Mittwoch, 05. November 2025
EBENEZER GRUMP, wegen seiner Missetaten nur als DER VAMPIR MIT DEN ROTEN AUGEN bekannt, zieht eine Blutspur durch Deutschland. Berlin, Hamburg, Hannover. Binnen zwei Jahren legt ihm die Kriminalpolizei 60 Morde zur Last. Als ihm der Boden in Deutschland zu heiß wird, wechselt er den Standort und begeht den Fehler, ausgerechnet nach LONDON zu reisen, wo ihn mit dem Privatdetektiven HARRY DICKSON ein unerwartet starker Gegner erwartet. Die Flucht geht weiter. EBENEZER GRUMP kehrt in die Heimat zurück, dicht verfolgt von HARRY DICKSON. Im beschaulichen HILDESHEIM endet die Jagd, und der Mörder gibt auf. Eines Tages erreicht HARRY DICKSON in LONDON eine ungewöhnliche Einladung. Er soll an der Hinrichtung des Unholds teilnehmen. Eigentlich sollte jetzt alles vorbei sein. Aber die Geschichte fängt gerade erst an…
Nach einer Romanvorlage des Schriftstellers JEAN RAY schicken DOUG HEADLINE (Autor), LUANA VERGARI (Autorin), ONOFRIO CATACCHIO (Zeichner) und HIROYUKI OOSHIMA (Farben) die Graphic-Novel-Fassung des amerikanischen Privatdetektiven (mit Wahlheimat LONDON) ins dritte Rennen im Kampf gegen das BÖSE. Wenn ein Mörder um sein Seelenheil fürchtet und von HARRY DICKSON verlangt, er möge dafür Sorge tragen, dass die Hinrichtung durch das Fallbeil auch tatsächlich durchgeführt wird, dann haben HARRY DICKSON und sein Assistent TOM WILLS es wirklich und wahrhaftig mit einem außergewöhnlichen Fall zu tun. Und in der Tat ist dies erst der Auftakt zu einer Hatz, die noch so manch befremdliches Ereignis nach sich ziehen wird.
VAMPIRE haben über die Jahrzehnte nichts von ihrer gruseligen Anziehungskraft verloren. Selbst nach dem Hype im noch jungen Jahrtausend kann den geneigten Leser eine gute Vampirgeschichte immer noch das Fürchten lehren. JEAN RAYs Roman LE VAMPIRE AUX YEUX ROUGES erschien 1933, ist also als Vorreiter innerhalb des Genres zu bezeichnen. DOUG HEADLINE und LUANA VERGARI adaptierten den Stoff und schufen daraus das Drehbuch für einen atmosphärisch ungeheuer dichten Gruselkriminalfall, der bis zuletzt ein Pageturner (Seitenumblätterer) bleibt. Die ganze Zeit über stellt sich die unausweichliche Frage: Ist der Unbekannte, derjenige, der hinter allem steckt, ein VAMPIR? Oder hält jemand HARRY DICKSON und TOM WILLS zum Narren?
Die Handlung durchläuft sechs verschiedene Kapitel und man darf sagen, dass diese sehr unterschiedlich ausfallen. Die Geschichte spielt mit Orten, Kulissen, auch Charakteren, die neue Fragen aufwerfen, neue Lösungen anbieten. Das deutsche HILDESHEIM bietet mit seinen Gassen, den alten Häusern, dem Gefängnis nebst Schafott schon eine Menge ordentliches Ambiente für einen wohligen Schauer. Doch es kommen noch ein paar Sahnehäubchen obenauf, denn allein bei diesen Settings bleibt es nicht, weit gefehlt! DOUG HEADLINE und LUANA VERGARI werden sich hier an den richtigen Stellen der Romanvorlage bedient haben. Und gleichzeitig die passenden Örtlichkeiten für die Fertigkeiten eines ONOFRIO CATACCHIO gefunden haben, weil der Zeichner daraus das passende Umfeld für das mysteriöse Abenteuer schaffen kann.
