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Comic Blog


Mittwoch, 31. August 2011

NERO

Filed under: Thriller — Michael um 17:01

NEROEin Wort zuviel: Mit einem Wort unterschreibt der Mann sein Todesurteil. Eigentlich suchte er nur eine helfende Hand, mehr nicht. Der Tod ist die Endstation und wird zur Herausforderung an Giuliano Nero, der dem Täter dadurch sehr viel näher kommt. Bis zu diesem Fall trieb Nero dahin. Er hatte nichts zu tun. Er hatte keine Familie, keine Frau an seiner Seite. Sein Leben war leer. Aufregung versprach auch dieser neue Fall nicht, aber wenigstens Einnahmen. Und so machte sich Nero an die Arbeit, versiert, nicht ungeschickt, neugierig, auch hartnäckig. Und tatsächlich: Bald entstehen neue Spuren, die nicht existieren dürften, hätte die Polizei wirklich den richtigen Mörder gefasst.

Wie tief sollte ein Ermittler in die Psyche eines Serienmörders blicken? Wann beugt er sich zu sehr über den Abgrund und fällt selbst hinein? Der von Alex Crippa erschaffene Ermittler Giuliano Nero ist auf der Spur eines Mannes, der eine seltsame Obsession zur Vermeidung von Trauer entwickelt hat. Es besteht keine Beziehung zwischen den Mordopfern. Gemeinsamkeiten sind keinerlei zu entdecken. Nur im Tod weisen sie eine Ähnlichkeit auf. Nachdem der Mörder sie getötet hat, wird die entstandene Wunde fein säuberlich vernäht.

Nero beschäftigt sich als Detektiv zunächst mit einem Fall, der für die Polizei gar keiner mehr ist, denn die hat bereits einen Verdächtigen festgenommen und ist von dessen Schuld überzeugt. Der Leser hingegen weiß bereits von der ersten Seite an, dass die Polizei auf dem sprichwörtlichen Holzweg tappt, da er dem Ermittler Nero nach zwei Seite in der Gegenwart nun in der Vergangenheit folgt. Italien hat sich als Krimiland auch bei uns etabliert, doch sind dort ausgewählte Schauplätze im Comic eher selten anzutreffen.

Alex Crippa schließt diese Lücke eine Geschichte lang (Das fünfte Opfer), bevor er Nero in ein weitaus ungewöhnlicheres Krimiland schickt: Russland. Der Wechsel vom beschaulichen, aber sehr verregneten Italien ins finster verschneite Russland ist einer der sehr atmosphärischen Aspekte im vorliegenden Sammelband, der die Trilogie über den Privatdetektiven Nero vereinigt. Neros Problem: Er findet immer besseren Zugang zu der Bestie, die er verfolgt. Mosaikartig setzt er Hinweis auf Hinweis zusammen und kommt so dem Mörder immer näher. Bis er ihn findet und die erste Geschichte mit einem gemeinen Cliffhanger endet. In dieser Erscheinungsform mag der Leser diese Erzähltechnik verzeihen.

Der geschilderte Mörder ist nicht so ungewöhnlich wie ein Hannibal Lector, die Umstände indes sind es schon. Nero ermittelt weitgehend allein (bis auf einige kleinere Hilfestellungen) und bedient sich eines Buches, geschrieben von einem Kriminologen, dessen Theorien Nero ein gutes Stück weiter bringen: Archangelsk. So lautet der schon Unheil verkündende Titel der zweiten Episode. In Nero ist es düster geworden. Die Bilder sind ein Ausdruck dieser psychischen Fehlentwicklung. War der Fall im ersten Teil ein Fall, so wird er im zweiten Teil zur Besessenheit.

Crippa legt viel Wert auf seine Figur, deren charakterlichen und seelischen Absturz der Leser nur gebannt verfolgen kann. Andrea Mutti zeichnet einen Nero zeichnet einen jüngeren Mann, der sich mittels eines Kinnbarts älter macht. Nero ist ein Ermittler, der raucht, trinkt und auf seine Kleidung nicht viel wert legt. Doch im ersten Teil wirkt er noch schlank und frisch, während er im zweiten Teil zusehends verfällt, nicht wortwörtlich natürlich. Der cremige Farbstrich von Angelo Bussacchini gibt Muttis Bildern (ich wollte es eigentlich nicht schreiben) einen fotorealistischen Effekt, als habe Mutti gestellte Fotos nachgezeichnet. Dieser Blick, möglichst echt, sorgt auch dafür, dass die Atmosphäre dichter, die Handlung noch packender ist.

Copy-Killer: Es gibt Fachbegriffe für Zustände, die sich dem Normalsterblichen entziehen. Ein Copy-Killer, ein Nachahmer von Mördern, indem er die Untaten kopiert, ist der nächste Gegner von Nero. Venedig als Schauplatz strahlt zunächst Wärme aus, bevor Nero das Szenario betritt und das Unwetter folgt. Nero ist mittendrin, aber längst nicht obenauf. Er ist zu einem Ermittler geworden, der durch seine Arbeit am Leben erhalten wird. Selbst Resignation scheint ihm noch zu viel zu sein. Das Team, Crippa, Mutti und Bussacchini, beendet seine Arbeit leider nach dem dritten Teil an Nero, der sich hier mit derart viel Tiefe etabliert hat, dass weitere Geschichten wünschenswert wären.

Ein gelungener Krimiband, spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Abseits der bekannten italienischen Ermittler aus Roman und Fernsehen ist dieser unkonventionelle Ermittler mehr amerikanisch als italienisch, mehr düster als romantisch. Mit Gespür für intensive Szenen erzählt und stark illustriert. 🙂

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