Dienstag, 30. April 2013
In der Stichflamme ist eine Figur, eine Gestalt zu erkennen. Monströs, alles verbrennend fällt sie über Carter Hall her, der doch nichts anderes wollte, als mit seinem Leben als Hawkman endgültig abzuschließen. Zunächst könnte es wirklich ein Ende sein. Das Ende des Lebens. Aber das Leben hat noch einiges mit Carter Hall vor. Es wird ihm geschenkt. Der Preis ist hoch. Die Überlebenskämpfe, gegen das Böse in mannigfaltiger Form wird fortgesetzt, grausamer, finsterer. Die Rüstung Hawkmans, nun ein Teil von ihm, eine bessere Waffe und Schutz als sie jemals gewesen ist, muss alles geben, um ihren Wirt am Leben zu erhalten.
Er ist einer der ungewöhnlichsten Helden im DC-Universum. Das will bei der Fülle von Helden und Schurken in diesem Comic-Universum etwas heißen. Angetan mit einem Helm, der einem Falkenkopf ähnelt, riesigen Schwingen und zumeist mit einer Kriegskeule bewaffnet, legt er innerhalb diverser Abenteuer unverwechselbare Auftritte hin und kann durch seine finstere, geheimnisvolle Art sogar jemanden wie Batman zeitweilig in den Schatten stellen.
Nun ist er wieder da! In einem veränderten Universum, in dem viele Figuren aus dem Hause DC eine Transformation erfahren haben, steht auch der Hawkman seinen Kollegen in Nichts nach. Carter Hall, das normale Ich, der Alltagsbürger, der sich hinter Hawkman verbirgt, versucht, seine Rüstung zu vernichten. Die Aktion misslingt nicht nur, Carter bewirkt das genaue Gegenteil. Die Rüstung wird zu einem körperlichen Teil von ihm, die sich genau dann einen Weg nach draußen bahnt, wenn Gefahr im Verzug ist. Der goldene Ritter der Lüfte erinnert so ein wenig an die Darkness. Eine ähnlich dunkle Atmosphäre zieht auf, die Gegner sind ausgesprochen unheimlich und nicht ganz so normal wie jene, mit denen es zum Beispiel ein Superman zu tun bekommt.
Hawkman, der mit seiner neuen Existenzform erst einmal einen halbwegs vernünftigen Weg durchs Leben finden muss, erhält von Autor Tony S. Daniel gleich zu Beginn einen dämonisch erscheinenden, außerirdischen Gegner, der unüberwindlich zu sein glaubt. Und tatsächlich bereitet er Hawkman erhebliche Schwierigkeiten. In einer grafischen Stilistik, die mehr an europäische Graphic Novels erinnert, mit einem Anflug des Stils von Mike Mignola (betrachtet man die außerirdischen Wesen), und einer Farbgebung, die mehr an organisch, natürlichem Aussehen interessiert ist und mal verwischt und sprenkelt, entwickeln sich düstere erste Abenteuer.
Nach der Zombie-Attacke auf das DC-Universum ist die Dunkelheit auch hier angekommen, hat sich aber inzwischen wieder auf ein normales Maß zurückgezogen. Nur bei Hawkman wird die Mystery-Flagge weiterhin hoch gehalten. So ist es auch sicherlich kein Zufall, dass ein Künstler wie Phillip Tan zur Serie hinzugezogen wurde, ist er doch schon mit seiner Arbeit zum Fantasy-Kartenspiel Magic: The Gathering aufgefallen. Hawkman schafft schließlich auch den Brückenschlag zum Dunklen Ritter, denn er sieht auch mit einem von Batmans ehemaligen Feinden konfrontiert: dem Gentleman-Geist. Das ist unheimlicher, auch bodenständiger als der Beginn, bevor, ja, bevor …
… die Zombies kommen. Die Untoten haben sich zu einer echten Kulturikone entwickelt, die inzwischen durch jedes Genre und jedes Medium taumelt oder rennt. So setzt sich eine schön spektakuläre Grafik fort, bis es wieder etwas traditioneller wird. Die Technik von Art Thibert erinnert an die Strichführung von Paul Gulacy (James Bond, Conan). Etwas starrer, stark auf die Tuscheüberarbeitung ausgerichtet, sehr exakt, fast streng, aber auch mit sehr vielen Einzelheiten versehen. Bei Thibert ist die Action übersichtlich, es knallt, aber das Bild lässt einem Zeit, alles zu erfassen.
Ein Mystery-Auftakt, sehr mystisch, auch ziemlich fremd, in einem doch eher bunten Comic-Universum voller Superhelden, doch es ist auch angenehm anders und höchst spannend von Tony S. Daniel und anderen in Szene gesetzt. Einer der Zeichner, Phillip Tan, weiß mit seiner Arbeit besonders zu überzeugen. Ein gelungener Neustart. 🙂
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Sonntag, 10. Februar 2013
Peter Parker hat eine richtige Aufgabe. Er schießt keine Fotos mehr von seinem anderen Ich, Spider-Man. Er kann als Wissenschaftler und Erfinder arbeiten. Seine Ergebnisse finden Eingang in den Alltag der Menschen. Sie sind nützlich. Sie helfen. Spider-Man ist, bei aller Hilfsbereitschaft, eine Maske geworden, die mit Chaos einher geht. Und so sehr sich der Netzschwinger auch bemüht, so geht bei seiner Hilfe auch immer einiges mehr zu Bruch, als es eigentlich sollte. Als der todkranke Dr. Octopus verkündet, er wolle in seinen letzten Tagen die Erde mittels eines planetaren Satellitennetzwerkes retten, glaubt ihm Peter Parker kein Wort. Er weiß auch, dass dies ein Fall für Spider-Man ist. Angesichts der Ankündigung des vielarmigen Meisterverbrechers weiß er auch, dass es um nichts Geringeres geht als um Das Ende der Welt.