Die grafische Linie von ONOFRIO CATACCHIO ist sehr sauber, sehr klar, eine Technik, bei der jeder Strich sitzt. Die Qualität des Titelbildes setzt sich ebenso im Innenteil des Bandes fort. Die Kolorierung von HIROYUKI OOSHIMA auf dem Cover verfügt zwar über weitreichendere Schattierungen als der Innenteil, der Qualität tut das auf den Folgeseiten allerdings keinen Abbruch. ONOFRIO CATACCHIO hat HARRY DICKSON und TOM WILLS nicht nur durch einen deutlichen Altersunterschied voneinander getrennt, er hat dem amerikanischen Detektiv auch ein kantiges Äußeres beschert. Wäre die Pfeife nicht, HARRY DICKSONS beliebtes Utensil während seiner Fälle, wäre der mitunter in einem TRENCHCOAT auftretende Detektiv auch gut dazu geeignet, die Straßen von CHICAGO oder LOS ANGELES sicherer zu machen, ganz im Stile eines SAM SPADE oder PHILIP MARLOWE.
Im letzten Drittel wechselt der Schauplatz der Handlung (mehr wird nicht verraten), und mit diesem Wechsel erfolgt auch ein erfrischender Tausch der Kulisse. Alles wird noch düsterer, geradezu klassisch zu nennen. Selbst das, was im Jahre 1933 an Modernität existiert, gerät auf einmal ins Hintertreffen. Fast schon findet, wenn die Annehmlichkeiten des Alltags in den Hintergrund rücken, eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit statt. Das gibt nicht nur den Grafiken, sondern auch der Handlung einen neuen Schwung für einen hervorragend spannenden Endspurt.
Ich bin begeistert. In Band 3 der Reihe HARRY DICKSON tritt der Detektiv als rundum starke Figur auf, deren Arbeit man als Leser mit Spannung verfolgt. Allein aus der Vorgeschichte, hier kaum mehr als ein Intro, würde andernorts ein komplett eigener Roman entstanden sein. Aufbauend auf diesen Informationen entspinnt sich ein Szenario, das sich dem offensichtlichen Grusel ebenso widmet wie der teils kranken Psyche, teils verlorenen Seele manches Charakters. Das klare Design ist schlichtweg schön zu nennen und nimmt den Leser auf leichte Art mit auf eine packende Reise durch eine schauerliche Krimihandlung. Beste Genre-Unterhaltung! 🙂
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Montag, 03. November 2025
STEVE TRAVIS und seine Partnerin LOUISE haben sich auf dem MARS eingerichtet. Wegen einer drohenden Klage wollen sie, so lange es keine Klärung gibt, den rechtlichen Schutzstatus auf dem MARS in Anspruch nehmen. Aber so richtig ernst meint es TRAVIS mit seinem Aufenthalt auf dem Roten Planeten nicht. Als sich eine Gelegenheit ergibt, dem Nachbarn der Erde den Rücken zu kehren, ergreifen TRAVIS und LOUISE die Gelegenheit.
Letztlich ist der Auftakt der Geschichte ein Nachhall des Vorgängers, sozusagen ein Startschuss für eine Neuausrichtung. Aber sie etabliert selbst für Neuleser die Hauptfiguren, einige Charakterzüge und Fertigkeiten und zeigt die Welt, in der sich STEVE TRAVIS und alle anderen bewegen. Wir schreiben zu Beginn das Jahr 2055. Reisen innerhalb des Sonnensystems scheinen eine gewisse Normalität erreicht zu haben. Technische Errungenschaften erleichtern das Leben, so auch in der Medizin. Zeit bleibt aber nach wie vor ein entscheidender Faktor, sei es bei Reisen oder bei der Heilung. So betrachtet, auf den ersten Blick, zeigt Autor FRED DUVAL eine schöne neue Welt. Der Aha-Effekt, so wie stets, kommt auf den zweiten Blick.
Nachdem der Einstieg in die Handlung geglückt ist, erfolgt ein Sprung ins Jahr 2056. TRAVIS ist auf der Erde angelangt, genauer im Königreich Dänemark, Jütland. Eine Trockenheit macht den Menschen zu schaffen, Süßwasser wird knapp. Großkonzerne bekriegen sich, Drogenkartelle mischen mit, sogar der Vatikan, emanzipierte Künstliche Intelligenzen versuchen ihren Teil vom Kuchen abzuschneiden, wenn nicht sogar den ganzen Kuchen zu kontrollieren. Und mittendrin diejenigen Menschen, die einfach mehr als nur überleben wollen. Aber immerhin gelernt haben, sich gegen derlei Machenschaften zu wehren. Menschen wie STEVE TRAVIS oder sein Kumpel VLAD NYRKI.
