Dienstag, 09. Februar 2021
Ein SPEEDSTER im Gefängnis ist ein gefundenes Fressen für all jene Verbrecher, für deren Inhaftierung ein FLASH verantwortlich ist. Rache ist hinter Gittern für so manchen ein gelungener Zeitvertreib. Dabei wartet WALLY WEST selbst auf seinen Prozess hinter den Mauern des BLACKGATE-Gefängnisses. WALLY WEST ist am Boden zerstört. Die Angriffe seiner Mitinsassen sind da eher ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn WALLY WEST muss sich für den Tod von 13 Menschen verantworten. Abgrundtiefe Traurigkeit und sein Gewissen zerfressen ihn innerlich Tag für Tag …
Bis zu jenem Moment, als TEMPUS FUGINAUT, eine kosmische Kreatur, erkennt, dass nur WALLY WEST das MULTIVERSUM retten kann. Ja, das MULTIVERSUM ist einmal mehr in Gefahr! Das DUNKLE MULTIVERSUM, dazu bestimmt zu vergehen, ist außer Kontrolle. Eine jener dunklen Welten weigert sich dieser bestimmung zu folgen und stürzt das den Superhelden allseits bekannte helle Gegenstück ins Chaos. Alles droht vernichtet zu werden. Einzig WALLY WEST ist schnell genug, dem entgegenzuwirken. Von TEMPUS FUGINAUT mit einer Waffe ausgestattet, macht sich WALLY WEST zunächst wiederstrebend auf den Weg. Zunächst …
SCOTT LOBDELL schreibt WALLY WESTS RÜCKKEHR und er lässt den Helden gehörig büßen (wie gesagt: verantwortlich für den Tod von 13 Menschen). Was sich hier unter dem Obertitel FLASH FORWARD abspielt, könnte man als INTERDIMENSIONÄREN ROADTRIP bezeichnen. FLASH FORWARD läuft hier auch als EINE VORGESCHICHTE ZU BATMAN DEATH METAL. Das ist aber äußerst sekundär zu verstehen, denn von diesem Sammelband, der die Miniserie (Band 1-6) umfasst, kann nicht auf jene künftige Ereignisse geschlossen werden.
WALLY WEST stehen eine Menge Begegnungen bevor. Solche, die den Leser nostalgisch stimmen könnten (sofern sie schon Gelegenheit hatten, den einen oder anderen Helden in Aktion zu erleben). Solche, die neugierig machen könnten, auch auf Events, die vielleicht einmal eintreten könnten (und sollten, sieht man sich das Potential der gezeigten Charaktere an). PRÄSIDENT SUPERMAN, ein schwarzer Kryptonier, der tatsächlich PRÄSIDENT der VEREINIGTEN STAATEN von AMERIKA geworden ist (in Anspielung auf den ehemaligen Präsidenten BARACK OBAMA), ist ein Beispiel für alte Bekannte. Aber SCOTT LOBDELL fährt ebenso Gegensätze auf. Ein VAMPIRISCHER SUPERMAN, durch und durch verdorben und blutsüchtig, könnte kaum gegensätzlicher sein.
Aber damit nicht genug. Eine nette Spielart in MULTIDIMENSIONALEN Geschichten waren und sind stets Zusammentreffen von verschiedenen Inkarnationen ein- und desselben Charakters. In diesem Fall sind es SPEEDSTER (nicht direkt derselbe Charakter, aber mit demselben Talent gesegnet). BRETT BOOTH, der Zeichner aller sechs Episoden, darf in einem Bild 13 verschiedene Versionen präsentieren. Diese Vielfalt zeigt die Möglichkeiten, die diese Geschwindigkeitsfähigkeit (und mehr) dem DC-Universum bietet. Ähnlich stark ist vielleicht bloß noch das Segment um GREEN LANTERN herum.
An Action mangelt es ganz bestimmt nicht. BRETT BOOTH steht stilistisch für einen leicht überzeichneten Realismus. Da gibt es viele Ähnlichkeiten zu anderen Künstlern dieser Art, ganz besonders fiel mir hierzu der bereits verstorbene MICHAEL TURNER (FATHOM, BATMAN/SUPERMAN) ein. FLASH bedeutet rasende Geschwindigkeit. Diese setzt BRETT BOOTH hervorragend um. Ich möchte behaupten, dass die Darstellung von Geschwindigkeit in einem Comic eine der größeren Herausforderungen für Zeichner UND Autor ist. BRETT BOOTH muss gute erzählerische Vorlagen besessen haben. Sein Händchen für derartige Szenarien beweist er hier auf jeden Fall.
Wenn die Erde zu klein wird, geht es hinaus ins MULTIVERSUM. Von SCOTT LOBDELL und BRETT BOOTH mit Bravour gelöst! Fragile, detailreiche Zeichnungen tragen den Leser durch ein fetziges, blitzschnelles Superheldenabenteuer. Für FLASH- und JLA-Fans! Top! 🙂
FLASH FORWARD, WALLY WESTS RÜCKKEHR: Bei Amazon bestellen.
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Freitag, 05. Februar 2021
Der Flug ist keine Besonderheit. Weder der Pilot noch DANI machen sich Sorgen. Ziel ist der Nordpol, wo DANI seinen Vater auf einer Forschungsstation besuchen möchte. Plötzlich wird dem Piloten übel. Die Flugmaschine, eine Consolidated PBY-6A Catalina (wie sie auch zur Ausrüstung von Jacques Cousteau gehörte), verliert an Höhe, stürzt schließlich ab, streift Eisblöcke, bis der nun flugunfähige Rumpf immer tiefer in eine Eisspalte fällt. Für DANI wird es immer dunkler. Am Ende verliert er das Bewusstsein. Als er wieder erwacht, ist alles anders …
Ende 1969 entstand DANI FUTURO und nahm in den 1970er Jahren Fahrt auf. Genau dieses legendäre Jahrzehnt merkt man dem Comic sehr genau an. Die 1970er gingen modisch neue Wege, es war bunt, schrill. Es war formenreich und der Blick auf die Zukunft äußerte sich entsprechend auch in Architektur und Möbelbau. In dieser Zeit waren spanische Comic-Macher mit ihren Werken in Deutschland stark vertreten. Zwei dieser Künstler waren VICTOR MORA (Autor) und CARLOS GIMÉNEZ (Zeichner). Sie schufen DANI FUTURO.
