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Comic Blog


Montag, 23. Juni 2025

EDENWOOD

Filed under: Horror — Michael um 10:14

EDENWOODManche Kriege sind weit weg. Dieser hier tobt in EDENWOOD, einer Welt jenseits jener von Menschen bewohnten Erde. Hier bekämpfen sich DÄMONEN und HEXEN. Brutal, gnadenlos. Die HEXEN schicken ihre Heere und ihre Einzelkämpfer gegen die dämonischen Horden. Wer hier fällt, den erwartet ein noch schlimmeres Schicksal als der Tod. Also, falls man auf der anderen Seite lebt, jener der Menschen, sollte man sich tunlichst von EDENWOOD fernhalten. ELIAS, ADELAI, LUPE, RION, PEA-WHEE, LEXINGTON halten sich an einem See, rund eine Meile von unsichtbaren Grenze nach EDENWOOD auf, als PIP, ADELAIS Hund, ausbüxt. ADELAI versucht das Hündchen wiederzufinden. Und damit nimmt das Schicksal seinen Lauf, denn EDENWOOD wächst …

TONY S. DANIEL hat sich zum Autorenstar in der amerikanischen Comic-Szene gemausert. Dort ist er sehr stark bei DC in Erscheinung getreten, wo er mit seinen Geschichten hier und da ordentlich etwas umgekrempelt und sein illustratorisches Talent unter Beweis gestellt hat. Mit dem und seinen Einfällen in anderen Comic-Universen lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass seine kreative Ader in unterschiedlichen Welten und Genres neue Ansätze zu finden vermag. Und so verhält sich auch mit seinem ganz eigenen Projekt EDENWOOD, wo er als Autor und Zeichner in Personalunion agiert.

EDENWOOD balanciert auf dem Grad zwischen HORROR und FANTASY. Beides dringt nicht in die Realität ein, steht nur vage mit ihr in Kontakt. Es ist mehr ein Rückgriff auf den WIZARD OF OZ, eben Dorothys Reise in dieses merkwürdige Reich, oder auch der Fall von ALICE ins WUNDERLAND. Hier geraten die Kids nach EDENWOOD. Und da ist auch schon ein Unterschied. Die Kids wissen über EDENWOOD Bescheid. Sie wissen von DÄMONEN und ähnlich wie Kids in manchen HORRORFILMEN, wissen auch diese hier wieder alles besser und wagen sich extrem nah an die Grenze in ein Land ohne Wiederkehr heran. Schlecht für die Kids, gut für den Leser, denn TONY S. DANIEL hält sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf. Er wirft die Kids ins kalte Wasser, und dann sollen sie schwimmen.

Letzteres bedeutet: Kampf ums Überleben. Auf der Suche nach ADELAI landet RION plötzlich mitten im Winter, hat seine erste Begegnung mit einem Gefallenen (der eine furchtbare Wandlung durchmacht), trifft seinen ersten DÄMONENKILLER, BASTILLE, und befindet sich kurz darauf in Sichtweite einer Armee, deren Auftritt so überhaupt nicht glorreich ist. In EDENWOOD, einem Landstrich der USA, das DÄMONEN und HEXEN sich über die Landesgrenzen von vier Bundesstaaten einverleibt haben, ist keine der beiden Seiten den Menschen wirklich wohl gesonnen. Und ganz so unkompliziert, wie es sich zu Beginn anhört, ist das alles nicht. Es gibt kleinere Rückblicke, es gibt Seitenwechsel, Verwandlungen, Veränderungen. TONY S. DANIEL flippt die Handlung ordentlich herum und hält den Ball am Laufen. Die Spannung soll hoch, hoch, hoch gehalten werden.

Man bleibt als Leser dran, weil die Grafik ein echter Klopper ist, platt ausgedrückt. TONY S. DANIEL liefert die Zeichnungen, die ohne Übertreibung wirklich stylisch zu nennen sind. Da ist er technisch auf Augenhöhe mit einem PAUL PELLETIER, (dem leider verstorbenen) MICHAEL TURNER, DAVID FINCH, JIM LEE oder einem CLAY MANN. Ein Neuling ist TONY S. DANIEL nicht, angesichts seines Alters (Jahrgang 1977) steigt er sogar langsam in die Comic-Veteranenliga auf. Figuren sind von einer leicht überirdischen Realität. Man könnte auch sagen: Etwas zu schön, um wahr zu sein. Auf der anderen Seite lebt das amerikanische Showbusiness von eben dieser Illusion. Das soll auch keine Kritik sein, denn es ist nun mal ein Comic!