TRAVIS gehört ganz eindeutig zu den langlebigen Science-Fiction-Serien auf dem Comic-Markt (seit 1997). Mit Band 17, TROCKENER REGEN, ist nicht nur die jüngste Ausgabe der Reihe erschienen, sie ist gleichzeitig der Startschuss der 6. Zyklus. TRAVIS teilt sich ein Comic-Universum mit der Science-Fiction-Serie CARMEN MC CALLUM, beide sind aber unabhängig voneinander lesbar. Aber es ist für Fans natürlich durchaus interessant, Figuren hier und dort wiederzuentdecken. Auch hier fließen Infos ein, die erst einmal eher atmosphärisch sind (und neugierig machen auf die parallel laufende Reihe).
FRED DUVAL erzählt eigentlich zwei parallel laufende Geschichten, die sich, auf Wunsch des Autors zugunsten des Lesers, gegenseitige Erklärungen liefern und die dargestellte Welt transparenter werden lassen. An der einen, rund um TRAVIS, ist der Leser näher dran, es ist actionreicher, persönlicher. Die andere spielt mit aktuellen Verschwörungsmythen, Deep-State-Gedanken, insgesamt Vibes, die immer mal gerne in Thrillern auftauchen und hier blendend funktionieren.
CHRISTOPHE QUET, als Zeichner angetreten, hat einen einprägsamen Stil mit Wiedererkennungseffekt. Genauso ist hier ein filmisch erzogener Blick am Werk. Keine überzogene Kameraarbeit, Experimente hier und da, doch nicht so wild, dass der Leser den Überblick verlieren könnte. CHRISTOPHE QUET weiß, was funktioniert und arbeitet konsequent auf dieser Basis. Hier bleibt das Auge dran, wird schön geleitet. Atmosphärisch fein sind die handlungstechnischen Ausflüge zum Vatikan beziehungsweise nach Rom. Intrigen spinnen sich vor die Kulisse noch viel besser. Wenngleich es hierzu noch eine Steigerung gibt (wird hier aber nicht verraten, versteht sich). Farblich veredelt ein der Veteranen-Koloristen im europäischen Comic-Gewerbe, nämlich PIERRE SCHELLE, die Bilder. Der für die Farben verantwortliche Künstler war beziehungsweise ist an Serien wie GOLDEN CITY, ARCTICA, CARMEN MC CALLUM oder LADY SPITFIRE beteiligt. Er ist versiert am Werk, kann aber so richtig auftrumpfen, wenn es ein nächtliches Ambiente umzusetzen gibt, inklusive eines flammenden Infernos.
TRAVIS wird (ebenso wie CARMEN MC CALLUM) seine Fans haben, die Langlebigkeit der Serie ist einfach ein Beweis dafür. Ein ausgefeiltes Worldbuilding (so heißt das ja heute) sorgt für enormen Tiefgang und reichlich Spielfläche der Akteure. Und hier ist für jeden etwas dabei. Der Leser kann direkt Seite an Seite mit den Helden die Probleme angehen oder er kann von verstohlenem Blickwinkel aus Mäusschen spielen und die Intriganten gleichsam ausspionieren. Und kann so vorausahnen, was möglicherweise noch auf TRAVIS und seine Leute zukommt. Ein schöner erzählerischer Trick. Die grafische Umsetzung ist treffsicher auf die Handlung abgestimmt, transportiert und drängelt sich nicht in den Vordergrund. Starke, dichte Science Fiction mit Thriller- und Action-Elementen. Top! 🙂
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Sonntag, 02. November 2025
MEXIKO. Die Menschen erinnern sich an die Zeiten, als ein schwarz gekleideter und maskierter Rächer ihnen gegen die Unterdrücker beistand. Und welcher Tag könnte dazu besser geeignet sein als der TAG DER TOTEN, dem lateinamerikanischen Feiertag schlechthin. Der Platz ist voller Leute. Sie alle freuen sich über die Darbietung eines Schaukampfes, in dem sich DIEGO DE LA VEGA alias ZORRO und der spanische HAUPTMANN MONASTERIO bekämpfen. Das Degenkreuzen währt nur kurz, denn ZORRO, ein Meister der Klinge, besiegt den uniformierten Unhold. Heiter bleibt es nicht lange, weil ein Sieg über Unterdrücker, selbst ein nachgestellter, den Verbrechern ein Dorn im Auge ist. EL ROJO, der örtliche Gangsterboss des Drogenkartells, will diese Provokation nicht so stehen lassen und macht kurzen Prozess mit dem falschen ZORRO. Diese Lektion werden zwei kleine Kinder, die Geschwister ROSA und DIEGO nicht vergessen. Jeder auf seine Art…