DANI FUTURO, ein Kind der Vergangenheit (der damaligen Gegenwart der 1970er), wird durch einen Flugzeugabsturz tiefgefroren und wacht in einer Zukunft auf, in der sich so manches zum Besseren gewendet hat. Zumindest damals schien ein Utopia im Medium Comic verlockend, und es macht tatsächlich großen Spaß, die Zukunft einmal so zu betrachten. Die Menschheit kann sich den Annehmlichkeiten des Lebens hingeben. Technik hat das Leben in vielen Belangen einfacher und sicherer werden lassen. Die Natur durfte sich augenscheinlich regenerieren. Fische werden nicht mehr gefangen, sondern sie werden gezüchtet und in den Meeren ausgesetzt. Man kann sich nun mit Delfinen verständigen. Außerdem ist der Mond inzwischen bewohnt und besitzt eine Atmosphäre …
Alles gut in der Zukunft? Im Prinzip ja. Aber das Abenteuer benötigt ein paar Schwachstellen. Diese rühren meist aus vergangenen Zeiten her. DANI FUTURO wird in der ersten Albumausgabe, DAS VERSCHOLLENE RAUMSCHIFF, in Episoden erzählt. Ist die erste Episode, EINE WELT VERLOREN, EINE WELT GEWONNEN, die Einführung zur Hauptfigur und zur neuen Welt, wird es später ziemlich gefährlich. EINE WELT VOLLER SCHROTT sowie DAS VERSCHOLLENE RAUMSCHIFF zeigen dem Leser überdeutlich, dass abseits der sehr gepflegten Zivilisation der Tod lauern kann.
EINE WELT VOLLER SCHROTT ist ein schönes Beispiel dafür. Ein Raumschifffriedhof, sicherlich von realen irdischen Vorbildern inspiriert, zeigt, wo die, im übertragenen Sinne, diese schöne Zukunft ihre Leichen im Keller hat. Heraus kommt ein gruseliger Abenteuerspielplatz. VICTOR MORA bleibt immer nur wenig Raum, eine Geschichte zu etablieren. Jede Episode ist in sich abgeschlossen. Gleichzeitig rundet VICTOR MORA die Welt rund um DANI FUTURO mit immer neuen Details ab. Der Autor arbeitet mit einem Serienkonzept vor der Zeit des roten Fadens und ermöglichte seinen Lesern so auch einen späteren Einstieg in die Reihe. DANI FUTURO (als Serie) ist ein Kind in der wichtigen Phase der Comic-Magazine. Aus heutiger Sicht macht die Erzählweise Sinn.
CARLOS GIMÉNEZ ist als Zeichner in der wunderbaren Position, eine Figur, seine Zuspieler und das Drumherum von Grund auf entwickeln zu dürfen. Stilistisch ist diese gestaltete Zukunft von realen Anteilen, psychedelischen Anklängen und den verspielten Jugendstilelementen durchsetzt. Bestes Beispiel hierfür ist der Anblick der Hauptstadt des Mondes, das Camp TYCHO BRAHE (benannt nach dem berühmten dänischen Astronomen). Der filigrane Aufbau des Doms im Hintergrund der Stadtansicht erinnert stark an die SAGRADA FAMILIA, die weltberühmte Basilika in BARCELONA.
DANI FUTURO wird von CARLOS GIMÉNEZ mit einem starken, wie auch naiven Realismus gezeichnet. Das ist modisch etwas klinisch, aber auch hipp mit den Schlaghosen der 1970er Jahre versehen. Grafisch gehört der Künstler zu den besten Vertretern der spanischen Zunft. Hier sitzt die schwarzweiße Grundzeichnung, ob es nun technische Geräte, menschlische Anatomie oder Tiere sind.
Der erste von insgesamt acht Bänden präsentiert ein nostalgischen Rückblick auf eine schöne Comic-Zeit innerhalb Europas und auch Deutschlands. Die Zukunftsschau des DANI FUTURO besticht heute durch Charme, eine genau geplante Erzählweise und dem Werk eines Zeichner, CARLOS GIMÉNEZ, der aktuellen Künstlern mit seinen Arbeiten immer zeigen kann, wo es lang geht. Ein sehr guter redaktioneller Teil rundet den ersten Band ab. Schön! Für Comic- und SciFi-Enthusiasten! 🙂
DANI FUTURO 1, DAS VERSCHOLLENE RAUMSCHIFF: Bei Amazon bestellen.
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Mittwoch, 27. Januar 2021
Kein richtiger Auftrag. Mehr ein Gefallen. Jemanden erledigen, der einem anderen im Weg steht. DER KILLER übernimmt die Angelegenheit. Schon, um nicht aus der Übung zu kommen. Ein neues Ziel und eine neue Umgebung erfordern Recherche. Wie, wo, wann zuschlagen. Je besser ein Ziel beschützt ist, desto aufwändiger ist die Vorbereitung. Die Umsetzung klappt. Natürlich. Ein präzise ausgeführter Schuss. Keiner hat den Täter gesehen. Kein Spuren sind zurückgelassen worden. Und dann läuft doch noch einiges schief …
DER KILLER hat sich verändert. Der über die Welt philosophierende Auftragsmörder würde es wahrscheinlich nicht zugeben, aber er ist nicht mehr der Mensch, der diese brutale Tätigkeit einmal zu zu seinem Beruf erklärt hat. Er ist nicht mehr Single, und er ist Vater. Er ist reich und eigentlich hätte er nicht nur allen Grund, sich aus dem geschäft zurückzuziehen, er müsste auch nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen und könnte das Töten anderen überlassen.
Gäbe es da nicht ein Problem. Töten ist kein einfacher Zeitvertreib für ihn. Es ist auch nicht einfach nur ein Beruf. Es ist seine Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die er nur ungern aufgibt, selbst dann, wenn es wirklich brenzlig für ihn und seine Schutzbefohlenen wird. Zu seinem Glück ist man bei der Familie seiner Frau auch nicht zimperlich und weiß sich zu wehren.
Eine andere Welt, ein anderes Auftreten. Wie war es doch zu Anfang, als DER KILLER in einem Zimmer auf sein Opfer wartete, nichts geschah, Stunde um Stunde verstrich und sich eine verstörende Ungewissheit einstellte. Mittlerweile ist DER KILLER erfolgsverwöhnt. Der Leser konnte verfolgen, wie sich eine Art Triumvirat bildete. Ein ehemaliger Agent, einer aus dem organisierten Verbrechen und DER KILLER, hauptsächlich als der Mann fürs Grobe. Aber die Macht zu erlangen ist eine Sache, sie zu erhalten eine ganz andere.