Dieser Dr. Octopus ist zu einer wahren Monströsität geworden. Im Angesicht des Todes hat er die Sinistren Sechs um sich versammelt. Zum letzten Mal, wie es scheint. Wenn eine Figur die Bezeichnung Erzfeind als Gegenstück zu Spider-Man verdient, dann ist es der ehemalige Wissenschaftler, der durch einen Unfall zu einem genialen und nicht minder brutalen Meisterverbrecher wurde. Dan Slott, der sich als Autor hauptverantwortlich zeichnet (bis auf kleine Ausnahmen), bildet einen Dr. Octopus ab, der abgrundtief verbittert ist und nur noch voller Hass agiert. Das setzt sogar bisherigen Verhaltensweisen die Krone auf. Das Szenario selbst ist entsprechend großes Kino, denn es geht quer um die Welt.
Zwei großartige Zeichner stechen hier in dieser Storyline deutlich hervor. Stefano Caselli und Humberto Ramos sind beide Marvelisten. Caselli betreute außer der freundlichen Spinne von nebenan auch die Avengers. Humberto Ramos, mit einem ganz eigenen, fast überdreht zu nennenden Strich unterwegs, überzeugte vor geraumer Zeit mit seiner Interpretation des Venom, nahm sich aber auch schon des Spinnenmanns an. Obwohl technisch unterschiedlich, fügen die beiden Künstler ihre jeweiligen Handlungsstränge sehr schön zusammen.
Stefano Caselli fährt eine klinisch schöne klare Linie, angesiedelt zwischen Realismus und leichtem Disney-Stil. Seine Helden sind proper, seine Bösewichte schöne Weiterentwicklungen bestehender Charaktere und mittlerweile von hoher Anziehungskraft. Eine neue Spider-Man-Rüstung, ein beinahe borgscher Dr. Octopus auf gegnerischen Seiten und ein Electro, der seit seinem ersten Erscheinen deutlich ernsthafter geworden ist, ferner ein Rhino, der einem roten Hulk fast ebenbürtig scheint. Das besonders feine Element, vor allem auch im Sinne von grafischen Überraschungen, ist Mysterio mit seinen optischen Spielereien.
Die Figuren von Humberto Ramos sind knuddeliger anzuschauen, ein wenig mehr vom Zeichentrick inspiriert, vielleicht weniger von der großen Leinwand als vielmehr vom Pantoffelkino. Wenn Ramos sich in Bombastszenen verliert, besonders eindrucksvoll mit einem Kampf gegen Sandman, dann wirkt die Action noch eine Spur rasanter als bei seinem Kollegen Caselli.
Frischen Wind, und nicht nur nebenbei, bringen andere Helden außer Spider-Man und den Avengers. Herausragend, ein kleines Zückerchen auf ihre Art, sind die Big Hero 6, in Japan ansässig, mit ungewöhnlicheren Einsatzmethoden, etwas anders agierenden Gegnern und schöner Kräfteverteilung. Das trägt nicht zu viel zum Haupthandlungsstrang bei, zieht aber das Netz von Dr. Octopus um den Globus noch etwas enger.
Ein dicker Knaller, der, auf die Leinwand gebracht, mehr als nur mit der Avengers-Verfilmung konkurrieren könnte. Ein verzweifelter Spider-Man, eine scheinbar unüberwindliche gegnerische Macht und der Countdown läuft. Dan Slott hetzt die freundliche Spinne von nebenan durch einen halsbrecherischen Parcours. Perfekte Superheldenunterhaltung. 🙂
Links:
stekart.blogspot.de (Stefano Caselli)
www.humbertoramos.com (Humberto Ramos)
Samstag, 22. Dezember 2012
Er ist übermenschlich stark. Er ist riesengroß. Er ist grün. Er ist der Hulk. Und Hulk zerstört! Hulk kann Bruce Banner nicht leiden. Eigentlich kann Hulk niemanden leiden. Doch Hulk wird von so manchen doch nicht als Monster gesehen. Denn durch seine Abneigung gegen jegliche Unterdrückung wird er zum willkommenen Befreier. Allerdings ist Bruce Banner, der Wissenschaftler, nicht weniger willensstark als Hulk. Es entsteht eine Rivalität, ohne dass die beiden jemals in Person aufeinandertreffen würden. Im Geiste jedoch, im Unterbewusstsein fechten die beiden einen Kampf aus, in dem es in gewissem Sinne auch um Leben und Tod geht.
Fred Van Lente beschafft dem Hulk aber auch handfeste Gegner. In der Neubearbeitung der Entstehung des Klotzes, die auch Marvel ähnlich verfolgt wie das rivalisierende Verlagshaus DC, werden bekannte Konstellationen durcheinandergewirbelt und Feinde präsentiert, die ungewöhnlich genug sind, um eine alte Geschichte unvorhersehbar neu zu erzählen.
Them ist eine Gruppe, die sich einer Verbesserung ihrer selbst, somit auch der Menschheit verschrieben hat und dafür über Opfer geht, Zuchtprogramme verwendet und jegliche Merkmale einer wahnsinnigen Gruppe aufweist, denen sich auch schon andere Superhelden aus dem Marvel-Universum stellen mussten, meist mit anderen Namen, Strukturen und Charakteren, aber mit ähnlichen Zielen.
