Freitag, 21. September 2007
Das Luftschiff liegt nach einer Bruchlandung mitten im Dschungel. In diesem Teil der Welt kann die Gefahr für Leib und Leben aus jeder Richtung kommen. Die Überlebenden wollen die gefährliche Reise dennoch versuchen – sie haben keine andere Wahl.
Sie klettern durch die Urwaldbäume. Die Äste sind derart dick, dass selbst drei oder vier Männer sie nicht umfassen können. Ihre Reise scheint eine Ewigkeit zu dauern, ohne Nahrung, ohne Wasser. Plötzlich zerreißt ein unheimliches Geräusch die angespannte Stille.
Ausgerechnet Herr Pad, der kleinste und älteste der Gruppe, hat eine waghalsige Idee. Doch kann die Reise auf einem der urweltlichen Wesen, die flussabwärts wandern, gefährlicher sein, als die Kletterpartie? Die Gruppe beschließt, das Risiko einzugehen. Zuvor müssen die Tiere erst einmal erreicht werden. Der letzte Teil des Weges bis zum Fluss wird zur ultimativen Mutprobe. Li ist die erste Leidtragende.
Damit nicht genug: Marc und Kim bleiben zusammen mit Li zurück. Während Li bewusstlos ist, müssen die beiden anderen mit ansehen, wie der Rest der Gruppe auf dem Rücken eines der gigantischen Wesen flussabwärts treibt.
Der Horror geht weiter. Marc und Kim tragen die verletzte Li tapfer weiter. Die Freunde können sich nicht entscheiden, wann das Grauen größer ist, tagsüber oder nachts. In der Zeit der größten Not stößt Alexa zu ihnen. Die lebenserfahrene Frau bringt den nötigen Optimismus mit in die kleine weit abgeschlagene Gruppe und ermöglicht Marc und Kim die nötige Ruhepause.
Der Dschungel ist nicht der einzige Feind. Auch das Militär ist den Flüchtlingen immer noch auf der Spur.
Aldebaran – Das Wesen läutet das Ende des Fünfteilers ein. Autor und Zeichner Leo schickt seine Helden auf einen abschließenden Parcour, der es in sich hat. Beinahe kann der Leser zu dem eigenen Schluss gelangen, dass Leo seine Protagonisten nicht überleben lassen will.
Zum Glück versteht es Leo, seine Leser ein ums andere mal in die Irre zu führen. Im Vergleich zu den vorherigen Folgen ist die Episode, die viele Fragen um die geheimnisvolle Mantrisse beantwortet, sehr stark auf Action ausgelegt. So gesehen entschädigt Leo die Leser, sofern sie Aktion vermisst haben, sehr. Die Reise durch den Dschungel und im späteren Verlauf über den Fluss bietet unterschwelligen Horror, viel Phantasie und eine tolle Darstellung einer fremden Fauna und Flora. Wer Abenteuergeschichten mag, die wirklich fernab jeglicher Zivilisation handeln, kommt hier absolut auf seine Kosten.
Die bereits erwähnte Phantasie von Leo wird schon durch das Titelbild des Bandes deutlich. Die außerirdische Kreatur ist so schlicht wie ein modernes Kunstwerk gestaltet, ist ebenso organisch wie auch überraschend. Die einfachen Konturen erzielen in diesem Zusammenhang eine außerordentliche Wirkung.
Die Bindung zwischen Marc und Kim verstärkt sich durch die neuerlichen Erlebnisse zusehends. Was die beiden durchmachen, stellt alle bisherigen Ereignisse in den Schatten. In einer Kleidung, die einer solchen Tour De Force keinesfalls gewachsen ist, begegnen sie seltsamen Kreaturen, die vielleicht sogar zum Lachen wären. Was ihnen da nachts das Leben schwer macht, wirkt zuerst wie ein Spaß – ein beliebter Trick von Leo, auf den man als Leser jedes Mal hereinfallen kann.
Wo die Phantasie Kapriolen schlägt, hat die Qualität der Bilder ein wenig gelitten. Sie sind bei weitem nicht schlecht – ein Leo, der nicht auf der Höhe ist, ist allemal zehnmal besser als so mancher andere Zeichner. Aber die Bilder wirken ein wenig nachlässiger. Schön zwar, aber Leo kann es noch besser, das hat er bewiesen.
Ein Schluss, der es in sich hat. Leo zeigt mit dieser Science Fiction Saga, dass er als Zeichner wie als Autor ein begnadeter Erzähler ist. Scheinbar mit leichter Hand und doch sehr intelligent geschrieben, bedeutet Das Wesen Spannung und Überraschung von Anfang bis Ende. 😀
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Mittwoch, 19. September 2007
Marc kann sich an das Leben im Gefängnis nicht gewöhnen. Seit dreieinhalb Jahren sitzt er nun in dieser Zelle, ohne Verurteilung, ohne zu wissen, wie lange dieses Martyrium noch dauern wird. Und die Verzweiflung wächst von Tag zu Tag.
