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Comic Blog


Freitag, 09. Oktober 2020

BOUNCER – GESAMTAUSGABE 3

Filed under: Abenteuer — Michael um 11:49

BOUNCER - GESAMTAUSGABE 3Indianer erregen in einer Kleinstadt im WILDEN WESTEN immer Aufsehen. Obwohl sie friedlich in die Ortschaft einreiten, wird ihnen offen von einer Einheit Soldaten gedroht. Dabei haben sie ein ganz anderes Ziel: BOUNCER. Der Sohn von WEISSER ELCH soll sein Erbe antreten und den heiligen Boder des Stammes beschützen. Doch zuvor muss der einarmige Mann, der mitten unter Weißen lebt, beweisen, dass er überhaupt fähig ist, seine Aufgabe zu übernehmen. Der Beweis ist denkbar einfach zu führen. Er muss lediglich, einen anderen Mann im Zweikampf besiegen. Sein Gegner OSO LOCO, der beste Krieger des Stammes, wartet nur darauf, BOUNCER zu töten …

Aber es gibt noch mehr als Mord und Totschlag im WILDEN WESTEN, denn ewig lockt das Weib. Zumindest bei ALEJANDRO JODOROWSKY und seinen Erzählungen ist das häufig so. Männer verfallen ihnen. Manchmal glauben sie noch, die nötige Macht zu besitzen, sich jederzeit zurückzuziehen. BOUNCER ist auch so eine Figur, die sich gerne etwas vormacht. Und einmal mehr hat er nicht den Schneid zu erkennen, wenn es eine Frau tatsächlich gut mit ihm meint oder ob sie ihn nur benutzen will. Meistens ist letzteres der Fall. Mit den Waffen der FEMME FATALE, versteht sich. Manche tarnen sich zuvor, andere arbeiten sehr offen mit verführerischen Qualitäten. Manchmal ist alles ein großes Verwirrspiel. Ganz wie es der äußerst fantasievolle Erzähler ALEJANDRO JODOROWSKY mag.

ALEJANDRO JODOROWSKYs Ansichten erschöpfen sich nicht in einem Frauenbild. Es gibt die Sichtweise einer Mutter, die ihre Tochter ganz standesmäß (ihrer Ansicht nach) verheiratet sehen möchte. Es gibt die Tochter, die aus Liebe bereit wäre, jederzeit mit diesen sogenannten Traditionen zu brechen. Es gibt die Hilfe einer Indianerin, die sich über die Völkergrenzen hinweg um einen verwundeten Weißen kümmert. Liebe und Mitleid sind keine Fremdwörter hier. Aber sie gehen nur allzu oft hinter all der Gier, der Brutalität und einem sehr schlechten Bild über den amerikanischen Westen unter.

Immerhin gibt es die Freundschaft, die BOUNCER dementgegen doch immer wieder findet. Völlig begründet, denn tief in ihm steckt ein gutes Herz, das sich aber gemäß der Regeln einer Anti-Zivilisation zu wehren weiß. Und wie! Gelegenheit erhält er dazu genug. Bis eine Grenze auftaucht, an dessen Schwelle sogar er den Revolver beiseite wirft.

Auffallend sind zwei Aspekte dieser dritten GESAMTAUSGABE von BOUNCER. Erstens der vordergründige Gegner: AXE HEAD. Ohne Umschweife als Unhold präsentiert, wird hier weder von Autor ALEJANDRO JODOROWSKY etwas an dieser Figur beschönigt (oder entschuldigt), noch von Zeichner FRANCOIS BOUCQ, der aus AXE HEAD (wie in einem der guten alten Spaghetti-Western) einen widerlichen Killer macht, der schon in einer rein gezeichneten Variante Abscheu beim Leser produziert. Und weil das nicht ausreicht, werden dem Unhold noch fünf Zöglinge zur Seite gestellt, die ihrem Vater nicht nur in nichts nachstehen. Ich möchte sogar behaupten, dass sie ihn an Brutalität noch überflügeln. Ist furchtbar (gut) fantasiert und wirkt nach, Comic hin oder her.

Zweitens (schon wieder) ein anderes grauenvolles Ereignis: Während BOUNCER in einem Indianerdorf im Apachen-Reservat gepflegt wird, planen Soldaten, aus purem Menschenhass und auf der Jagd nach Skalps, für die eine Belohnung gezahlt wird, ein Massaker. Das Szenario, wenngleich in viel kleinerem Maßstab als das historisch tatsächliche Geschehen, erinnert an das MASSAKER VON WOUNDED KNEE. Gänzlich unvorbereitete Angehörige der Sioux wurden von Granaten und Kugeln der US-Soldaten hingemetztelt. Männer, Frauen und Kinder ohne Unterschied. ALEJANDRO JODOROWSKY hat dieses Ereignis ganz offensichtlich als Vorlage für diese Szene genutzt, die in der ersten Albengeschichte der dritten Gesamtausgabe von BOUNCER vorliegt. Autor und Zeichner walzen diese Szene keineswegs aus. Im Gegenteil, beim Betrachten der Bilder sieht der Leser vor dem geistigen Auge wahrscheinlich mehr, als wirklich zu erkennen ist.

Die dritte Gesamtausgabe von BOUNCER fasst den 6. Teil, DIE SCHWARZE WITWE, und den 7. Teil, DOPPELHERZ, der WESTERN-SAGA zusammen. Die beiden zusammengehörenden Teile einer Doppelfolge geben ein abgrundtief düsteres Kapitel des einstigen Rausschmeißers und jetztigen Saloon-Besitzers wider. Das lässt sich aufteilen in eine Kulissenerzählung, in der ALEJANDRO JODOROWSKY das Gesicht des WILDEN WESTENS zeigt, wie er durch Überlieferungen und sogar Fotografien dokumentiert ist. Die andere Hälfte ist fast schon eine griechische Tragödie, die im Mantel eines Westerns daherkommt. ALEJANDRO JODOROWSKY verbindet beides zu einer packenden und mitreißenden Handlung.