Wenn SEAN MURPHY sich einer Geschichte annimmt, wird etwas Besonderes daraus. Ob PLOT HOLES, TOKYO GHOST (der Riesenmegaüberklopper!), seine BATMAN: WHITE KNIGHT Umsetzungen sind grafische Zuckerstückchen und ein Hingucker für Fans von ausgefeiltem Comic-Design. Nun also: ZORRO – DIE LEGENDE LEBT. SEAN MURPHY transportiert die Legende dieses mexikanischen Urhelden in die Gegenwart. Während aus der kleinen ROSA eine Fahrerin für das Kartell geworden ist, starb etwas in ihrem Bruder DIEGO. Aber als das Böse in gewissem Sinne zurückkehrt, eine Tragödie sich zu wiederholen scheint, verändert sich DIEGO. Etwas in ihm erinnert sich an die Legende und so zieht ein auferstandener maskierter Rächer, nebst Pferd TORNADO und Fuchs BANDIDO, gegen die Verbrecher zu Felde.
SEAN MURPHY erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der Zuflucht in einer Fantasie sucht, aus ihr Kraft bezieht, um sich seinen Ängsten zu stellen. ROSA ist damit überhaupt nicht einverstanden, sie fürchtet vor allem anderen um das Wohl ihres Bruders. Ein Degen gegen Knarren? Das kann nicht gutgehen! Ganz platt ausgedrückt. Aber seltsamerweise hat diese Verwandlung DIEGOS einen enormen Effekt auf seine Umgebung und schenkt Mut und Hoffnung. SEAN MURPHY erzählt also nicht einfach bloß einen Thriller, da sind noch einige Details unter der Oberfläche, ohne die eine gute Geschichte heutzutage nicht mehr auskommt.
Nun ist SEAN MURPHY aber auch der grafische Gestalter dieses, ganz nebenbei, fetzigen Action-Knallers. Und ZORRO ist eine Heldenfigur, die ACTION braucht, die ACTION lebt. Nun, wie gestaltet sich eine Figur, die mit einem Degen kämpft und gegen Gangster mit Maschinenpistolen antritt? Einfallsreich! Artistisch. Aufregend anders als gewöhnlich. Ich mag die Blickwinkel, wie SEAN MURPHY das mexikanische Flair überträgt, sehr respektvoll übrigens, wie er eine Szene orchestriert, ganz gleich, ob sie eher statisch ist und zum Aufbau der Charaktere beiträgt oder ob sie rasant abläuft, in bester Blockbuster-Manier.
SEAN MURPHY arbeitet teils mit feinsten fragilen Linien, stellt diesen mitunter schwere schwarze Schatten gegenüber und erzeugt insgesamt häufig Bilder mit starker Tiefe. Seine Figuren sind idealisiert, nah am Realismus, aber stilistisch auf den ersten Blick erkennbar. Seine Figuren sind Typen, die Gangster eindeutig an filmische Pendants angelehnt, vor allem einer ragt dabei heraus, sieht er doch aus wie die Comic-Variante von DANNY TREJO (und wird in der Geschichte auch TREJO genannt). Allerdings hat SEAN MURPHY auch hier seine eigene idealisierte Version geschaffen, denn sein TREJO ist ein wahrer Berg (während das Original doch eher von normaler Größe ist) und gleichzeitig eine Fassung, wie sie in Filmen und Serien niemals so jung und agil gewesen ist. Aber das ist Comic, da dürfen Anpassungen der Realität stattfinden.
Wer SEAN MURPHYS Arbeiten kennt und mag, wird diesen ZORRO lieben. Im Originaltitel, ZORRO: MAN OF THE DEAD, schwingt der Umstand mit, dass sich dieser ZORRO am Tag der Toten in Mexiko, EL DIA DE LOS MUERTOS, zurück unter die Lebenden wagt und das Böse bekämpft. Starke Zeichnungen, spannungsreich und emotional erzählt, ein echter Kracher und Tipp für Fans amerikanischer moderner Thriller! 🙂
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