Eines Tages wird Marc zu einer Arbeitsgruppe abbestellt. Der freie Himmel macht die Plackerei erduldbar. Als er mit einigen anderen Gefangenen an einer kleinen Brücke arbeitet, kommt ein Mann des Weges – der alte Herr Pad!
Marc kann seinen Mund nicht halten, ist er doch zu erfreut, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Allerdings ist ein Mann, der von einem Gefangenen erkannt wird, immer auch in der Gefahr kontrolliert zu werden. So kommt auch Herr Pad bald keinen Schritt weiter. Die kleine Kiste, die er dabei hat, muss von den Aufsehern näher in Augenschein genommen werden.
Herr Pad kennt die menschliche Psyche, die beinahe krankhafte Neugier. Kaum ist die Kiste geöffnet, erwartet die Wärter eine gefährliche Überraschung. Wenig später befindet sich Marc in Freiheit.
Die große Stadt, die Marc in den letzten Jahren nur von fern durch die Gitter sehen konnte, wird jetzt zum Unterschlupf. In der lichten Metropole Anatolia nahe der Küste wollen Pad und Marc untertauchen. Wie es sich bald zeigt, hat Herr Pad nicht uneigennützig gehandelt. Marc soll ihm einen Gefallen tun.
Nicht nur Marc hat sich eine Unterkunft in Anatolia gesucht. Auch Gwendoline lebt hier, die Reporterin, die seinerzeit miterlebte, wie Marcs Dorf vernichtet wurde. Und die Vergangenheit holt ihn ein, jedoch anders als er es sich gedacht hat.
Nellie sein einstiger Jugendschwarm ist verheiratet und Mutter. Nellies kleine Schwester hingegen ist erwachsen geworden. Kaum sehen die beiden sich wieder, erwacht auch das einstige Band zwischen ihnen wieder.
Herr Pad wirbelt ihrer beider Leben bald gehörig durcheinander.
In der dritten Folge des Science Fiction Comic-Romans Aldebaran mit dem Titel Das Foto wird der Leser zunächst von Autor und Zeichner Leo auf sehr leichte Weise in die Geschichte zurückgebracht. Nichts deutet auf die neuen Erkenntnisse hin, die sich bald abzeichnen werden und entsprechend aufrüttelnd sind.
Das Leben in Anatolia, das Leo schildert, ist halbwegs normal und einer Hafenstadt angepasst. Es ist eine sonnige Küste. Die Liebe zwischen Marc und Kim erblüht langsam, es gibt amouröse Abenteuer und Herr Pad ist sehr undurchsichtig. Über allem gibt es immer wieder Einblicke in die fremde Welt, durch die Vegetation und Tierwelt einerseits und die politische Ordnung andererseits. Wie in einem Überwachungsstadt schwebt ständig ein imaginäres Damoklesschwert über den Akteuren.
Mit dem Einschub um die Forscher Alexa und Driss gelingt Leo eine ganz tolle Passage, die nicht unbedingt Licht in das Dunkel des Geheimnisses um die Mantrisse bringt, sondern das Geheimnis noch vertieft. Als die beiden frustriert warten, sehen sie plötzlich im Meer eine Herde Gregoren, die einem ganz bestimmten Ziel zu folgen scheint.
Wenn Alexa betont, wie schön diese Lebewesen seien, kann man als Leser nur zustimmen. Die einfachen Formen und Farben der Gregoren könnten tatsächlich einer Natur (wenn nicht sogar unserer) entsprungen sein. Die Szene um die schwimmenden, sehr großen Tiere gehört wohl zu einer der schönsten in der fünfteiligen Aldebaran-Reihe.
Nach all dieser Schönheit ist das, was sich in der darauf folgenden Nacht abspielt, wahrhaft schockierend erzählt. Es gehört zu Leos tollem Geschick, auch nur soviel zu zeigen, wie es braucht, um die Phantasie des Lesers anzuheizen.
Mit zwei weiteren einfachen Bildern setzt Leo punktgenaue Akzente und vertieft das Geheimnis um die Mantrisse wie auch um Alexa und Driss.
Dabei ist die Leichtigkeit, wie sehr Leo seinen Lesern die Hauptfiguren ans Herz wachsen lässt, bewundernswert. Hier sind Geschichte und Charaktere sehr gut miteinander verflochten.
Science Fiction muss nicht an allen Ecken und Ende knallen. Leo zeigt, wie ruhig und doch ungeheuer spannend eine Geschichte aufgebaut werden kann, indem sie einem großen Geheimnis folgt. Erste Klasse! 😀
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