MATZ, der Szenarist, vertieft die Geschichte in dieses Problem. DER KILLER glaubt sich eine ganze Weile Herr der Lage zu sein. In so manch gefährlichen Situation (sprich: Schießerei) ist er das auch. Aber die Spielregeln der Hochfinanz wie auch der internationalen Politik und ihrer Geheimdienste stößt er an seine Grenzen. LUC JACAMON, Zeichner und ebenso wie MATZ von der ersten Stunde an dabei, gestaltet harte Actionszenen, die der Moderne ihren Tribut zollen. Auffallend hier zwei sehr unterschiedliche Szenen, einmal im Großstadtmilieu, einmal in der Wüste. Letzterer Abschnitt wirkt bei dem KILLER noch lange nach.
Interessant (und sehr gelungen) ist die Technik, mit der LUC JACAMON eine Actionszene darstellt (und weiterhin perfektioniert). Der Comic-Künstler verschmilzt, überschneidet, über eine Seite verteilt, Szenenabschnitte miteinander. Das ist zweifellos einem Filmschnitt abgeschaut und imitiert gekonnt die Geschwindigkeit eines Moments, indem die Bilddichte der Action-Collage erhöht wird und möglichst viele Eindrücke gleichzeitig gezeigt werden. Das hat auch zur Folge näher an das momentane Empfinden des KILLERS heranzukommen, der entsprechend rasch reagieren muss, um mit mehreren Angreifern fertig zu werden.
Die Gegensätzlichkeiten des Hauptcharakters führen zu völlig gegenläufigen Sequenzen. LUC JACAMON gestaltet ein wunderbares Familienleben, traumhafte Ferien in der karibischen See. MATZ begleitet die schönen Bilder mit den düsteren Gedanken des KILLERS. Gleichsam als eine Art Vorausschau auf das weitere Geschehen (das weit entfernt ist von der Traumschiff-Atmosphäre) und Warnung an den Leser, sich keinesfalls in Sicherheit zu wiegen. Unter der Oberfläche des Scheins kocht die Gefahr sehr bald über.
So dauert es nicht lange und DER KILLER und sein Kumpel HAYWOOD (als Freunde würden sie sich nicht bezeichnen) liefern ein Paradebeispiel dafür ab, was sie (wahrscheinlich) unter einer erfolgreich durchgeführten Aktion verstehen. Unter dem Strich bedeutet das: keine Überlebenden, keine Zeugen. Mit allen Mitteln. Folter. Ohne Gnade. Und eben noch gab sich DER KILLER als treusorgender Vater, liebevoller Partner und Familienmensch. Was für ein Gegensatz!
Aber das ist ein wichtiger Teil, der hier für Spannung sorgt und den KILLER unberechenbar erscheinen lässt. Der Leser kann nie sicher sein, welcher Charakterzug des KILLERS als nächstes an der Oberfläche auftaucht. Oder welches Land. DER KILLER bedeutet in der 3. GESAMTAUSGABE der Reihe einen sehr weitläufigen Blick auf die Welt, in unterschiedlichsten Vegetationszonen, verschiedensten Bevölkerungsdichten und -schichten sowie Zivilisationsstufen (rechnet man gedankliche Rückblicke auf die Menschheitsgeschichte mit ein). Das ist abwechslungsreich, überraschend und nicht das, was ein Leser normalerweise in einem Thriller erwarten würde.
MATZ (Szenarist) und LUC JACAMON (Zeichner) schicken in der 3. GESAMTAUSGABE einen KILLER ins Rennen, der (aber das würde er niemals zugeben) auf seine Art ein Teil des Establishments geworden ist. DER KILLER gelangt auf eine neue Ebene, Überraschungen inklusive, spannend, durchdacht, anspruchsvoll. 🙂
DER KILLER, GESAMTAUSGABE 3: Bei Amazon bestellen.
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Sonntag, 17. Januar 2021
Die Karten für HARRISON BANKS wurden neu gemischt. Der Mann war ganz oben, wurde ausgebootet, verfolgt, erlebte mehrfach Attentate auf seine Person und ist nun, nachdem eine zweite Version von GOLDEN CITY nicht mehr die Weltmeere bereist, sondern im erdnahen Weltraum kreuzt, erneut auf dem Weg an die Spitze. GOLDEN CITY war und ist eine reisende Stadt. Darüber hinaus ist sie nur den Reichen vorbehalten. Wer über weniger finanzielle Mittel verfügt und sich trotzdem an Bord befindet, ist schlicht ein Angestellter. GOLDEN CITY ist außerdem ein Mikrokosmos. Als solcher wird er medial genauestens unter die Lupe genommen. HARRISON BANKS ist ein Junggeselle, den ein Haufen Glamour umgibt. Nicht absichtlich, aber ein Flair, das er gerne benutzt, um seine Ziele zu erreichen …
Die Beschreibung sollte nicht täuschen. GOLDEN CITY ist keine Soap Opera. DANIEL PECQUEUR, Autor, erzählt im 13. Band der Reihe, Untertitel AMBER, einen Science-Fiction-Thriller, der strikt aus unserer Zeit weiterentwickelt worden ist. Die Technik könnte diesen Weg nehmen, die weltpolitische Lage, der Reichtum, die Natur, die Meere, die an den Küsten der Länder nagen und Lebensraum abgraben. Vor diesem Hintergrund erlebt der Leser Machtspiele, Intrigen, Gewaltausbrüche und -exzesse. Eine Leben für ein Leben. Auch Reichtum beschützt nicht in letzter Konsequenz. Irgendwann wird jeder unvorsichtig oder ist so überheblich, sich für unantastbar zu halten.
DANIEL PECQUEUR ist kein Schwarzweißmaler. Diese Welt hat an (fast) jedem Charakter gekratzt. Die Menschen nehmen für sich in Anspruch, sich auf jede erdenkliche Weise zu wehren. Sicherheitskräfte, Polizei sind trotz überlegener Technologie häufig machtlos. An diversen Schlüsselszenen arbeitet er heraus, dass sich niemand mehr in die Opferrolle begeben will. Vor allem jene nicht, die diese Rolle schon zur Genüge inne hatten und sich nun verbissen wehren. Oder auf brutalste Weise rächen. Szenisch wird in der 13. Folge nichts versteckt. Teilweise musste ich über die Vorgehensweise der Hauptakteure staunen.
