Mitchell Hundred folgt den abstürzenden Menschen in die Tiefe. Er rast hinter ihnen her, versucht sie zu erreichen, aber selbst ein Superheld hat seine Grenzen. Jetzt, da er Bürgermeister ist, verfolgen ihn diese Alpträume immer noch.
Wohin soll die Reise gehen? Hundred hat ein echtes Problem mit der Gegenwart, eigentlich auch mit der Vergangenheit und Zukunft. Als er auf eine Angestellte namens Ellen Shu trifft und diese ihn wegen des Wahrsager-Problems anspricht, gegen das er in seiner Funktion als Bürgermeister vorgehen will, möchte er sich zunächst dem Gespräch entziehen. Wider besseres Wissen lässt er sich dennoch auf einen Besuch bei einer jungen Dame dieser Zunft ein.
Die rührselige Geschichte über die Arbeit der Wahrsagerin prallt an Hundred ab, doch alleine das Gespräch reißt Wunden und Erinnerungen an den 11. September 2001 auf. Hundred ist erschüttert. Die Vorhersage allerdings, dass er noch einmal zu seiner Geheimidentität zurückkehren werde, glaubt er keinen Augenblick.
Es ist diese Zeit, da ein anderer Held plötzlich in New York auftaucht und das Gesetz in die eigenen Hände nimmt. Automaton fliegt mit einem Raketenpack auf dem Rücken, spricht mechanisch und sieht insgesamt eher technisch als menschlich aus. Doch irgendetwas scheint mit diesem merkwürdigen Wesen nicht zu stimmen.
Zu allem Überfluss hat Hundred noch ein anderes Problem. Er wird als Geschworener berufen. Was sich normalerweise ein ganz einfacher Vorgang ist, ufert zu einem Fiasko aus. Einer der Geschworenen ist Kriegsveteran. Seither lebt er im Glauben, dass ein Teil von ihm krank ist. Ausgerechnet Hundred soll ihn mit seinen Kräften heilen. Hundred muss sich beeilen, denn der Mann nimmt eine Geisel.
Ex Machina beschreibt mit seiner dritten Folge die Alltäglichkeiten eines Mannes, der mit einer ungewöhnlichen Fähigkeit ausgestattet ist und trotzdem lieber den Weg in die Politik gewählt hat. Fakt vs. Fiktion betitelt Autor Brian K. Vaughan diese Episode, in der sich tatsächlich Realität und Wahn einander gegenüber stehen.
Am Beispiel von Mitchell Hundred zeigt Vaughan die Hilflosigkeit auf, die den einzelnen Bürger von New York in seinen Erinnerungen immer noch befallen können, selbst nach so vielen Jahren. Mitchell, der in seiner zweiten Rolle bemüht war, Leben zu retten, versagte. Sein Pech ist es, dass er sich nicht mit seiner ganzen Energie auf seine Rolle als Bürgermeister konzentrieren kann. Zu vieles hängt ihm aus seiner Vergangenheit nach, es gibt Leute, die ihn gerade deshalb gewählt haben. Und es gibt Leute, die ihn genau deshalb immer wieder in Schwierigkeiten bringen.
Platt ausgedrückt sind es gerade die Letztgenannten, die entweder verzweifelt oder krank sind – oder beides.
Vaughan versetzt seine Charaktere über das Klischee und gibt ihnen Tiefe, was in der Kürze der Zeit nicht einfach ist. So ist es erklärbar, dass man als Leser auch Mitleid für den Geiselnehmer empfinden kann – auf jeden Fall ist es nachvollziehbar, warum Hundred dieses Gefühl aufbringt.
Vaughan schreibt seine Geschichten, so auch diese, auf sehr hohem Thriller- und Unterhaltungsniveau, während im Hintergrund immer noch das Superhelden-Thema schwebt und beständig präsent ist.
Über zeitweilige Umwege gelingt es dem Leser, sich immer weiter dem Charakter von Hundred anzunähern. Selbst die Beeinflussung, die von ihm ausgeht, damit solch ein Ableger wie Animaton entstehen konnte, wird so erklärt und schlüssig.
Ein Held wird immer ganz besonders interessant, wenn die Familie ins Spiel kommt. Wir lernen, dass Hundreds Mutter in einem ziemlichen Schlamassel lebt, das viel ärger ist, als man es von der Mutter eines Bürgermeisters von New York erwarten würde.
Nach all den Auseinandersetzungen und Konflikten, die Hundred zu bestehen hat, gehört diese zu den lustigsten – vielleicht, weil Hundred hier auftritt, als habe er nichts zu verlieren oder zu fürchten.
Der Zeichenstil von Tony Harris gefällt mir immer besser. Zwischen Cover-Ausarbeitung und Innenseiten gibt es qualitativ keinerlei Unterschied. Harris’ Bilder sind einfach schön zu nennen. Zeitweilig erinnern sie Jugendstil-Techniken, wie sie z.B. Alfons Mucha in seinen Bildern angewandt hat. Nur wurde diese Technik durch Tom Feister und Karl Story (beide: Tusche) sowie JD Mettler (Farbe) in die Gegenwart übertragen. Besonders das Cover steht für diese Theorie. So geben die Bilder der Geschichte etwas Altertümliches, Handfestes, zuweilen sogar etwas Klinisches. Der Eindruck, den sie hinterlassen, gefällt mir ausnehmend gut – hier vielleicht auch, weil die Gestaltung in dieser Form auch eine Ausnahme ist.
Ex Machina ist noch ein Stück menschlicher geworden. Hundred ist weiter auf der Suche nach sich selbst, belastet von seiner Vergangenheit. Gute Charakterschilderungen und dramatische Situationen ergeben eine tolle Unterhaltung eines etwas anderen Superhelden. 😀