Stilistisch ist Tom Fowler einer jenen wilden Zeichner, deren Bilder Realismus besitzen, die aber einen Strich führen, der sich beinahe mit Rock’n Roll umschreiben lässt. Andere Vertreter dieser Gattung wären zum Beispiel Ronnie Del Carmen (Aliens) oder Sean Phillips (Marvel Zombies). Aber Tom Fowler wandelt gleichzeitig auf den Spuren von Altmeistern wie Jack Kirby oder (aktueller) Alan Davis (Fantastic Four). Besonders prägnant sind die Gesichter, mit denen Fowler auf einer Wellenlänge mit dem Marvel-Universum ist.
Der Tuschestrich ist zuweilen übergenau, dann wieder wild. Fowler lässt sich nicht eingrenzen, bricht hin und wieder aus seiner eigenen Stilistik aus. Sein Hulk ist nicht der Muskelberg, den andere Künstler (wie ein Ed McGuinness) aus ihm gemacht haben. Das ist optisch natürlich eindrucksvoll, doch Fowler macht aus dem Hulk tatsächlich einen Klotz. Unproportioniert, mit winzigem Kopf, einem Oberkörper so gigantisch, dass er zu bersten droht, vergleichsweise kleinen Beinen, über die man angesichts der Zerstörungswut des Hulk nun doch nicht schmunzeln mag.
Das andere Ich, Bruce Banner, ist so schmal wie eh und je und auch gemeiner, durchsetzungsfreudiger, sogar ein kleiner Womanizer. Gegenüber den anderen Charakteren ist er ein Schatten, gegen den Hulk sowieso, aber auch gegen General Ross, dem das Kampfschwein aus der ganzen Figur springt. In den ruhigen Sequenzen bleibt Fowler genügend Raum, um mit Mimiken und ohne Worte zu spielen. In den weniger ruhigen Momenten, die Mehrzahl, lässt er es grafisch krachen. Die Rasanz ist flott, zeichentrickartig.
Eine weitaus wildere, schnellere, rockigere Variante als die ursprüngliche Entstehungsgeschichte. Hulk besitzt unter seiner grünen Schale ein großes Herz und langt mit einer Spur Ironie und Humor ordentlich zu. Autor Fred Van Lente transportiert den Hulk mit der richtigen Portion Charakterzeichnung und Action in die Gegenwart. 🙂
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Freitag, 21. Dezember 2012
Ein Schwarm Fledermäuse. Eine dämonisch dreinblickende Samurairüstung wecken die richtigen Ideen auf das spätere Auftreten einer ganz besonderen Figur, die den kriminellen Elementen in Gotham das Fürchten lehren soll. Doch so weit ist es an diesem Tag noch lange nicht. Der Junge erstarrt in Furcht vor dieser Rüstung im Glaskasten, verloren und allein. In sich gekehrt. Später, mit der Schwester von Harvey Dent vor dem alten Arkham-Gebäude stehend, mit der Geschichte seiner Familie mütterlicherseits konfrontiert, einer Großmutter, die den Großvater umgebracht und sich selbst dann von Dach gestürzt haben soll, kennt der junge Bruce Wayne nur noch ein Argument: Gewalt.
Helden fallen nicht vom Himmel. Na, ja, manchmal schon. Geoff Johns erzählt eine neue Variante vom Start des Fledermaushelden namens Batman. Dieser Batman ist jung, unerfahren und er vermag es bei weitem nicht, so einzustecken und wegzustecken, auch nicht auszuteilen, wie des der Comic-Fan vielleicht in den letzten Jahren gewöhnt ist. Dieser Batman ist noch nicht ein elegant an einem Seil durch die Häuserschluchten schwingender Artist. Hier ist erst einmal nur ein Mensch, der Rache will und eine ungewöhnliche Idee besaß, diese einzufordern. Der Start ist aus der Sicht der Verbrecher alles andere als furchteinflößend.
Der Auslöser ist bekannt. In einer kleinen Seitenstraße, in einem von Gangstern verseuchten Gotham, wird der kleine Bruce Wayne Zeuge, wie seine Eltern während eines Raubüberfalls erschossen werden. Aber es gibt auch Abweichungen. Alfred wird der Butler, ein ehemaliger Kämpfer, der Bruce aufzieht, mit dem Ergebnis jedoch nicht vollends zufrieden ist. Denn Bruce hat sein Unternehmen Hals über Kopf begonnen, zu emotional, unbeherrscht und führt sich manchmal auf wie der berühmte Elefant im Porzellanladen.
Der aufgeregte junge Mann, der sich selbst zum Helden aufschwingt, den persönlichen Verlust nicht fürchtet, der mehr als nur eine Verletzung davonträgt, erfährt in seinen Gegnern realistisch anmutende Gegner. Geoff Johns bricht die Feinde auf ein echtes Maß herunter. Der Pinguin ist zwar ein kleinerer Mann, aber nicht entstellt oder körperlich undenkbar. Von Zeichner Gary Frank mit einem Bruder von Jack Nicholson besetzt, ist der Pinguin ein eiskalter Gangster, der nahtlos in eine Reihe mit Al Capone und vielen anderen aus der Ära der Prohibition passt.
Jemand, der Bane in den Schatten stellt, ebenfalls solche Killer wie Croc ist jener Mörder, gegen den Batman hier antreten muss. Geoff John stellt hier eine Gestalt vor, die mehr an einen Jason Vorhees erinnert und zunächst nicht so sehr in das bekannte Batman-Universum passt. Dank Gary Frank ist dieser abnorme Gigant, der sich nicht scheut, ein Partyhütchen zu tragen, beinahe ein Gegner, der den noch relativ jungen Batman töten könnte. Gary Frank zeichnet einerseits mit der Effizienz und Präzision eines Jim Lee, andererseits gelingen ihm auch Charakterköpfe, nicht unbedingt notwendige, dafür umso gelungenere Veränderungen.
