Die Reise zum Mars ist eigentlich eine einfache Angelegenheit. Zwei Piloten passen auf das Schiff auf, während der Rest der Mannschaft die sechsmonatige Reise im Kälteschlaf verbringt. Die ganze Angelegenheit ist wenig aufregend. Jedenfalls solange, bis ein Strahlensturm Schiff und Mannschaft in Lebensgefahr bringt. Die Schläfer befinden sich in Sicherheit. Derweil versuchen sich die beiden Piloten in einem strahlensicheren Raum zu flüchten. – Es gelingt nur einem der beiden.
Die Reise stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Ereignisse, die dieser Aktion zugrunde liegen und die so nicht geplant war, waren äußerst mysteriös. Zwei amerikanische Astronauten kehrten aus dem All zurück. Leider waren sie bereits schon vor Jahrzehnten zurückgekehrt. Eines der beiden Duos musste also falsch gewesen sein. Aber welches? Die Lösung zu dieser Frage liegt in den Sternen. Ein Schiff bricht auf zum Mars, nur um bei der Ankunft festzustellen, dass sie nicht die ersten sind.
Mehr noch: Der frühere Held der Sowjetunion, Juri Gagarin, starb nicht bei dem Absturz seiner MIG-15, sondern leitete eine Marsmission der Russen, lange bevor die Amerikaner dies überhaupt für möglich hielten.
Der Schock sitzt tief bei der Besatzung, die nun im Jahre 2036 den Mars erreicht, aber er bereitet sie auf nichts vor, was sie bei ihrer Ankunft dort noch erwartet.
Etwas hat überlebt. So könnte man sagen. Es stellt sich nur die Frage: Was hat überlebt? Nicht überall, wo Mensch draufsteht, ist auch Mensch drin. Oder verschwimmen die Zeiten? Was geschieht hier?
Neuerlich setzt Richard Marazano mit dem Leser zusammen seine Reise in das All fort. Im zweiten Teil der Saga um den Schimpansenkompex mit dem Titel Die Söhne von Ares liegt die Erde weit hinter den raumfahrenden Akteuren, während daheim die Sorgen immer größer werden. Helen Freeman hat ihrer Tochter den Gefallen nicht getan und dem Weltall entsagt. Nun ist sie weiter fort als je zuvor. Und auch Sofia, ihre Tochter, hält es nicht mehr zu Hause. Sie reißt aus.
Immer wieder streut Marazano menschliche Probleme und auch Unzulänglichkeiten in die Geschichte ein und entreißt sie so einer sehr kalten Atmosphäre. Die Menschheit erscheint automatisiert, irgendwie nicht Herr ihrer selbst, doch das ist der Optik zu verdanken – zweifellos genial von Jean-Michel Ponzio gezeichnet, sogar noch eine Spur besser als im ersten Teil.
Sah man sich als Leser bisher noch dazu veranlasst, Vergleiche zu Michael Chrichton anzustellen, sind es die Bilder wie auch die Handlung, die einen Cineasten unwillkürlich an Mission to Mars oder Red Planet denken lassen.
Kennen Sie die Heisenbergsche Unschärferelation, Mrs. Freeman?
Richard Marazano setzt dem Leser eine schwer verdauliche Kost vor, eine physikalische Theorie, die in der Kürze der hier vorliegenden Erklärung nicht so recht zu begreifen ist und die Geschichte zugleich – im Rahmen der aktuellen Ereignisse des Albums – in die Nähe von Geschichten wie 2001 – Odyssee im Weltraum rückt. Die Grenzen zur Realität verschwimmen. Helen wird zur Kernfigur, die erkennen muss, dass den eigenen Sinnen nicht mehr vertraut werden kann. Von verschiedenen Seiten – Gagarin glaubt, es seien auf dem Mars nur 10 Jahre vergangen – ergeben sich unterschiedliche Zeitgefühle. Messungen stehen einander entgegen. Je weiter es voranschreitet, desto weniger fühlt es sich echt an, desto mehr greift ein unterschelliger Wahnsinn um sich – der schließlich auch offen ausbricht. Am Ende hat Marazano auch den Leser soweit, jegliche These fallen zu lassen und sich vor den Gegebenheiten zu ergeben.
Jean-Michel Ponzio schafft brutal gute Bilder mit dokumentarischem Charakter. Als Leser könnte man mit zusammengekniffenen Augen, also leicht verschwommenem Blick, den Eindruck einer Fotoromangeschichte in National Geographic gewinnen. Die Grafik stützt den wissenschaftlichen wie auch den philosophischen Aspekt der Geschichte vortrefflich.
Ein mysteriöser zweiter Teil mit einer ebenso opulenten wie auch genial guten Gestaltung. Wer sich mit dem Schimpansenkomplex beschäftigt, benötigt Geduld und auch die Muße, die Geschichte an manchen Stellen mehrmals zu lesen. Beinharte Science Fiction. 🙂
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