Richtig besonders wird es, wenn TONY S. DANIEL sich DÄMONENKILLER, HEXEN, DÄMONEN sowieso und VAMPIRE (ja, die auch!!!) ausdenkt. Dann schlagen aber noch zwei weitere Künstler zu. EDENWOOD fasst fünf Hefte zusammen. Für Heft 1 koloriert JAY DAVID RAMOS, für die Hefte 4-5 ist LEONARDO PARIAROTTI für die Farbgebung verantwortlich. Und da geht der Knaller richtig los, weil das, was schon auf dem Cover zu sehen ist, nahtlos innen fortgeführt wird. Das ist Kolorierung mit allergrößter Liebe zum allerbesten Bild. Hier wollte man augenscheinlich einen Weltenlook kreieren, und das ist auf ganzer Linie gelungen!

Ein Fest fürs Auge, ein Fest für Dark-Fantasy- und Horror-Fans, ein Fest für Comic-Freunde, die mal in ein völlig neues Universum geschickt werden wollen! Erzählerisch voller Wendungen, einfallsreich, farblich ein Kracher, nichts für schwache Nerven (ist eben Horror dabei!). Wer in die Richtung comic-interessiert ist, legt hier eine Punktlandung hin! 🙂

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Oder bei Cross Cult.

Sonntag, 22. Juni 2025

METROPOLIA 1 – BERLIN 2099

Filed under: SciFi — Michael um 12:49

METROPOLIA 1 – BERLIN 2099Eine Kunstauktion. Die Bieter im Publikum sind begeistert, der Preis ist hoch und steigt noch. Als der Zuschlag erfolgt, fällt ein Schuss. Dem Gewinner der Auktion fliegt der Schädel weg. Die Mörderin flieht. Das Sicherheitspersonal kann sie nicht erwischen. Zurück bleibt allein ein Schuh, den die Mörderin verloren hat. SASCHA JÄGER übernimmt einen Auftrag: Finde die Killerin.

Die Welt hat sich verändert. BERLIN im Jahre 2099. Reisen ist zum Luxus geworden. Viele Menschen werden Berlin ihr ganzes Leben lang nicht verlassen. Denn Fakt ist, wer geht, macht alles richtig und kann sich Reisemeilen verdienen. Wer sich fahren lässt, verursacht Kosten und muss bezahlen. So ist der Gang zu Fuss nicht nur allgemein schonender für eine ramponierte Umwelt, erlaufene Strecken sind gleichzeitig Währung. Andererseits haben sich die Menschen arrangiert. Wie es heute schon dort der Fall ist, wo Überbevölkerung herrscht, sich Millionen auf engstem Raum drängeln, findet das Leben, der Mensch irgendwie einen Weg. Nicht immer den schönsten oder den besten, aber einen, der zeitweilig haltbar ist. Vor diesem Hintergrund wird von FRED DUVAL ein Krimi erzählt.

Ich freue mich immer auf eine neue von INGO RÖMLING illustrierte Geschichte. Seit der ersten Ausgabe von MALCOLM MAX und spätestens seit dem von ihm animierten Musikvideo von MELOTRON (Titel: Du bist es nicht wert) bin ich auf das nächste Werk gespannt. INGO RÖMLING ist auf seinem Gebiet ein Perfektionist. Das hat er mit den bisher insgesam sechs Ausgaben von MALCOM MAX, aber auch mit der Trilogie DIE CHRONIKEN DES UNIVERSUMS reiflich bewiesen. Seine Arbeiten für STAR WARS und jüngst der Ausflug ins BATMAN-Universum nicht zu vergessen.