Die von NICOLAS MALFIN (Zeichnungen) und PIERRE SCHELLE (Farben) gestalteten Bilder stellen die Geschichte auf zwei Schienen dar. Die eine ist jene vom erwähnten HARRISON BANKS, die andere jener jungen Erwachsenen, die ihm vor einiger Zeit auf der Erde halfen und nun gute Freunde geworden sind. Beide werden angegriffen, unerwartet. Und jeder geht auf seine Art damit um. Die Handlung ist global. VENEDIG und sein KARNEVAL werden als Kulisse genutzt. In RUSSLAND haben Kriminelle das Sagen. Das Stichwort lautet illegaler Organhandel. Menschen sind stets etwas stilisiert gezeichnet, etwas puppenhaft von NICOLAS MALFIN, aber es passt hier, zumal es sich gut in das futuristische Ambiente mit all seinen technischen Spielereien einfügt. Da NICOLAS MALFIN von Anfang an dabei ist, gibt es auch keine Stilbrüche.
PIERRE SCHELLE koloriert bonbonbunt, grell. Das lenkt ein wenig von mancher Brutalität ab. Das findet nicht oft statt, natürlich nicht. Aber wenn es explodiert, explodiert es mit aller Gewalt. Das ist vor mancher Fassade, die sich gelackt, technisch perfekt gibt, ein Tiefschlag und darf den Leser auch einmal betreten schlucken lassen. Es ist eine bewährte Technik innerhalb der Serie, sie fällt nur hier besonders auf. Im Team arbeiten NICOLAS MALFIN und PIERRE SCHELLE sehr gut zusammen. Für sie könnte der Begriff eines europäischen Mangastils kreiert worden sein.
Nun hat die Serie bereits rund zwei Jahrzehnte auf dem Buckel. Dennoch erfährt der Leser romantische Neuigkeiten aus der Vergangenheit von HARRISON BANKS. Dadurch erhält die Figur zusätzliche Tiefe und einen für diese Folge dringend benötigten Sympathiefaktor.
Dramatisch! Und hier gilt auch: Keine Figur ist sicher. Wer die Serie verfolgt, kann sich auf eine (böse) Überraschung einstellen. In bewährter Illustration von NICOLAS MALFIN und PIERRE SCHELLE. DANIEL PECQUEUR, Autor, führt uns einzelne Charaktere etwas zwiespältiger vor als bisher. Top-Science-Fiction-Serie! 🙂
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Ein Virus hat zugeschlagen. Die Menschheit hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Jegliche Maßnahmen zur Bekämpfung und zur Eindämmung sind gescheitert. Ein Subtyp der Vogelgrippe ist auf die menschliche Spezies übergesprungen. Vögel sind zu Hassobjekten geworden. Wer sie antrifft und die Möglichkeit hat, tötet sie und verbrennt die Überreste. Mittlerweile sind die letzten überlebenden Menschen weit verstreut, Misstrauen hält die kleinen Gruppen streng getrennt. Im Jahre 2030 hat sich eine Gewöhnung an die Situation eingestellt. Wer sich keinen Zufluchtsort erschlossen hat, streift umher. So wie der ehemalige Soldat JAN und sein Lauf- und Transportroboter MAGARIT …
Wir leben im Zeitalter der Endzeitszenarien. Es mag damit zu tun haben, dass an so vielen Ecken der Welt immer noch (im übertragenen Sinn) Brände lodern und Menschen zu Millionen leiden. Kriege, Klimakatastrophen und nun globale Pandemien schüren die Fantasien. Oft wurden weite Sprünge in die Zukunft unternommen. KALTE SONNE nimmt sich, von jetzt an gerechnet, gerade einmal neun Jahre Zeit dafür. Ort der Handlung: das gebirgige Grenzgebiet von Frankreich Richtung Schweiz in der Nähe von Chamonix.
Das Titelbild gibt einen Vorgeschmack. Ein Mann allein mit seinem Roboter, stets auf der Hut vor Tieren, zu Land und aus der Luft, und anderen Menschen. Fast eine Art moderner Ötzi. JEAN-PIERRE PÉCAU, der Autor, trifft die Stimmung in der verschneiten Gebirgswelt der Alpen und den Erinnerungesfetzen JANS sehr dicht. Letztere bieten einen guten Ausgleich zur Einsamkeit nach der gezeigten apokalyptischen Atmosphäre. Eine Robinson-Crusoe-Stimmung wird auf Dauer etwas schwierig, mitunter beklemmend. Es gehört mindestens ein Freitag dazu, hier in Form von MAGARIT, dem Roboter. Der ist zwar sprachtechnisch etwas eintönig, dafür wird er von JAN gerne mal ausgiebig beschimpft. Ein Verhalten, das MAGARIT mit einem stoischen POSITIV quittiert und sich nicht weiter darum schert, wenn es sich nicht um echte Befehle handelt.
DAMIEN, der Illustrator, zeichnet kantige Charaktere, gut erkennbar herausgearbeitet. JAN, die Hauptfigur ist eine Mischung aus Clint Eastwood und Vincent Cassel. Meist mürrisch, finster dreinblickend, auf seine Aufgabe konzentriert. DAMIEN hat Zeichnungen und Farbgestaltung gleichermaßen übernommen. Die Striche sind häufig skizzenhaft gesetzt, teils fett ausgeführt. Das genügt. DAMIEN hat einen feinen Blick für das Nötigste. Das bringt die Geschichte für das Auge des Lesers gut voran. Action, von der es neben einer guten Charakterbeschreibung reichlich gibt, lebt von einer exakten Darstellung (Fahrzeuge, Umgebung etc.) und einer abwechslungsreichen Perspektive.
Farblich hält es DAMIEN klar, realistisch, einfach. Und wieder muss festgestellt werden, dass es genügt. Nichts wird an farblicher Tiefe vermisst. Kolorierte Grundstimmungen grenzen einzelne Szenen oder Sequenzen voneinander ab. So sind JANS Erinnerungen an die Auflösung der menschlichen Zivilisation in einem ocker-bräunlichen Farbspiel gehalten. Wer häufiger Comics liest, findet das Farbspiel und diese Technik öfter vor. Die Überleitungen zu den Erinnerungen fallen meist kurz aus. In der Regel geht JAN schlafen und wird von seinen Alpträumen aus dem Untergang gequält.
Ein europäischer Handlungsort für ein Endzeitszenario. Auf Realismus bedacht. Präzise erzählt, ruhig, auf den Punkt gebracht. Die Zeichnungen vermitteln die Einsamkeit der Berge, in denen dennoch stets eine Bedrohung vorhanden ist. Schön von JEAN-PIERRE PÉCAU und DAMIEN umgesetzt. Ein feiner Science-Fiction-Thriller. Für Fans des Genres sehr lesenswert. 🙂
KALTE SONNE 1, H5N4: Bei Amazon bestellen.
