Tony Chu, mit der Gabe gesegnet, aus dem Geschmack von Essbarem herauslesen zu können, wie die letzten Lebensabschnitte desjenigen oder derjenigen ausgesehen haben, hat nun auch eine Prise Glück. Er hat eine Freundin. Endlich. Und sie verzeiht ihm sogar die kleinen Probleme, die mit dieser Beziehung einher gehen. Überaus problematisch wird es schließlich doch. Niemand darf es wagen, diese Beziehung zu gefährden. Niemand darf es wagen, seine Freundin direkt zu bedrohen. Aber einer findet sich ja immer. So hat der Mann, der die Waffe auf Chus Freundin richtet, bereits sein eigenes Todesurteil unterschrieben. Er weiß es nur noch nicht.
John Layman geht den Beginn des dritten Teils von Chew, dem Bullen mit Biss, mit ein wenig mehr Ruhe an, sieht man einmal von der wegweisenden Einleitung ab. Eiskalt serviert er schließlich den Fortgang der Geschichte, der sich eines alten Bekannten aus dem zweiten Teil annimmt. Chu ist nicht nur gezwungen Undercover zu operieren, er muss sich auch mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, die ihm in seiner Beziehung doch noch ein Bein stellen könnte.
Layman kann nicht leugnen eine Erzählweise zu besitzen, die stilistisch jener eines Quentin Tarantino nahe kommt. Zwei Bilder, die als Hommage auf Reservoir Dogs und Pulp Fiction abzielen, zeigen, dass sich Layman dieses Umstandes sehr wohl bewusst ist. Damit ist gleichzeitig auch klar, wer seinen Spaß an diesem ungewöhnlichen Comic-Thriller haben kann. Die Ausgangssituation, das weltweite Verbot des Verzehrs von Hühnchen (und Hähnchen selbstverständlich) zusammen mit dem außergewöhnlichen begabten Polizisten Chu, dem eine Variante eines Terminators (in Form eines anderen Cops) zur Seite gestellt wird, bietet derartig viel Potential, so dass nur der Erfindungsreichtum Laymans dem ein Ende bereiten könnte. Betrachtet man sich jedoch die einzelnen Kapitel, auch den vorausschauenden Aufbau, dürfte dieses noch sehr lange auf sich warten lassen.
Der Beginn von Kapitel 5 ist nicht nur eine Beleg für die Fähigkeiten des Zeichners Rob Guillory, sondern auch für eine gelungene Seitenkomposition, die gänzlich ohne Worte auskommt. Wie jeder gute Held hat auch Chu seinen Supergegner, der hier ausgerechnet ein Exkollege ist, der dieselben Fähigkeiten wie Chu besitzt. So wird ein Mahl zu einer Reise in die Erinnerungen eines anderen Ichs sehr intensiv dargestellt, bevor die Szenerie, man muss sagen typisch amerikanisch, in das Tohuwabohu eines Familienfestes expandiert.
Rob Guillory hat diesen Zeichenstil nicht erfunden: Wer auch nur mal einen Blick in Cartoons geworfen hat, in alte mit dem rosaroten Panther, auch die Trickfilmzeiten, Sequenzen, in denen die Formen eher krumm, schmal und aufgebläht waren und sind, der wird einen ungefähren Eindruck von Guillorys Arbeit haben. Ganz gleich wie groß eine Struktur ist, so hat sie doch stets etwas Zerbrechliches an sich. Wird ihm genügend Raum eingeräumt, gibt die Szene etwas Humoriges, entsteht wie im Familienfest zu sehen, eine richtig kleine Show. Guillory hat zwar in dieser Episode auch einige rasante Szenen zu zeichnen, doch im Schwerpunkt kann er sein Können in einer krimilastigen und manchmal recht soap-orientierten Erzählung unter Beweis stellen.
Der dritte Teil konzentriert sich sehr gut auf seine Hauptcharaktere und bindet diese strikt in die fortlaufende Handlung ein: John Layman zeigt, dass jeder zur Zielscheibe werden kann. Ganz (wie) nebenbei baut er seinen Tony Chu weiter aus und verleiht ihm mehr Tiefgang, als man es in einer solchen Produktion erwartet hätte. Sehr unterhaltsam erzählt, ungewöhnlich, mit frischem Humor, der mitreißt. 🙂
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