Ein Krieger muss seinen Meister besiegen. Er muss über sich hinauswachsen und vielleicht sogar scheitern. Aber was wäre, wenn ein Scheitern begrüßt würde? Wenn ein Scheitern den Jüngling an den Rand der Schande brächte, aber sein Überleben in diesem Drama sicherte? Der junge Mann will nicht aufgeben. Er kann nicht aufgeben, nicht nach allem, was sein Meister ihm alles beigebracht hat. Die Lektionen dieses bärenstarken Gesellen gehen weit über Kampftechniken hinaus. Und so sind es nicht die geübten Griffe allein, die den Schüler am Ende über den Meister triumphieren lassen.
Ein Held braucht einen Feind, eine Aufgabe. Ein Held entsteht nicht einfach so, sondern wird an seinen Feinden geschliffen. Mit Iweret steht dem jungen Lancelot ein Unhold gegenüber, der fast zu stark sein könnte für einen unerfahrenen Kämpen. Autor Jean-Luc Istin hat in diesem Band Verstärkung erhalten. An seiner Seite erzählt nun auch Olivier Peru, der im Horrorgenre jüngst auch mit Zombies auf sich aufmerksam machte. Da scheint das Schlachtengemälde, das sich im Laufe der Handlung vor dem Leser ausbreitet, kein Zufall zu sein. Lancelot zeigt besonders im vorliegenden zweiten Teil die Erschaffung eines Helden. Der dunkle Magier Iweret ist nur ein Hindernis auf dem Weg dahin.
Während an anderer Stelle die Legende von Arthur, dem König, wächst, ist Lancelot noch Galaad. Bevor er sehr zum Verdruss seiner Pflegemutter eine letzte Prüfung bei seinem Lehrmeister ablegt und schließlich zum Krieger gereift ist, muss Viviane Fee, die so lange Jahre auf ihn aufgepasst hat, eine Wahl treffen, von der sich nicht vorhersagen lässt, ob sie nicht das Ende bedeutet. Es sind eine Reihe von Weichenstellungen und parallel verlaufende Handlungsstränge, die diesen Teil spannungsreicher machen als den bereits tollen Auftakt.
Für Alexe, die Zeichnerin, und Elodie Jacquemoire, die Koloristin, ist der Arbeitsaufwand ein höherer, der jedoch mit Bravour gemeistert wird. Grafisch wird das Szenario ein wenig härter. Es ist viel düsterer, abgründiger. Viviane stellt sich dem Kampf. Lancelot reift im Kampf heran und muss bereits bei seiner ersten Bewährungsprobe eine unbeschreibliche Tortur hinter sich bringen. Das allein wäre schon genug für optische Finessen, aber Alexe und Elodie Jacquemoire haben außerdem noch eine Schlacht sowie eine doppelseitige Sagenübersicht zu gestalten. Letztere ist wunderbar anzuschauen, fasst zusammen und zeigt dem Leser, welches Schicksal die Charaktere noch erwarten wird. Sogar jene, die noch gar nicht aufgetreten sind.
Wie beeindruckend die grafische Gestaltung, auch durchgängig, ist, zeigt bereits die Darstellung von Iweret, der Figur, die diesem Band den Untertitel verleiht. Die farbliche Gestaltung ist hier zwar noch aufwändiger als im Innenteil, gibt einen Eindruck von der Fülle und der tollen Abstimmung aller Komponenten. Elodie Jacquemoire geht fein in die Hintergründe hinein, schafft eine präzise Tiefe und reizt die modernen Kolorierungsmöglichkeiten aus. Nicht zuletzt durch die Farbenpracht wird die Verweildauer auf den Seiten deutlich erhöht.
Ein erstes Finale: Istin und Peru jagen ihren Helden, anders lässt es sich kaum ausdrücken, über einen Parcours, der es ihn sich hat. Nicht zum ersten Mal wird ein Held auch in Versuchung geführt, nicht zum ersten Mal scheitern die mit Erotik arbeitenden Widersacher mit ihrem Tun. Ist der Vorhang einmal zerrissen, die Falle gescheitert, präsentieren sich die Feinde offen und aus Kampf wird Gemetzel. Die schaurige Umgebung eines Sumpfes tut ihr Übriges für einen optisch stimmigen wie rasanten Fortgang des letzten Drittels der Geschichte.
Besser als der Anfang, stärker, dichter, mit wütenden Charakteren, tragisch, dramatisch und prachtvoll gestaltet. Fans von Sagenabwandlungen und Fantasy, auch solche, die vielleicht einen Robert E. Howard vermissen, sollten einen Blick riskieren. 🙂
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