Bullock, der Cop an der Seite eines Jim Gordon, ist dem Leser eher als etwas verkrachte, übergewichtige, sogar zwielichtige Polizeigestalt in Erinnerung. Hier ist er ein smarter Karrierepolizist, der nach Ausflügen ins Showbusiness, mit der Moderation einer Fernsehsendung, nun wieder Dienstluft schnuppern will. Den echten Polizisten, die ihre Arbeit nicht als Shownummer begreifen, allen voran Gordon, ist solch eine Marke natürlich ein Dorn im Auge. Optisch ist er ein leicht dümmlich ausschauender Bruce Wayne, mit einem Lächeln, das stets ein wenig künstlich aussieht, einerseits um Bewunderung heischend, andererseits immer ein wenig schüchtern oder auch beleidigt.
Die Optik verströmt weniger eine Superheldenatmosphäre, sondern tendiert mehr in Richtung eines handfesten Thrillers, sortiert sich hier als in die Linie der letzten Kinotrilogie ein, lässt aber allzu phantastische Superheldentricks vermissen. Dieser Batman muss sich viel mehr auf seine Fähigkeiten verlassen als andere vor ihm. Geoff Johns lässt Gary Frank viel Raum, um die Bilder wirken zu lassen. Die Aufteilung ist großzügig. Halbseiter, Einseiter oder auch doppelseitige Darstellungen vermitteln tolle Eindrücke, die dem Comic-Fan viel zu bieten haben.
Eine verdammt gelungene Neuinterpretation des Auftakts eines der interessantesten Superhelden der Comic-Geschichte. Sehr menschlich, sehr intensiv, mit einem genauen Blick auf die Schwierigkeiten, die das Doppelleben als maskierter Rächer mit sich bringt. Famos illustriert. 🙂
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Montag, 29. Oktober 2012
Auch Superhelden wollen ein normales Leben führen können, jedenfalls mit solch normalen Bestandteilen wie Partnern, Kindern, vielleicht sogar durch eine altmodische Ehe gefestigt. Ein gestandener und kämpferisch sehr erfahrener Held wie Luke Cage kann zwar mit Bravour die Fäuste schwingen, ein gemeinsamer Abend mit seiner Frau Jessica kann zu einer Bewährungsprobe werden, wenn es zunächst mit dem lange fälligen Gespräch nicht klappt und zu allem Überfluss vor dem Lokal plötzlich ein Fluggerät abstürzt, aus dem ein äußerst wütender Dr. Doom entsteigt. Ms. Marvel hat Vorarbeit geleistet, aber leider nicht genug.
Brian Michael Bendis schickt die Neuen Rächer in ein pralles Abenteuer, dessen Ursprünge bis weit in die Vergangenheit reichen, als ein junger Nick Fury ein erstes, sehr spezielles Rächer-Team zusammenstellte. Die schwierige Namora, der mürrische Kraven und der nicht weniger knurrige Sabretooth sind bei der Jagd auf den Red Skull dabei. Diese Jagd gestaltet sich als nicht minder aufregend als die Hatz auf den Red Skull, den die Marvel-Fans im Kino bewundern durften. Allerdings gewinnt die Jagd durch die Teilnahme einiger eher verbrecherischer Elemente auf der Seite der Guten eine völlig neue und auch unbekannte Dimension.
Stuart Immonen, den Marvel-Fans durch seinen tollen Beitrag zu den Ultimativen Fantastischen Vier her bekannt, pflegt einen sehr klaren und reduzierten Zeichenstil. Die Kolorierung übernimmt hierbei eine größere, raumgebende Aufgabe. Der Künstler widmet sich hier einer seltenen Sequenz, in der ein Superheldenpaar ein Kindermädchen sucht. Das besitzt in einer doppelseitigen Szene, der Kern der ersten Episode, einige Komik, besonders, da auch Deadpool und She-Hulk gefragt werden. Betrachtet diese Sequenz als Einleitung, lässt es Autor Brian Michael Brendis anschließend krachen.
Prinzipiell ähnlich zu seinem Vorgänger Immonen verhalten sich die Bilder von Daniel Acuna. Dieser produziert zwar weniger zarte und zerbrechliche Linien, dafür wird die Kolorierung ebenso stark eingesetzt, um bei Figuren und Umgebung für Volumen zu sorgen. Im Ergebnis gewinnt man den Eindruck, es mit abgespeckten Fotografien zu tun zu haben oder kleinen Gemälden, für die tatsächlich jemand Modell gestanden hat. Das ist nicht ganz im Stile eines Alex Ross, könnte aber auf dem Weg dahin sein.
Neben den Grafiken von Mike Deodato Jr. mit seinen auf Realismus angelegten Bildern, ist Howard Chaykin mit seiner Sicht auf die Rückblicke des Lebens von Nick Fury ein Ausreißer in diesem Band. Mit flottem, auch hartem Strich, intuitiv, karikierend blinzelt hier auch seine Schaffenszeit in diversen härteren und dunkleren Szenarien durch. Das dreckige Dutzend jagt den Red Skull. Das ist blutig, prall und manchmal schräg gezeichnet, hier und dort sehr schnell schraffiert, aber knallt und nimmt den Leser zügig mit.
Ganz anders ist Mike Deodato Jr. mit seinen Grafiken, die sich mit denen von Chaykin sequenzweise abwechseln. Deodato Jr. ist Action-Kino, mit dem Blick fürs Detail, den besten Winkel, die beste Beleuchtung, die beste Explosion und vielem mehr. Deodato Jr. gehört zu den Künstlern seiner Generation, denen Technik mit gnadenloser Leichtigkeit von der Hand zu gehen scheint und bewegt sich auf Augenhöhe mit Namen wie Jim Lee oder David Finch.