FRANCOIS BOUCQ illustriert auf seine gewohnt perfekte Weise. So entsteht ein lebendiges, wuchtiges Bild. Gleichzeitig ist es schauerlich, da sich Autor ALEJANDRO JODOROWSKY nicht allein auf die üblichen Wildwestthemen verlässt. Stark, kurios, kurzweilig, anders, gut. 🙂

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Oder bei Schreiber und Leser.

Samstag, 03. Oktober 2020

DER DETEKTIV VON HOLLYWOOD

Filed under: Klassiker — Michael um 14:23

DER DETEKTIV VON HOLLYWOODDie goldenen Tage des Hollywood-Gruselfilms. Frankensteins Monster erwacht auf der Leinwand. Ein Vampir namens Dracula verschreckt die Kinozuschauer in schönstem Schwarzweiß. Zwei Darsteller des Genres haben sich in Hollywood einen Namen gemacht und sind bekannt für ihre Rivalität. BASIL ORLOFF und VLAD BURLANDI liefern im Film professionelle Arbeit vor der Kamera. Dahinter lässt einer am anderen kein gutes Haar. Beide arbeiten an SOL WURTZELS neuestem Film, DIE RACHE DES RABEN. Leider gerät das Werk noch während der Dreharbeiten in die Schlagzeilen, als der Schriftsteller CHARLES ANDERSON, ebenfalls am Film beteiligt, ermordet wird.

Eher zufällig wird der Detektiv HIPPOLYTE FYNN in die Aufklärung des Verbrechens hineingezogen. Der private Ermittler ist in Los Angeles längst kein Unbekannter mehr. Und besonders INSPEKTOR WHILLER von der Kriminalpolizei hat HIPPOLYTE FYNN sprichwörtlich gefressen, denn überall, wo der Detektiv auftaucht, liegen plötzlich auch Leichen auf der Szene.

Vor rund zwanzig Jahren erschien eine Reihe, deren Fokus auf dem Comic-Künstler PHILIPPE BERTHET lag. Den Auftakt machte DER DETEKTIV VON HOLLYWOOD. Besagter HIPPOLYTE FYNN durfte in mehr als nur einem Fall ermitteln. Er kehrte wieder im Band AMERIKA und in DAS GEHEIMNIS VON WRIGHTSVILLE, beide in der BERTHET-Reihe erschienen. In den nachfolgenden Geschichten bleibt er weiterhin mit HOLLYWOOD verstrickt. Insgesamt schreiben wir in den Krimis das Jahr 1939. Die Amerikaner drehen sich um sich selbst. Der Krieg ist anfangs weit weg. HIPPOLYTE FYNN gleitet durch diese Welt der Eitelkeiten mit großer Selbstverständlichkeit. Nicht immer behält er die Oberhand, manchmal ist auch der Spielball.

An HIPPOLYTE FYNNs Seite ist seine getreue Sekretärin CONNIE, die ihm fast schon mütterlich menschliche Fehler durchgehen lässt, obwohl sie im gleichen Alter wie der Privatdetektiv ist. Ihr wird von den Autoren PATRICK RIVIÈRE und BOCQUET immer mehr Raum gegeben. In Band 3, DAS GEHEIMNIS VON WRIGHTSVILLE, ist sie einmal mehr ermittelnd tätig, aber ohne Rückendeckung und gerät in höchste Lebensgefahr.

Wer klassische Krimis der schwarzen Serie Hollywoods mag, vielleicht immer noch einem SAM SPADE oder PHILIP MARLOWE nachtrauert, landet mit HIPPOLYTE FYNN genau an der richtigen Adresse. Dunkler als der Auftaktkrimi gerät AMERIKA. Plötzlich zieht eine Bedrohung auf, die niemand vorher so recht bemerkt hat oder bemerken wollte. Das ist von PATRICK RIVIÈRE und BOCQUET sehr elegant geschildert und für PHILIPPE BERTHET eine perfekte Vorlage. Seine klaren Linien und präzisen Charakterzeichnungen übertragen diese unterschwellige Stimmung perfekt. Das Titelbild von AMERIKA übersetzt das Gefühl hervorragend. HIPPOLYTE FYNN steht auf einem Friedhof an einem regnerischen Tag. Soeben wurde eine wichtige Person in Hollywood beerdigt.

BERTHETS Bilder fangen eine zeitweise mehr, mal weniger dekadente Gesellschaft ein. Man könnte so manchen der gezeigten Persönlichkeiten überkandidelt nennen. Da sind die schön eingefangenen, berühmten Horrordarsteller, die natürlich stellvertretend sind für ihre echten Pendants BORIS KARLOFF und BELA LUGOSI. Es gibt den Blick hinter die Kulissen, in Hollywood wörtlich zu nehmen. Reiche Orte stehen dunklen Schauplätzen gegenüber. Das ist fehlerfrei gestaltet, erschließt sich dem Auge schnell. Experimente unternimmt PHILIPPE BERTHET keine. PATRICK RIVIÈRE und BOCQUET verlassen sich oft über längere Bilderstrecken auf BERTHETs Gestaltung und lassen der Handlung ohne Worte ihren Lauf. Und es funktioniert.

Auch schon als Klassiker zu betrachten. Dank seines historischen Settings, seiner leichten Illustrierung und der konsequent strikten Erzählweise immer noch sehr zu empfehlen. Für Comic-Krimi-Liebhaber sowieso. 🙂

Nur noch antiquarisch erhältlich. Sich danach umzuschauen, lohnt sich.