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Freitag, 08. Januar 2021
Manche Helden sind einfach kaputt. Manche davon aus gutem Grund. Manche haben derart viel verloren, dass ihnen die Last einfach zu viel wird. So wie HEATH HUSTON, ein so genannter FEAR AGENT. Er hat seine Frau verloren. Und außerdem noch die Erde. Seither säuft er, prügelt sich für Geld mit Aliens herum, oft in Lebensgefahr, kommt um Haaresbreite davon und macht sich auf den Weg auf der Suche nach dem nächsten Auftrag. Alles ist irgendwie Business As Usual. Bis eines Tages alte Bekannte auftauchen und HEATH HUSTON in ein Abenteuer hineinstolpert, das nichts weniger als die nächste große Katastrophe des Universums ankündigt.
Der vorliegende Sammelband von FEAR AGENT ist aufgeteilt in die beiden Abenteuerstränge NEU ENTFACHT und MEIN KRIEG. Autor RICK REMENDER ist ein Mann mit vielen (guten) Ideen und seit Jahren sehr bekannt. Zu seinen Erfolgen, die hierzulande auch veröffentlicht wurden, gehörten THE LAST DAYS OF AMERICAN CRIME oder natürlich DEADLY CLASS (eine Serie, die den Sprung auf die Mattscheibe geschafft hat). RICK REMENDER ist in sämtlichen Gernes zuhause: HORROR, THRILLER oder wie hier in der SCIENCE FICTION. Obwohl man die Einschränkung machen muss, dass FEAR AGENT sich ordentlich in der PULP-Ecke des Genres bedient. Heißt: Es wirkt, als habe sich RICK REMENDER von alten SCIFI-Ausgaben der 1940er oder 1950er inspirieren lassen. Ein deutlicher Schritt zurück vor die Zeiten von STAR WARS (dahin, wo ein GEORGE LUCAS ebenfalls seine Vorbilder und Kindheitserinnerungen fand).
So ist FEAR AGENT befreit von erzählerischen Altlasten der jüngeren SCIFI-Vergangenheit. RICK REMENDER kann sich dafür nicht ganz von erzählerischen Richtlinien jüngeren Datums trennen. HELDEN MÜSSEN LEIDEN. Das ist allgemein bekannt. Aber HEATH HUSTON muss extrem viel einstecken. Kapitel für Kapitel wird regelrecht auf ihn eingehämmert (nicht nur im übertragenen Sinn). Er wird so lange malträtiert, bis fast gar nichts mehr von ihm übrig ist. Dabei erhält HEATH HUSTON die Chance seines Lebens. Hierauf baut die gesamte Geschichte auf. (Mehr wird nicht verraten.) Die Handlung erreicht in NEU ENTFACHT ein hohes Level und hält es bis zum Ende von MEIN KRIEG.
Der Leser darf sich auf zwei Top-Zeichner freuen. TONY MOORE und JEROME OPEÑA. TONY MOORE kennen die Comic-Fans aus den Anfangstagen von THE WALKING DEAD oder auch von DEADPOOL. Ihm und seinem Kollegen JEROME OPEÑA ist zueigen, dass er sehr gut mit diesem freakigen Universum und seinen kuriosen Kreaturen umzugehen versteht. Und davon gibt es in dem 256 Seiten umfassenden Band reichlich. Alles in allem hat das Styling der Bilder etwas von einem durchgeknallten FLASH GORDON (um bei den Vergleichen von oben zu bleiben). Das schön altbackende RAKETENDESIGN von HEATH HUSTON ist ein deutlicher Fingerzeig für die Vermutung.
Die Inszenierung ist filmisch ohne wirklich lange Ruhepausen für den Helden. Der Leser benötigt keine. Die Hatz, auf die HEATH HUSTON und seine spätere Begleiterin MARA, hier geschickt wird, ist eine Achterbahnfahrt, die einfach nur Spaß macht und keine Wünsche offenlässt. Optisch lässt sich der Leser entweder auf iteressante neue Aspekte der Geschichte ein, tolle Aliens, ausgeklügelt (irre) Wesen oder rasante ACTION. Das ist auf jeder Seite ein PAGETURNER. Aber ich empfehle dringend, jede Seite genau anzuschauen. Es lohnt sich. Das ARTWORK ist stimmig und klasse (für diese Art Stoff vorbildlich).
TONY MOORE und JEROME OPEÑA sind für die Handlung stilistisch sehr angeglichen. Bei JEROME OPEÑA möchte ich fast behaupten, dass da ein paar Anflüge eines RICHARD CORBEN (BIG FOOT) zu entdecken sind. Wer darüber hinaus die exakteren Zeichnungen eines GUY DAVIS (B.U.A.P.) mag, wird sich über die Außerirdischen und insbesondere die verrückten ROBOTER hier besonders freuen. Farblich knallend grell, ohne Zurückhaltung von LEE LOUGHRIDGE und MICHELLE MADSEN koloriert. Die Zukunft eines HEATH HUSTON mag düster sein, aber sie auch verdammt bunt (und das ist verdammt gut so).
STARK! FEAR AGENT füllt eine Lücke in der COMIC-SCIENCE-FICTION. Etwas abgefahren, in Hochgeschwindigkeit erzählt, fast wie altes (aber sehr gutes) amerikanisches Samstagnachmittagskino, CLIFFHANGER inklusive. Wunderbar illiustriert von TONY MOORE und JEROME OPEÑA. Klare SCIFI-Empfehlung! 🙂
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Montag, 04. Januar 2021
Arbeit für das IMPERIUM. Ohne Begeisterung, in ständiger Angst vor dem obersten Diener des IMPERATORS: DARTH VADER. DOKTOR APHRA hat sich einen kleinen Bonus erarbeiten können, weshalb sie sich ein wenig in Sicherheit wähnt und sogar den IMPERATOR persönlich als eine Art Gönner betrachtet. Genau genommen aber, hindert das die imperialen Offiziere nicht daran, Bestrafungen über zugefügte Schmerzen bei ihr anzuwenden. Und es könnte auch DARTH VADER nicht hindern, ihr Leben zu beenden, wenn ihn die Willkür oder der bloße Zorn überkommt. In Sicherheit wiegen, kann sich allenfalls derjenige, dessen Existenz von Nutzen ist. Das ist spätestens dann nicht mehr der Fall, als ein zweiter DOKTOR APHRA auf der Bildfläche erscheint …
DAS ENDE EINER SCHURKIN (Untertitel des Bandes) wäre ein starker Spoiler-Titel, bezeichnete er denn das, was man sich allgemein darunter vorstellt. Mir machte es jedenfalls keinen Spaß, eine Geschichte zu lesen, von der ich weiß, dass sich die Hauptfigur am Ende aus dem Leben verabschiedet. Also, keine Bange, weil diese abgeschlossene Serie um die junge Frau, DOKTOR APHRA, eine weitere Serie beschert bekommt (seit 2020 in den USA am Start). Alles in allem hat sich die Figur gemausert. Ursprünglich als Nebencharakter in der DARTH-VADER-Serie erfunden worden, hatte diese Figur bald schon derart viel Profil, dass sie ihre Geschichte als Hauptcharakter tragen konnte.