Ein Team rauft sich zusammen, sprichwörtlich, mit neuen Feinden, auch sehr normalen Problemen und mit einer Vergangenheit belastet, für die sie nichts können. Starkes Superheldenlesevergnügen mit einigen der besten Comic-Helden (Spider-Man, Ding, Wolverine), spitze in Szene gesetzt von Topzeichnern. 🙂
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Mittwoch, 01. August 2012
Sehr kurze Zeit nur währte das Kinderleben von Bruce Wayne, bevor die Eltern einem Mord zum Opfer fielen. Doch zuvor hatte Bruce auch noch eine Kindheitsfreundin, Dawn Golden. Diese wusste er damals weniger zu schätzen, weil sie ihn ärgerte. Wie das kleine Mädchen mit kleinen Jungen manchmal tun. Jetzt, da sie beide erwachsen sind und Dawn auch so etwas wie ein Bindeglied mit einer vergangenen normalenZeit darstellt, Dawn verschwunden ist, setzt Batman alias Bruce Wayne alles daran, die jungen Frau wiederzufinden. Seine erste Spur führt ihn zu Killer Croc, einem brutalen Gangster, dessen äußere Erscheinung auch zu seinem Spitznamen beigetragen hat. Diese erste Begegnung gleicht einem Tritt ins Wespennest.
Für David Finch ging mit der Gestaltung und Erzählung des vorliegenden Bandes ein Traum in Erfüllung. Finch, der sich schon bei Marvel mit seiner Interpretation von Moon Knight hervortat, die X-Men und die Avengers zeichnete, wünschte sich nach der Gestaltung des Crossovers Batman/Darkness einmal selbst das Heft in einer längeren Strecke um den Dunklen Ritter in die Hand zu nehmen. Finch, des harter und sehr genauer Zeichenstil an die Arbeit eines Jim Lee (All Star Batman) erinnert, liefert technisch eine herausragende Arbeit ab.
Fans von Batman haben viele Handschriften gesehen und die Darstellung des Dark Knight von David Finch ist enorm düster und kraftvoll und besitzt in manchen Szenen sogar grafische Anklänge eines Greg Capullo (Spawn). In Begegnungen mit Feinden wie dem Pinguin, Killer Croc und natürlich auch dem Überraschungsgast, dem Dämon Etrigan kann Finch genau mit diesen surrealistischen Spitzen arbeiten, die er schon bei seinen Arbeiten für Image in Darkness oder Cyberforce zeigen konnte.
Und so sind es natürlich einmal mehr die Gegner, die besonders viel Spaß machen, sehr interessant sind, ein Umstand, den schon Tim Burton mit Batmans Rückkehr bemerkte. Höchstwahrscheinlich kann sich David Finch nicht gegen die Behauptung wehren, von der Darstellung Dany DeVitos als Pinguin beeinflusst worden zu sein. Allerdings wirkt dieser Pinguin abartiger, gefährlicher, durchtriebener. So verhält es sich auch mit den übrigen Schurken wie auch der Umgebung, in die es Batman treibt. Realistischer Strich, sehr feine Tuschearbeit und eine pralle, wenn auch nicht überbordende Farbgebung sorgen für ein unheimliches Gotham.
Unheimlich, dämonisch! Der Dämon Etrigan, eine Heldenfigur, wie sie für das DC-Universum eher untypisch ist (selbst nach dem Horror der dunkelsten Nacht), bringt die Prise Spawn in diese Batman-Geschichte. Der Leser wird Zeuge einer ausgefeilten Dämonenhatz mit sehr düsterem Ambiente, in Seitengassen, Abwasserkanälen und verliesähnlichen Gewölben. Im finsteren Finale fühlt man sich gar in eine Fantasie eines H. P. Lovecraft versetzt. David Finch kann hier seine Horrorerfahrungen aus der Zeit bei Image ausspielen.
Zum Schluss nimmt Zeichner Jason Fabok den Bleistift zur Hand und löst David Finch ab, der sich von diesem Zeitpunkt auf das Erzählen konzentriert. Fabok ist ein versierter Comic-Künstler, muss sich aber den Vergleich mit Finch gefallen lassen. Er ahmt den Stil nach, ist sogar sehr gut, wirkt aber nicht so techniksicher, so intuitiv leicht, wie es im Strich von Finch zu finden ist. Dennoch bleibt es ein überdurchschnittlich toll gestaltetes Batman-Vergnügen, vor allem für jene, die sich wieder einmal eine Mystery-Komponente in den Abenteuern des Dunklen Ritters gewünscht haben.
Kein nur dunkler, ein düsterer Ritter ist er in dieser Batman-Handlung, die zugleich eine seltene Verstärkung in Form des Dämons Etrigan hinzuzieht. Packend gezeichnet, durch die Begegnung mit alten Bekannten sehr unterhaltsam und spannend. 🙂
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Freitag, 15. Juni 2012
Superman war nicht da. Er war weg, bei seiner neuen alten Heimat. Davor vielleicht rettete er eine Stadt, ein Land, eine Welt, welche auch immer, doch als diese eine Frau nach ihm rief, weil sie dachte, er sei der einzige, der ihren Mann retten könne, da war Superman nicht da. Dieser Vorwurf, vorgebracht während eines Interviews, gibt dem Stählernen zu denken und zwar mehr, als ihm lieb ist. Ein kleines Foto eines Mannes, den er nie gekannt hat und für den er der Lebensretter hätte sein können, bewegt den Sohn Kryptons zu einer Wanderung durch die Vereinigten Staaten. Superman geht mit offenen Augen und offenem Supergehör und erfährt das Volk, das ihn einst aufgenommen hat, völlig neu.
