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Comic Blog


Samstag, 23. November 2019

BRUNO BRAZIL – DIE NEUEN ABENTEUER 1

Filed under: Thriller — Michael um 18:12

BRUNO BRAZIL – DIE NEUEN ABENTEUER – BLACK PROGRAM – TEIL 1BRUNO BRAZIL hat es nicht leicht gehabt. Der Agent des KOMMANDO KAIMAN, einer Spezialeinheit, hat eine Reihe von Kollegen im Einsatz verloren, darunter seinen kleinen Bruder Billy. Kein Wunder also, dass sich unter seiner kühlen Miene einiges angestaut hat. Aber die zur Trauerbewältigung begonnene Therapie will keine Abhilfe schaffen. Zu nah ist BRUNO BRAZIL an seinem bisherigen Geschäft, zu sehr zwingen die neuen Ereignisse die alten Erinnerungen und den Schmerz zurück ins Bewusstsein. Denn Menschen aus BRUNO BRAZILS Vergangenheit werden von unidentifizierten Angreifern getötet. BRUNO BRAZIL besinnt sich auf alte Freunde und stellt ein neues Team zusammen.

DIE NEUEN ABENTEUER von BRUNO BRAZIL. GREG als Autor und WILLIAM VANCE als Zeichner waren die Macher der ursprünglichen Serie um den Agenten, der nicht der ganz so glanzvolle und fehlerfreie Agent war wie sein berühmtes britisches Pendant. In der zweiten Hälfte der 1970er endeten bislang die Abenteuer, nicht zuletzt durch die starken Verluste des ersten KOMMANDO KAIMAN bedingt. Nun aber, im Jahre 2019, haben Szenarist LAURENT-FRÉDÉRIC BOLLÉE und Zeichner PHILIPPE AYMOND sich des Kult-Agenten angenommen und die Geschichte fortgeführt. Es wurde nicht modernisiert, sondern wir befinden uns an der Seite von BRUNO BRAZIL weiterhin in den 1970er Jahren.

Gleich das Titelbild gibt uns den Hinweis auf die zeitliche Einordnung. BRUNO BRAZIL steht vor einem MATRA SIMCA BAGHEERA – das ist ein Automobil. Heutzutage muss man diese Zusatzbemerkung bei dieser Marke und diesem besonderen Modell hinzufügen. Damals schon selten, dürfte es heute eine BEGEGNUNG DER DRITTEN ART sein, diesen Sportwagen noch einmal auf der Straße zu sehen. Im Hintergrund findet sich BRUNOS Agentenkollege und Kumpel GAUCHO. Und noch weiter im Hintergrund, groß am nächtlichen Himmel angelegt, der große Unbekannte, der Drahtzieher hinter MORD und ENTFÜHRUNG des vorliegenden ersten Teils des Thrillers BLACK PROGRAM.

Neben den Spannungselementen wird BRUNO BRAZIL zutiefst menschlich von LAURENT-FRÉDÉRIC BOLLÉE präsentiert. Ein Mann, der eben nicht nur ein Agent ist, der sich mit internationalen Verwicklungen und Brutalitäten herumschlägt. Sondern auch ein Ehemann und Familienvater eines Sohnes, der sich in, wie es oft so schön heißt, einem schwierigen Alter befindet. BRUNO BRAZILS familiäre Abwesenheit sorgt kaum für eine Lösung. Aber es bleibt keine Wahl. In den VEREINIGTEN STAATEN und in NEUSEELAND wollen Rätsel gelöst und Helfer rekrutiert werden. LAURENT-FRÉDÉRIC BOLLÉE stellt neben BRUNO BRAZIL ein Team zusammen, das sein eigenes Päckchen zu tragen hat. Körperliche Verstümmelungen sind äußerliche Kennzeichen von im Kern angeknacksten Charakteren.

PHILIPPE AYMOND hat den Zeichenstift in die Hand und das Erbe von WILLIAM VANCE übernommen. Selbstverständlich war WILLIAM VANCE ein Meister seines Fachs und er hat in verschiedenen Genres brilliert. Aber der 2019er Neustart von PHILIPPE AYMOND gefällt mir besser als das Original. Die Zeichnungen sind differenzierter, Charaktere deutlich unterschiedlicher, trotzdem, im direkten Vergleich, kann PHILIPPE AYMOND kaum leugnen einen Blick auf das Original geworfen zu haben. Die Verwandschaft in der Stilistik ist vorhanden, aber PHILIPPE AYMOND ist weit davon entfernt, WILLIAM VANCE nachahmen zu wollen.