Verdammt schlau, sehr intelligent, rotzfrech, Überlebenskünstlerin, einsam mitunter, Planerin und einfach gut in dem, was sie macht. Meistens. Gäbe es keine Schwierigkeiten, wäre sie perfekt, gäbe es keine Geschichte zu erzählen. Ihre Beziehung zu CAPTAIN MAGNA TOLVAN ist eine On-Off-Hängepartie. Allein deshalb, weil DOKTOR APHRA sie als IMPERIALE kennenlernt und später erlebt, wie MAGNA TOLVAN die Seiten wechselt und die REBELLION unterstützt. Ja, es geht auch um Liebe. Überhaupt lebt die Handlung, erst recht jene letzte Episode, DAS ENDE EINER SCHURKIN, von Beziehungen und Kreisen, die sich endlich schließen. Nachdem der Leser im letzten Band mehr über DOKTOR APHRAS Kindheit und ihr Verhältnis zur Mutter erfahren hat, betritt nun der Vater in der Gegenwart die Bühne.
SIMON SPURRIER ist weiterhin der Erzähler der Serie, dafür hat den Schlussspurt am Zeichenstift CASPAR WIJNGAARD übernommen. So kommen die zusammengefassten Folgen 37-40 und der DOKTOR APHRA EPILOGUE aus einem Guss daher. Grafisch gefällt mir der Stil besser als im Vorgängerband (da waren unterschiedliche Zeichner am Werk). Es wird Wert auf Realismus gelegt, aber die Technik ist verspielt und leicht. Ähnliche Arbeiten gab es schon häufiger von Kollegenseite im STAR-WARS-Universum und wie hier passt es ganz wunderbar zur Thematik. Das ist ein wenig Zeichentrick, ein wenig märchenhafter und stützt den alten Auftaktspruch ES WAR EINMAL VOR LANGER ZEIT IN EINER WEIT, WEIT ENTFERNTEN GALAXIS sehr gut.
CASPAR WIJNGAARDs Stil ist überaus klar. Der Künstler begeht nicht den Fehler, sich in Details zu verlieren. Nur, wo es Sinn macht, wird darauf nicht verzichtet oder bewusst reduziert. Beispielhaft hierfür sind die beiden DROIDEN TRIPLE-ZERO und sein kleinerer Kollege BT-1 (BEE-TEE), die zur überzeugenden Darstellung Details dringend benötigen. Äußerlich an C3-PO und R2-D2 angelehnt, konnte der Leser einen Teil ihres Werdegangs in der Storyline verfolgen. Diese ist angesichts der Charaktere ungewöhnlich, denn beide sind Verbrecher und arbeiten gerne als Folterer. Zurück im Dienst des IMPERIUMS handeln sie im Auftrag DART VADERs als Verhörspezialisten.
Zum guten Schluss wartet eine Episode (ANNUAL 3) unabhängig vom Rest der Handlung. SIMON SPURRIER ist wieder der Autor, aber ELSA CHARRETIER ist die Illustratorin. Technisch weicht die deutlich vom Realismus ab und ist stilistisch eher einem Künstler wie DARWYN COOKE zugeneigt. Die Linien und Schatten sind teil sehr fett, Details arg reduziert, die Farbgebung einfach, mit schlichten Tönungen. Die Zeichnungen wirken insgesamt schwer, etwas klobig, aber sie packen den Leser (rückt auch ein wenig stilistisch hin zu den CLONE-WARS-Kapiteln der STAR-WARS-ADVENTURES).
Keine gänzliche Verabschiedung von DOKTOR APHRA, aber immerhin ein vorläufiger Schluss einer sehr gelungenen Saga um eine Figur, die nicht innerhalb eines Films des STAR-WARS-Universums entstanden ist. Aber sie hätte es verdient, dahingehend lebendig zu werden. Insgesamt, auch mit dieser Abschlussausgabe, bestes Lesefutter für STAR-WARS-FANS. Zum Einstieg geeignet, da es eine sehr eigenständigeHandlung innerhalb des Kanons ist. Sehr gut. 🙂
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Donnerstag, 31. Dezember 2020
Keine direkt zerrüttete Kindheit. DOKTOR APHRA ist eine junge Frau geworden, auf die ihr Vater in gewisser Weise stolz gewesen wäre. Irgendwie ist sie in seine Fußstapfen getreten. Ihr Interesse für andere Kulturen, erst solchen, die lange vergangen sind, hat sie bestimmt von ihm geerbt. Ihre Mutter verließ den Vater, nahm die Tochter mit. Währenddessen war der Vater mit seiner Arbeit beschäftigt und wunderte sich allenfalls über die eingetretene Stille. In der Gegenwart ist aus dem neugierigen Mädchen eine Abenteurerin geworden. Belastet vom Schicksal der eigenen Familie schlittert sie in den größten Konflikt ihrer Zeit, die Rebellion gegen das allmächtige IMPERIUM.
DIE UNGLAUBLICHE REBELLENSUPERWAFFE lautet der Untertitel der 6. Folge um die räuberische Historikerin DOKTOR APHRA. Tatsächlich stößt die junge Frau bei ihren Aktivitäten auf ein legendäres Gewehr, das es dem WIDERSTAND ermöglichen könnte, dem IMPERIUM einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Die Idee ist so fantastisch gut, dass sie für einen Film oder wenigstens eine Episode in der einer der neu geplanten STAR-WARS-Streamingserien umgesetzt zu werden. Interessant ist DOKTOR APHRA darüber hinaus, weil sie mit ihrer Kaltschnäuzigkeit bis ins Zentrum zweier Machtblöcke vordringt. Das gibt dem Leser tolle Einblicke in bereits bekanntes Geschehen (ähnlich wie es THE MANDALORIAN praktiziert hat).
