Todeszelle und einem kurzzeitigen Leben als Mafiosi mit der Chance, anschließend ein neues Leben zu beginnen, wird nicht lange überlegen: Wenn etwas schief läuft, wartet der Tod so oder so.
Der junge Mann stimmt zu und beginnt sein Training. Er erwirbt das Gedächtnis eines völlig Fremden. Ein paar kosmetische Operationen machen die Tarnung perfekt. John Tosca, den es auszutauschen gilt und der sich von seinem Vater losgesagt hatte, stirbt unerwartet. Fortan gibt es einen neuen John Tosca, einen, der sich wieder mit seinem Vater versöhnen möchte.
Die Tosca sind nicht mehr so mächtig, wie sie einmal waren oder wie sie es gerne sein möchten. Don Paliacci, ein eingefleischter Sizilianer, streckt seine Hand auf den amerikanischen Markt aus. Dabei sind ihm die Toscas im Weg. Für John Tosca bedeutet dieses Anliegen eine Chance – eine, mit der niemand gerechnet hat, auch nicht die DEA.
Das neue Leben ist gefährlich, aber auch reizvoll und aufregend. Nicht jeden Tag erhält man die Gelegenheit, die schöne Tochter eines reichen Mannes zu heiraten und so die Karriereleiter hinauf zu fallen. So manches könnte schön sein, wäre nicht die schöne Tochter Angelina ein Flittchen und ihr zwischenzeitlicher Geliebter ein recht humorloser und gemeingefährlicher Killer Don Paliaccis namens Cicero.
Vor dem Hintergrund einer verdeckten Operation entspinnt sich eine tödliche Dreiecksgeschichte.
Tosca ist ein Mafia-Thriller im Comic-Format, der mit den besten Vertretern des Genres, aus Roman wie auch aus Film, auf gleicher Höhe angesiedelt ist. Das Team um Autor Stephen Desberg, Zeichner Francis Vallès und Koloristin Marie-Paule Alluard hat hier eine sich stetig steigernde Geschichte rund um Verrat und Liebe zu Papier gebracht.
Im Original erschien Tosca über mehrere Alben verteilt, wird aber in der Ausgabe des Epsilon-Verlages in einem Band präsentiert.
Grafisch ist hier ein wunderbar kunstvolles Comic-Album gelungen. Mit wenigen, aber aussagekräftigen und exakten Strichen sind hier sämtliche Charaktere eingefangen worden. Francis Vallès zeichnet Menschen, die ein wenig Soap-Charakter haben, reich und schön sind, jedoch steckt hinter der Fassade nur Habgier und Missgunst – das Familiäre der Mafia wurde von ihm geradezu ästhetisch gezeichnet, um so erschreckender wirkt die Gewalt, wenn sie ausbricht.
Insgesamt sind die Zeichnungen überaus realistisch. Das Medium Comic wird hier zudem stark in die Nähe des Mediums Films gerückt. Viele Szenen kommen ohne Dialoge aus. Seien es Verfolgungsjagden oder Action-Szenen, aber auch atmosphärische Szenen wie in der Oper und auf dem Landsitz der Paliaccis.
Bei allem, was der Killer Cicero sagt, die rechte Hand von Don Paliacci, sind doch die Szenen die beeindruckendsten, wenn Cicero nichts sagt. Entweder geht er dann seiner Arbeit nach oder dreht regelrecht durch.
Unter dem Strich lässt sich Tosca auch als Hochglanz-Thriller titulieren. Verantwortlich für diese Atmosphäre ist auch die farbfederführende Marie-Paule Alluard. Ihre Farben verwandeln diese Geschichte in eine Theaterbühne, strukturiert mit klaren Farben. Sie stützen die Zeichnungen sehr schön, untermalen sie im Aquarell-Stil, so dass es zu feinen sehr natürlichen Effekten kommt.
Autor Stephen Desberg erzählt ohne Umwege – und führt damit den Leser ein ums andere Mal auf’s Glatteis. Denn, wer glaubt, den nächsten Schachzug der Charaktere zu kennen, der wird gehörig getäuscht. Der Schluss wartet ebenfalls mit einer Überraschung auf, nachdem es immer wieder Wendungen gegeben hat, die so nicht vorher zu sehen waren.
Ein perfekter Comic-Thriller, geradlinig erzählt, mit vielen Überraschungen und einer sehr sympathischen Hauptfigur – spannende Unterhaltung vom Feinsten. 😀
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