Nun also wieder Science Fiction, aber nicht ins SPACE-OPERA-Fach, sondern in ein dystopisches Szenario. Die Welt, hier am Beispiel BERLIN, hat ihre Zukunft verspielt. Konsum, übermäßiger Energieverbrauch, Überbevölkerung hat zu einem zivilisatorischen Rückfall gesorgt. Einiges hat sich weiterentwickelt (wie VIRTUAL REALITY und CYBERSPACE), manches ist rückwärts gewandt (wie der Verkehr). Aus der Weite der Möglichkeiten wurde für nicht wenige Menschen eine Art knastvolle Enge auf Lebenszeit. Vielleicht mit ein wenig mehr Auslauf.

Dieses Berlin der Zukunft ist ein Schatten desjenigen unserer Gegenwart. Gedränge allerorten, es gibt mehr Verfall als Aufbau. Roboterhunde helfen beim Trieb einer Ziegenherde, Fahrradrikschas (CYCLIFTS) transportieren jene, die es sich leisten können. Humanoide Roboter (GYNOIDEN) agieren als Hilfspolizisten. Darüber hinaus sind Mode und Architektur ins Hintertreffen geraten. Dort herrscht Stillstand. INGO RÖMLING zeichnet brillant, aber die Aussichten auf dieses Berlin sind trüb. Grafisch stark, detailreich, vermittelt INGO RÖMLING ein tragisches Bild der Zukunft. Aber nicht zuletzt auch ein spannendes.

Denn neben der gezeigten Welt, der Gesellschaft und ihrer Regeln gibt es einen Mord aufzuklären, dessen Inszenierung gleich zu Beginn auch sehr viel über das futuristische Berlin verrät. So gehen detektivische Arbeit, ACTION und atmosphärische Schilderung von der ersten Seite an Hand in Hand. Für Science-Fiction-Freunde ist das großartig umgesetzt.

Mal eine Lanze brechen: In den überwiegenden Fällen finden sich vorne auf dem Cover der oder die Namen der AutorInnen und/oder der ZeichnerInnen. Manchmal übernimmt der Zeichner oder die Zeichnerin auch die Arbeit des Tuschens (falls das nicht ohnehin am Rechner erfolgt und somit ein Aufwasch ist) sowie die Kolorierung. Aber oft ist gerade letzteres nicht der Fall. INGO RÖMLING ist jemand, der meisterhaft kolorieren kann, dies jedoch in METROPOLIA nicht übernommen hat. Vielmehr hat CHRISTOPHE BOUCHARD diese Aufgabe im vorliegenden Band und sorgt für die farbliche Stimmung.

Die hier gezeigte Zukunft ist nicht neonbunt, sie strahlt eher Blade-Runner-Vibes aus. Es ist farblich zurückgenommen. Das Titelbild übertreibt in dieser Hinsicht gehörig. Atmosphärische Kolorierung ist hier Methode, denn die Zukunft Berlins, dem Handlungsort, ist farblich einigermaßen trist. Aber es gibt Farbtupfer, und die stammen ausgerechnet aus der Vergangenheit. Schönstes, besonders einprägend, Beispiel sind vier gelbe Spielzeughühner aus Kunststoff, auf breiten Sprungfedern befestigt, wie sie sich in unseren in unzähligen Varianten auf Spielplätzen finden lassen. Dort, in METROPOLIA, stehen die Dinger auf einem grauen Dach und haben, ganz im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft, ihr fröhliches Grinsen bewahrt.

Darüber hinaus bringt die Virtual Reality Farbe ins Spiel und zeigt eine gesunde Welt. Bestes Beispiel hier ist, als sich Sascha, der Hauptcharakter, mit seiner, nennen wir sie, Freundin trifft. Aber eben nicht in der Realität, sondern in der VR, weil ein kompletter Ozean zwischen ihnen liegt. Er befindet sich in Europa, sie in Nordamerika. Ihr Treffpunkt ist ein nachgeahmter fast schon kitschig grüner Wald. Sobald Sascha in die echte Welt zurückkehrt, herrscht wieder ein ungesundes rötliches Licht vor.

Das ist für Fans von dystopischer Science Fiction ebenso für jene von Krimis und Thrillern der Schwarzen Serie. FRED DUVAL (Autor) vermischt beides gekonnt. Durch die künstlerische Umsetzung von INGO RÖMLING (Zeichner) und CHRISTOPHE BOUCHARD (Kolorist) wird ein grafisches Fest daraus. Beide Daumen rauf für diesen dichten SciFi-Thriller! 🙂

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