Der vorliegende Band nimmt sich sehr viel Zeit um einiges aus der Familiengeschichte von DOKTOR APHRA zu enthüllen. Konzentrierten sich die Vorgängerabenteuer mehr darauf, wie die junge Frau ein ums andere Mal den Kopf aus der sprichwörtlichen Schlinge zog oder auch auf ihre Liebschaften, nimmt die weitere Entwicklung der Handlung einen konkreten bezug auf die Vergangenheit. Mit dabei, so viel zum Thema Liebschaften, eine Ex, die DOKTOR APHRA mit einer Art Hassliebe betrachtet. Die weibliche Zukunftsvariante von INDIANA JONES ist eben nicht nur eine Diebin und Schurkin, sie ist eine liebenswerte Diebin und Schurkin. Und verdammt abgebrüht.
Das stellt sich im Verlauf der Handlung heraus, als SIMON SPURRIER seine Heldin auf eine irre Mission schickt. Grafisch findet eine Umorientierung statt. Immer noch wird Wert auf eine realistische Darstellung gelegt, aber sie schwankt zwischen Manga-Einflüssen und Zeichnungen, die eher europäisch wirken und ich so stilistisch in einem franko-belgischen Album vermuten würde. Auffallend (und eine gute Lösung) ist die deutliche Separierung der Gegenwarts- und Vergangenheitsepisoden durch unterschiedliche Zeichner innerhalb eines Heftes (der Sammelband beinhaltet die Ausgaben 32-36 der Serie). Die Wirkung ist sehr leserfreundlich und imitiert auf ihre Weise entsprechende Bildtechniken, wie sie Serienjunkies von Rückblicken auf dem Bildschirm kennen mögen.
Ohne alte Bekannte geht es nicht. Neben besagter Ex von DOKTOR APHRA gibt sich auch ein pechschwarzer WOOKIE die Ehre: BLACK KRRSANTAN. Der alte Bekannte aus einer düsteren Vergangenheit ist zur Stelle, als DOKTOR APHRA Hilfe braucht (und außerdem, wie kann es anders sein, schuldet die junge Frau dem WOOKIE noch Geld). Doch dieser Rückschritt auf bekannte Charaktere ist ein dramatischer Vorgeschmack, auf ein sehr interessantes Finale, bewegt es sich doch mitten ins Herz des Imperiums.
Einerseits wegen DOKTOR APHRA ein tolles Kapitel der STAR-WARS-SAGA, andererseits wegen neuer Einblicke in das imperiale Geflecht auch für Hardcore-Fans der SAGA sehr lesenswert. Spannend von Anfang bis Ende und gleichzeitig das große Einläuten des Serienabschlusses im folgenden Band. TOP! 🙂
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Samstag, 26. Dezember 2020
DSCHEMAIL KHAN und WAYNE SHELTON sind zwei Abenteurer, die sich trotz ihrer Unterschiede auf Augenhöhe begegnen. Freundschaftlich, so lange es den eigenen Interessen dient. Niemals gänzlich dem anderen vertrauend. Dennoch existiert eine gewisse Fairness, die einer dem anderen entgegenbringt. Es ist durchaus kompliziert und scheint, als wisse jeder der beiden, es könne einmal die Zeit und Gelegenheit kommen, in der der eine den anderen brauchen werde. WAYNE SHELTON, der sich mehrfach in der Hemisphäre von DSCHEMAIL KHAN herumtreibt, muss sich dieser Hilfe eher und öfter versichern …
Ein 59 Jahre alter Tausendsassa! Endlich wissen wir das genaue Alter von WAYNE SHELTON. Bei einer Gelegenheit schwärmt er von seinen Jugendzeiten und den Abenteuern, die er im Alter von 19 Jahren erlebt habe (kurz bevor er als Soldat in den Vietnam-Krieg zog). Vierzig Jahre liegen diese Abenteuer nun zurück. So macht ihn die argentinische Polizei darauf aufmerksam. Aber, das Alter hin oder oder her, in Sachen Action kann sich der erfahrene Thriller-Held immer noch mit jedem beliebigen Kintopp-Helden messen.
Frauen vernascht er wie JAMES BOND, Action erlebt er wie ETHAN HUNT. Vielleicht ist er nicht ganz so kriminalistisch begabt wie ein SHERLOCK, aber auf alle Fälle ist er ein Überlebens- und Lebenskünstler, der nicht einmal aufgibt, als ihm seine gesamte Habe unter den Fingern zerrinnt (nicht seine Schuld). In den Abenteuern TREIBSAND (Band 10), 100 MILLIONEN PESOS ( Band 11) und NO RETURN (Band 12) verschlägt es ihn rund um die Welt. Beginnend mit dem IRAK, gefolgt von ARGENTINIEN und schließlich dem IRAN. Für ersteres und letzteres Land gilt WAYNE SHELTON, der altgediente SÖLDNER, überhaupt für die arabischen Regionen des Planeten, gilt er als Experte. Obwohl man ihm teils mit Misstrauen begegnet, greift man seiner Erfolge wegen gerne auf seine Dienste zu.
WAYNE SHELTON bleibt international, aber er bleibt teils auch sehr privat. Das erste und zweite Abenteuer hat im Kern eines der ältesten Motive der Welt als Antrieb. Und in zweiter Linie geht es wohl um das zweitälteste Motiv der Welt. Ersteres ist Liebe, zweiteres ist Geld. Warum beides so oft zusammen hängt, beantwortet auch WAYNE SHELTON nicht. Doch dank des Autors JEAN VAN HAMME werden die Motive fein miteinander verstrickt. Die Themen werden an entgegengesetzten Ecke der Erde abgehandelt. Die Variationen sind sehr unterschiedlich voneinander. JEAN VAN HAMME ist kein Autor, der es bislang nötig hat, sich zu wiederholen. Seinen Einfallsreichtum hat er in zahlreichen Comic-Thrillern unter Beweis gestellt.
TREIBSAND lautet der Name des Abenteuers, in dem eine Landschaft zum Feind wird und eine derart prägnante Rolle spielt, dass sie titelgebend geworden ist. Darüber hinaus ist der Rest der Gegner menschlicher, aber ebenso erbarmungslos wie die Natur. Schön ist zu verfolgen, wie in 100 MILLIONEN PESOS die Vergangenheit WAYNE SHELTONS einmal mehr thematisiert wird. JEAN VAN HAMME gelingt dies mit einem sehr, sehr ausdauernden Augenzwinkern. Ganz besonders dann, wenn der Charmeur und Frauenheld WAYNE SHELTON ausgerechnet die Verkleidung eines Priesters auf den Leib gezwungen bekommt.