J. Michael Straczynski, ein Medienautor aus Film, Fernsehen und Comic, hat sein Handwerk sozusagen von der Pike auf gelernt. Im Bereich Comic ist der Autor, der SciFi-Fans insbesondere durch Babylon 5 bekannt wurde und Comic-Fans durch Spider-Man, nun bei einer weiteren Ikone des Comic-Universums angelangt. Superman kümmert sich. Nachdem der Leser das sehr schöne Titelbild des ersten Bands von Auf Erden bewundern konnte (Christopher Reeve wird immer der beste Superman bleiben), steigt er in eine ungewöhnliche Handlung ein, die genau das vermissen lässt (weitgehend jedenfalls), was die Normalsterblichen ihrem Superman vorwerfen. Nicht mehr Supergangster sind es, mit denen sich Supie beschäftigt, sondern der normale amerikanische Bürger rückt ins Zentrum des Geschehens.
Zwar gehend und konsequent zu Fuß, durchstreift Superman sein Amerika, nicht ganz so wie ein Forrest Gump, doch schaut er hinter die Fassaden, lässt sich auf Gefühle ein und gerät doch in alte Fahrwasser. J. Michael Straczynski beschreibt einen Helden, der nicht gerade von seinen alten Fehler, so doch von alten Vorwürfen eingeholt. Ähnlich ist er als Autor mit seinen Superhelden in Rising Stars verfahren. Im Kampf mächtig und unverdrossen wird der Held bei J. Michael Straczynski machtlos gegen Intrigen, die Medien, vor allem, da kleinste bis riesengroße Desaster die Vorurteile schnell zu Gewissheiten werden lassen. Superman ist zeitweise eine traurige Figur, die stets das Gute will und doch auch Böses hinterlässt.
Das Konzept hat diverse Comic-Figuren, auch ganze Universen ergriffen, ist fast schon ein moderner Umgang mit jenen Kreaturen, die immer menschlicher wurden. Heldentum beförderte den Zwiespalt zwischen Bewunderung, Neid und Anfeindung. Eddy Barrows, Hauptzeichner der hier abgebildeten Episoden, gestaltet einen sehr jung wirkenden Superman, jugendlich, der gegenüber dem ernsten Auftreten eines Batman fast schon wie ein Superboy wirkt. Neben einer sportlichen Gestalt ist das Gesicht des Stählernen ein starker Anziehungspunkt in diesem Band.
Selten sah Superman so traurig aus, spiegelt er derart viel Verzweiflung, Machtlosigkeit, weniger Zorn (den es jedoch auch gibt), dafür mehr Erkenntnis, die äußerst bitter ausfällt. Auf phantastische Eindrücke muss der Comic-Fan bei aller Menschlichkeit Supermans nicht verzichten. Im Gegenteil, auch J. Michael Straczynski muss klar gewesen sein, dass ohne eine Spur von Supergegnern eine Superman-Geschichte nicht auskommen kann. Entsprechend knallend und krachend fallen diese Begegnungen aus. Neben einer sehr feinen Tuschearbeit ist hierbei vor allem die intensive Kolorierung hervorzuheben.
Eine schöne Neubegegnung oder auch Wiederentdeckung einer Comic-Figur, die sich darauf vorbereitet, die Leinwand ebenfalls neu zu erobern. Ein sehr einfühlsamer Superman, der einsehen muss, dass bei all dem großen Ganzen auch einmal die Einzelheiten ins Auge gefasst und beachtet werden müssen. 🙂
Sonntag, 06. Mai 2012
Captain America ist schnell. Er ist als Supersoldat konzipiert. Er ist klug, aber wo andere ihm an Schnelligkeit nicht ebenbürtig sind, sind sie doch schlau genug, um gerade mit seiner Schnelligkeit zu rechnen und eine erfolgreiche Flucht exakt zu planen. Und so bleibt Cap nur das Nachsehen und eine Ahnung seines künftigen Feindes, der ihn noch in die Enge und an seine Grenzen treiben wird. Nicht nur das: Hydra ist zurück. Alte Helden reaktivieren auch alte Feinde. Diese Hydra-Agenten jedoch sind gescheiter, besser trainiert, aber ebenfalls nicht ausreichend stark und wendig, um mit dem Team um Captain America mitzuhalten. Dennoch ist das energische Auftreten dieser Verbrecherbande besorgniserregend.
Legenden sterben nie, jedenfalls nicht für immer: Nachdem das Marvel-Universum diverse Kriege durchgestanden hat, zivile und geheime, chaotische, einen Hulk-Weltkrieg, sich gegen dunkle Herrschaften auflehnte und so manches Opfer zu betrauern hatte, darf der Leser, insbesondere der Fan sich glücklich schätzen, dass die großen Helden ihres Fachs niemals vollkommen vergehen. Manchmal werden sie zeitweise ersetzt, nicht selten kehren sie in Person zurück und starten einen Neubeginn. Captain America kann ein Lied davon singen, ist doch in seine Lebensgeschichte Tod und Rückkehr von Anfang an eingewoben.
Captain America lebt. Diesmal jedoch muss er sich nicht in einer neuen Epoche orientieren und seine Freunde und Gegner sind alte Bekannte. Nick Fury auf der einen Seite, Baron Zemo, Bravo, Hydra, ein riesenhafter Roboter als Kopie seiner eigenen Person sorgen für die nötige Vertrautheit und doch haben Änderungen stattgefunden. Das Szenario ist durch die Vermischung der genannten Personen mit der Fähigkeit eines Mutanten namens Jimmy Jupiter unberechenbar und wartet so mit jeder Menge Überraschungen auf.
