Die beiden Polizisten haben den Laden bereits sehr lange beobachtet. Endlich kommt dieser kleine Gangster, um den sich bei der Observierung alles dreht. Keine Frage, dass sie nicht länger warten wollen und sich daran machen, den Kerl zu verhaften. Amerikanische Polizisten haben aber leider häufig ein Problem: Es gibt eine ganze Batterie von Ermittlungsbehörden, die der Polizei übergeordnet sind und die, falls es ein Wörtchen mitzureden gibt, eine Aktion im Keim ersticken können. Als Tony Chu und sein Kollege John Colby die kugelsicheren Westen anlegen, ihre Waffen laden, mit einem fröhlichen Hasta La Vista, Baby auf den Lippen, taucht kurz darauf ein Agent der FDA auf und bereitet der Aktion ein Ende. Was bleibt noch zu tun? Auf Staatskosten Hühnchen essen? Das hätten sie besser nicht getan.
Ein Cibopath: Tony Chu ist solch ein Mensch und hat damit wohl ein gigantisches Problem. Zwar hat er es sich beruflich zunutze gemacht, die Qualen, die damit einher gehen, mindert es nicht. John Layman schickt nicht nur eine neue Figur ins Feld der Comicliteratur, er kreiert auch noch einen Cibopath. Gehen die bisherigen Charaktere von Profilern stets ein wenig ins Phantastische (oder auch mehr), wie es Beispiele aus TV-Serien vormachten (Frank Black aus Millennium oder Samantha Waters aus Profiler), so ist Tony Chu nur die konsequente Weiterentwicklung eines solchen Charakters.
John Layman geht sogar noch einen Schritt weiter. Wie jede dieser Serien (bei Mystery-Reihen ist das mittlerweile Pflicht) gibt es auch hier einen rätselhaften roten Faden. Das reale Beispiel der Vogelgrippe wird hier aufgenommen und fortgeführt: Der Verzehr von Hühnern ist verboten worden und unter Strafe gestellt. Seither hat sich ein regelrechter Schwarzmarkt entwickelt und der FDA, der Food and Drug Administration, kommt nun eine weitaus größere Aufgabe als bisher zu.
Tony Chu ist ein recht bemitleidenswerter Kerl. Er reiht sich in die einzelgängerischen Helden ein, wirkt jedoch zerbrechlicher, anfälliger, einsamer. Er hat sich eine harte Schale zugelegt, ist misstrauisch, zielstrebig und erfüllt so ziemlich jeden Charakterzug, der ihn seinem Chef überaus unsympathisch macht. Kurzum, Tony Chu muss sich an allen Fronten herumschlagen. Sein neuer Mentor, Agent Savoy von der FDA, ist kaum ein Trost, da er durch diesen in immer schwierigere Situationen gerät.
Das ist von Beginn an spannend, nimmt sich aber nicht so ernst. Entsprechend fällt der grafische Stil aus, den Rob Guillory einsetzt, um der Geschichte Bilder zu geben. Optisch ist Guillory mit seinen Zeichnungen in der ungefähren Nähe von Guy Davis einzuordnen, aber es finden sich auch Elemente aus Cartoon-Serien neuerer Zeit, was die Proportionen von Körpern und Gesichtern angeht (z.B. Ben 10). Auch wer Dylan Dog mag, findet hier seinen Einstieg. Guillory hat für sich einen eigenen Cartoony-Mittelweg gefunden, sicherlich auch in der Tradition eines Will Eisners. Mit der Abkehr von der Realität wird manche Szene nicht weniger spannend, dafür aber weniger eklig.
Denn Tony Chu ermittelt eben auch in Mordfällen. Er bezieht seine Bilder über eine empathische Umsetzung dessen, was er über seine Geschmacksknospen empfängt. Entsprechend fallen seine Ermittlungen aus. ZU beschreiben, in welche Gegenstände Tony Chu hinein beißt, hieße auch die Spannung, deshalb soll das an dieser Stelle unterbleiben. Der Hinweis darf allerdings erlaubt sein, dass John Layman in seinem Skript einiges hat einfallen lassen.
Ungewöhnlich, mit vielen neuen Einfällen und einem mysteriösen roten Faden: John Layman und Rob Guillory haben einen sehr guten Start geschafft, mit einer Mischung aus Cop-Thriller und Mystery-Serie. 🙂
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