FRAUENHELD ist ein gutes Stichwort, denn es beleuchtet auch die Beziehung zu seiner langjährigen Dauerfreundin HONESTY GOODNESS. Die Varieté-Künstlerin und der Söldner hängen aneinander und führen gleichzeitig eine überaus moderne offene Beziehung. Da gehört es schon dazu, dass WAYNE von HONESTY zum Geburtstag eine Prostituierte als Geschenk erhält. Das Geschenk fällt umso extravaganter aus, da es sich selbst auf dem offenen Meer per Fallschirm überbringt. Immerhin, wie es die Geschichten zeigen, ist das Paar auf Biegen und Brechen ineinander verliebt.
Nach all den Gefühlsirrungen und -wirrungen der ersten beiden Abenteuer wird es in der letzten Episode politischer, eine Spur riskanter. In bester Thriller-Manier führt WAYNE SHELTON eine hochgefährliche Personenextraktion aus. Im IRAN taucht er ein in eine Umgebung, in der es sich schwer feststellen lässt, wer nun Freund oder Feind ist. Das Rätselraten steht der Geschichte gut und würzt das actionreiche Geschehen.
Nach wie vor gilt: Wer Thriller in Comics mag, komtm an WAYNE SHELTON (und HONESTY GOODNESS) nicht vorbei. Der überaus menschlich geratene Held, Lebemann, ein globaler Nomade ist in diesem Genre eine der sympathischsten Figuren. JEAN VAN HAMME erzählt mit großem Spaß, interessant und einem tollen Gespür für ein spannendes Setting. Comic-Künstler CHRISTIAN DENAYER hat WAYNE SHELTON bestens im Griff, toll realistisch, filmisch. Beste Unterhaltung auf gleichbleibend hohem Niveau. 🙂
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Samstag, 05. Dezember 2020
Was unternimmt einer nicht alles, um Geld zu sparen?! DAGOBERT DUCK hätte gerne die neuesten Nachrichten, ist aber nicht bereit dafür zu bezahlen. Deshalb hilft ein Marschin den Stadtpark weiter, dahin, wo andere Leute in aller Öffentlichkeit Zeitung lesen. Das kennen einige schon und sind darüber nicht begeistert, einen unfreiwilligen Mitleser zu haben. Aber DAGOBERT DUCK wäre nicht so reich geworden, besäße er nicht Einfallsreichtum und Hartnäckigkeit. Leider wird er dabei eines Tages gehörig vorgeführt. Und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
50 Jahre TATORT. Das muss eine Fernsehreihe erst einmal schaffen! Kaum ein Fernsehformat ist so gehätschelt worden, man sollte sagen, aufs Überleben getrimmt worden wie der TATORT. Während DER KOMMISSAR, DER ALTE, DERRICK und viele andere (auch Nachfolgeformate) ein Zeichen ihrer Zeit waren, ein meist gnädiges Ende gefunden haben, meisterte der TATORT sein Überleben, indem es in einer Reihe von Bundesländern und deren Fernsehanstalten verschiedene Ermittler-Teams an den Start schickte. Und selbst diese wechselten über die Jahrzehnte kontinuierlich und schufen so neue interessante (oder auch wenige interessante) Charaktere.
Nun heißt es also im LUSTIGEN TASCHENBUCH 539: ZURÜCK AM TATORT ENTENHAUSEN. Denn der TATORT war bereits in Ausgabe 506 in ENTENHAUSEN zu Gast. Damals hat DONALD DUCK mit seinen Ermittlungen handfestes Chaos fabriziert. Jetzt erhält er eine zweite Chance. Zum Jubiläum 50 JAHRE ENTENHAUSENER POLIZEI rücken durch das Fernsehen sattsam bekannte Polizisten zur Feier an und wollen sich alle in einem Hotel einquartieren. Doch kaum angekommen, verwandelt sich das Hotel in eine Falle. Metallene Schotten fallen herunter und riegeln das Gebäude hermetisch ab. Da muss DONALD DUCK ran. Und seine Gegner sind kein Geringeren als die PANZERKNACKER, das PHANTOM und GUNDEL GAUKELEY.
Aber es ist wohl kaum ein Spoiler, wenn ich erwähne, dass DONALD DUCK schlussendlich den Tag rettet. Etwas anderes wäre kaum denkbar. Das geschieht natürlich in bester Komödienmanier, wie stets. Natürlich sind nicht alle Geschichten auf den TATORT ausgelegt, aber zumeist kriminalistisch spannend. So darf der Leser mit PHANTOMIAS rechnen, mit weiteren PANZERKNACKER-Auftritten, KATER KARLO, mit Ermittlungen durch MICKY MAUS ebenso. Manche Geschichten passen nicht unter den TATORT-Deckel, so zum Beispiel DIE FARBEN DER ZUKUNFT (eine Geschichte, die zurück ins Zeitalter von KÖNIGIN VICTORIA führt) sowie das Abenteuer DIE RÜCKKEHR DES GESTALTWANDLERS (hier geht es geradewegs in den Weltraum).
Eine echte Überraschung ist die Episode DER MENTALIST. DUSSEL DUCK besucht eine Vorstellungen eines so genannten Mentalisten (andere würden Magier oder Zauberer sagen). Die Sinnestäuschungen und Tricks beeindrucken DUSSEL DUCK ziemlich. Nach der Vorstellung verliert der Mentalist seinen magsischen Hut. DUSSEL DUCK hat das Glück, das gute Stück zu finden und selber in den Genuss von magischen Tricks zu kommen. Diese Tricks bleiben aber nicht unbemerkt. GUNDEL GAUKELEY, die PANZERKNACKER und sogar KLAAS KLEVER mischt sich ein. Die EPISODE kommt OHNE WORTE aus. Das ist das Tolle daran. Alles ist selbsterklärend, klasse, sehr humorvoll gestaltet und erzählt.
Für jeden ist etwas mit im Geschichtenkorb. Natürlich für die TATORT-Fans und besonders solche Leser, die schon die Ausgabe LTB 506 zu würdigen wussten (dort wurde das TATORT-Thema abgehandelt und gebührend bearbeitet). Die Vielfalt macht Spaß, aber das Krimielement könnte sich noch viel stärker durch den gesamten Band ziehen. 🙂
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