Der Marvel-Fan kennt natürlich die Möglichkeiten, die durch die Beugung der bisherigen Marvel-Realitäten entstehen können. Das Ultimative Universum ist eine groß angelegte, stationäre Variante, das House of M war ein Happening in dieser Richtung. Jede Abweichung von bekannten Linien schafft Luft für Ungewöhnliches und auch Neuausrichtungen von Charakteren. Die Fähigkeit von Jimmy Jupiter, sich per Gedanken eine eigene Welt zu erschaffen, eine Traumwelt, die sich den eigenen Wünschen beugt (hier ist eine Parallele zu Inception), ist schon faszinierend genug. Fügt man allerdings wie Autor Ed Brubaker eine Hetzjagd hinzu, an der Indiana Jones seine helle Freude hätte, streut noch artistische Kämpfe ein, die selbst bei Marvel nicht an der Tagesordnung sind, dann hat ein Künstler wie Steve McNiven alle Hände voll zu tun.
Ausnahmekünstler Steve McNiven (selbst für Marvel-Verhältnisse, kann der Verlag doch nicht wenige Talente unter seinem Dach versammeln) erhält in den Sequenzen die größte Bewegungsfreiheit, in denen die Phantastik die höchsten Wellen schlägt. Ein Captain America im Kampf mit seinem haushoch gewachsenen Roboter-Ich, eine Mixtur aus Zweitem Weltkrieg und Dinoland oder das Duell zwischen Cap und Bravo, während im Hintergrund die Welt zerbricht sind kleine Beispiele der ausufernden Fantasie, die den neuen Auftakt des schon recht alten Helden zu einem grafischen Höhepunkt werden lässt.
Ob klassisch stählern oder auch sehr menschlich, McNiven beherrscht beide Comic-Varianten in seinen Figuren. Die klassisch Stählerne, der mehr figurenhafte Charakter, ist allerdings deutlich gefragter in der Handlung. An der Figur des Jimmy Jupiter kann er jedoch zeigen, wieviel mehr Formen er zu Papier bringen kann. Jupiter darf als alter Mann ebenso auftreten wie als kleiner Junge, faszinierende Auftritte, teils passiv, aber auch so schön, dass man sich als Leser wünscht, Marvel würde die Möglichkeiten dieser Figur einmal mehr nutzen. Allein der grafische Ausdruck, der hier ins Spiel kommen kann, ist grenzenlos.
Eine Ikone ist zurück: Mit viel Fantasie in der Ausführung, mit perfekten Illustrationen im gelungenen Filmstil rast die Handlungslinie durch die Geschichte, die auch ein wenig von Inception inspiriert worden scheint. Packend, einfallsreich. 🙂
Dienstag, 03. April 2012
Zurück aus dem Chaos, in dem alles anders war. Age of X liegt hinter den X-Men. Dennoch hat sich bei ihrer Rückkehr etwas verändert. Legion, der Sohn von Professor X, hat seine inneren Wesenheiten nicht gänzlich unter Kontrolle. Schlimmer noch: Einige sind entkommen. Und sie wollen leben. Allein. Ihre Namen lassen auf außerordentliche Fähigkeiten schließen und klingen alles andere als vertrauenerweckend: Endgame, Chain, Time-Sink, Bleeding Image und Styx. Einzig Susan in Sunshine, ein kleines Mädchen, erweckt nicht den Eindruck von Gefährlichkeit. Die Jagd beginnt.
Ein ungleiches Team, selbst für die Verhältnisse der X-Men führt um den ganzen Erdball. Neben Legion, der die entkommenen Wesenheiten einfangen und sich wieder einverleiben muss, gehören auch Rogue, Magneto und Gambit der kleinen Expeditionseinheit an. Frenzy, die ihren Namen nicht ohne Grund hat und recht rabiat zu Werke geht, gehört zu den neueren Mutanten, die sich bei den X-Men erst noch die Sporen verdienen müssen.
Mike Carey rückt die Doppelepisode X-Men Legacy einmal mehr in die parapsychologische Ecke, die aber zu den X-Men passt. Die Figur des Legion mit seinem scheinbar unerschöpflichen Reservoir an Charakteren mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten wird hier eher gestreift als tatsächlich bis zum Ende gefordert. Allein die sechs Flüchtlinge, die es geschafft haben, ihm zu entkommen und wenigstens im Ansatz ein eigenes Leben zu führen, bieten einen derart vielschichtigen Ansatz, dass Mike Carey mit seiner bewiesenermaßen großen Phantasie eine weitaus längere Geschichte daraus hätte machen können.
So ist der Spannungsaufbau ungeheuer dicht geraten und weiß auch ohne Vorkenntnis des Age of X gleich zu überzeugen und zu packen. Die X-Men leben im Besonderen natürlich von der Optik, wie auch die übrige Verwandtschaft aus dem Hause Marvel. In den hier zusammengefassten sechs Geschichten wird über exaktes Tuschen versucht, die vorliegenden Stile der insgesamt vier Zeichner einander anzugleichen. Dennoch gibt es Unterschiede, die mit den Schlagworten gewissenhaft, intuitiv, aber auch künstlerisch belegt werden können.
Jorge Molina, der den Auftakt gestaltet, erinnert mit seiner Stilistik ein wenig an Pat Lee (Warlands, Wolverine/Punisher). In Worten ausgedrückt ist es eine amerikanisierte Mangatechnik mit harten, geschmeidigen, aber ausdrucksstarken Figuren. Ein Rafa Sandoval tendiert mehr in Richtung eines Arbeitskollegen wie Leinil Francis Yu (Superman Birthright) mit ähnlich harten Zügen und feinen Stricheleien. Khoi Pham, der die meiste Arbeit an der vorliegenden Ausgabe als Zeichner hat, besticht durch einen glasklaren Zeichenstil, realistischer als eine Zeichentrickstilistik, aber durchaus in die Richtung gehend, so dass man sich einmal mehr eine solche X-Men-Umsetzung wünscht.
Grafischer Höhepunkt: Die Begegnung mit Styx. Die Figur, benannt nach dem Fluss, der die Unterwelt und die Welt Lebenden voneinander trennt, ist ein Monster, das perfekt in das Horrorgenre und die Weltuntergangsstimmung passt, die sich im Verlauf des vorläufigen Finales des ersten Teils einstellt. Für X-Men-Fans, die eine Gruseltendenz in den Comics schon immer gemocht haben, dürfte die gesamte Folge genau richtig sein. Für denjenigen, der sich ein umfangreicheres Bild von Legion, einem der besten Neulinge im X-Men-Universum seit langem, machen möchte, sollte hier einen oder mehre Blicke hineinwerfen. 🙂
Donnerstag, 15. März 2012
Nur ein Gott kann zum Weltenretter werden. Thor macht sich auf ins Weltall, da das Gleichgewicht im irdischen Sonnensystem empfindlich gestört wird. Bald hat er die Ursache gefunden. Ego, der lebende Planet, hat seinen angestammten Platz im Universum verlassen und strebt Richtung Sonne. Thor mit all seiner Macht wird zur letzten Hoffnung vor dem drohenden Untergang menschlichen Lebens. Der Donnergott stellt sich dem gigantischen Wesen und vielleicht gelänge es ihm auch, den Planeten aufzuhalten, hätte Ego nicht ebenfalls einen Beschützer: Der Stranger, mächtiger als Thor, weist den Gott in die Schranken. Thor folgt der Flugbahn des lebenden Planeten und entdeckt ein ungeheuerliches Geheimnis.
Ein Gott gegen einen ganzen Planeten? Thor muss sich wahrhaft anstrengen. Robert Rodi, Autor der hier zusammengefassten Miniserie, gibt sich nicht mit Kleinigkeiten zufrieden. Für einen der mächtigsten Helden des Marvel-Universums müssen entsprechend kräftige Brocken her, hier sogar im wahrsten Sinne des Wortes. In Astonishing Thor handelt es sich nicht um die erste Begegnung zwischen dem Donnergott und dem lebenden Planeten. Auch mischten sich bereits andere, Freunde wie Feinde (Galactus, Firelord, Die Fantastischen Vier und andere), in diese Begegnungen ein. Auf der Seite der Verbündeten hat Thor diesmal jedoch seine Probleme.
Auch ein Gott kann lieben. Und auch er ist nicht vor Irrtümern gefeit. Letztlich gibt es doch eine Allianz, die dank der Vorbereitungen von Robert Rodi dringend nötig sind. Mike Choi, Zeichner und Tuscher, sehr erfahren im Bereich Phantastik, wie er im Umfeld der X-Men, Witchblade oder auch Tomb Raider beweisen konnte, gestaltet einen besonders edel aussehenden Thor. Er darf ihn aber auch als Grünschnabel und Casanova in Rückblicken zeigen. Aber Marvel steht nicht nur für gut ausgearbeitete Superheldencharaktere, sondern natürlich auch für Kämpfe.
Den Kampf, den Thor hier optisch zu bestreiten hat, ist nicht zuletzt durch die aufwendige Kolorierung von Frank D′Armata ein cineastischer Leckerbissen. Es scheint auch beabsichtigt gewesen zu sein, den beiden Künstlern entsprechenden Raum einzuräumen. Vier Bilder je Seite sind in der Regel zu finden, einige ganzseitige Grafiken bringen in der Tat einen Kinoeffekt auf Papier. Wer Planeten illustriert, die in ein Duell unterwegs sind, braucht diesen Platz auch. Nun mag es sicher Leser geben, auch Comic-Fans, die sich einen Planeten als Akteur schwer vorstellen können, betrachtet man jedoch die mystische Seite des Ganzen, auch Thors Herkunft und all die Sagengeschichten, denen er entstammt, passt ein lebender Planet genau in die lange Linie übernatürlicher Feinde.
Mit einem lebenden Planeten steht das Marvel-Universum nicht alleine da, eine derart starke charakterliche Ausprägung ist allerdings selten. Auf frühere Erscheinungsformen von Ego wird nicht so sehr zurückgegriffen. Auf einen Bart haben die Illustratoren verzichtet. Dafür erinnert das Erscheinungsbild an eine brutale Variante des Mann im Monds, wie er schon seit vielen Jahrzehnten in eher kitschigen Motiven vorkommt. Dieses Bild in ein Monster verwandelt zu sehen, ist ungewöhnlich und sehr interessant, letztlich auch mitreißend. Denn: Wie wird sich ein Planet verhalten?
Eine Antwort soll im Detail nicht gegeben werden, einzig darf auf das Feuerwerk an Fantasie verwiesen werden, das alle drei beteiligten Künstler hier abbrennen. Kleine Einschübe, so auch ein überaus privates Ereignis, ein Picknick im Central Park, lockern die Szenerie immer wieder auf, drehen aber auch stetig an der Spannungsschraube. Beinahe unnötig zu erwähnen, dass selbst der Ausflug in die wirkliche Welt perfekt gestaltet ist.
Ein pralles Abenteuer um den Donnergott, abseits der Rächer und der Erde, von einem Künstlerduo illustriert, die in großer Gestaltungslaune waren und mit absoluter Perfektion zu Werke gingen. Popcornkino im Comicformat. 🙂
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