Es ist spannend, wie BRUNO BRAZIL seine Team-Mitglieder findet. Als Leser vermisst man die mehrere Alben umfassende Vorgeschichte der Charaktere nicht. Hier werden allesamt gut vorgestellt, sehr unterschiedlich, aber jeder auf seine Art tough. Gefühle werden gern maskiert, Verletzungen gerne versteckt, was nicht immer möglich ist, wie bei WHIP RAFALE, die querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. Nur gegenüber BRUNO BRAZIL wird der Schmerz rausgelassen, sozusagen auf Augenhöhe mit jemandem, der mitreden kann. Über ACTION braucht sich der Leser neben der sorgfältigen Charakterskizzierung nicht zu beklagen. Die Anschläge und Katastrophen wachsen stetig und hält sich der GEGENSPIELER auch verborgen, lässt seine Kaltblütigkeit keinen Zweifel an seiner Gefährlichkeit. Diesem Feind ist es gleich, über wie viele Leichen er gehen muss.

BRUNO BRAZIL ist wieder da. Er hat seinen Neustart bravorös geschafft. Die Atmosphäre passt zu den 1970ern. Die Erzählweise greift das Gefühl der originalen Vorlage aus eben jenem Jahrzehnt auf. Aber sie webt geschickt neuere Erzähltechniken und Lesegewohnheiten ein. Unteschiedlichste Schauplätze sorgen für Überraschungen und treiben die Spannung in schönen Bögen stets aufs Neue auf die Spitze. Wer klassische Agententhriller mag, technisch perfekt illustriert, ist bei dem neuen BRUNO BRAZIL bestens aufgehoben. 🙂

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Samstag, 16. November 2019

ISOLA – BAND 1

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:58

ISOLA - BAND 1CAPTAIN ROOK treibt eine schier unmöglich scheinende Mission voran. Sie will einen TIGER zur geheimnisvollen ISOLA bringen. Doch der Weg führt ausschließlich durch gefährliche Gebiete. Jäger wollen den TIGER zur Strecke bringen. Monster, Kreaturen halb Mensch, halb Tier können das Ende bedeuten. Nahrung und Wasser sind knapp. Visionen täuschen die Reisenden. Und darüber hinaus birgt der TIGER ein Geheimnis, denn die Großkatze ist alles andere als ein Tier. In Wahrheit ist ihr Name OLWYN, und sie ist eine KÖNIGIN.

Zwei sehr unterschiedliche Reisegefährten auf der Flucht in einer Welt, in der sich ein Krieg ankündigt. BRENDEN FLETCHER und KARL KERSCHL haben ihr eigenes FANTASY-Reich erschaffen. Diese neue Welt erschließt sich dem Leser nur langsam. Einerseits scheinen sich hier Geheimnisse zu bündeln, andererseits schleppen beide Reisegefährten, CAPTAIN ROOK wie auch KÖNIGIN OLWYN, ihre unausgesprochenen Sünden mit sich herum. Rückblenden und Visionen künden davon, wie das Gewissen der beiden ungleichen Charaktere arbeitet. Die Reise von CAPTAIN ROOK und OLWYN wird jäh unterbrochen, als sich MORO, ein wunderlicher Greis, einmischt und OLWYN auf einen neuen Pfad führt.

Grafisch großes KINO, die Erzählung von asiatischer Rätselhaftigkeit. Wer als Comic-Leser sich ein wenig in Animes umgeschaut hat, wird vielleicht einmal auf PRINZESSIN MONONOKE gestoßen sein. Hier wird der Leser eine der Natur auf ähnliche Weise verbundene Kultur vorfinden. Denn die Natur mit ihren Lichtern, den mystisch zu nennenden Farben, die über den kompletten Handlungsstrang hinweg ein Flair eines durch bunte Fenster erleuchteten Tempels ist ein wichtiger Akteur in ISOLA.

Figürlich finden sich Parallelen zu weiteren Klassikern wie FEUER UND EIS sowie DER HERR DER RINGE von RALPH BAKSHI. Damals wurden die Szenen mit Schauspielern gestellt und später wurden diese für einen vollkommen naturalistischen Effekt überzeichnet. Mit den von KARL KERSCHL gestalteten Charakteren könnte es sich optisch ähnlich verhalten (was aber nicht die Arbeitsweise war). Darüber hinaus ergibt sich durch manche Schattierung nicht nur ein schöner räumlicher Effekt, sondern auch Eindruck, die Bilder entstammten einem Zeichentrickfilm der neueren Generation. Hart am Realismus, ein paar Prozentpunkte weniger, werden sich hier Leser wiederfinden können, die COMICS wie das Steinzeitabenteuer MEZOLITH von ADAM BROCKBANK und BEN HAGGARTY mochten.

KARL KERSCHL hat sich bislang auf dem Gebiet der Superhelden-Comics einen Namen gemacht (SUPERMAN, FLASH, TEEN TITANS). Wer sich dortige Bilder anschaut, findet eine leichte Verwandtschaft zu CORY WALKER (INVINCIBLE). In diesem Band, ISOLA, hat sich KARL KERSCHL grafisch gesteigert, hinzu kommt, dass in der Kolorationszusammenarbeit mit MSASSYK farbliche Meisterwerke entstanden sind. Jede Seite hat Titelbildqualität, ohne Abstriche. Jeder Seitenaufbau (hier und da auch eine Doppelseite) ist auf den Punkt genau nach Stimmung und Dramaturgie durchkomponiert. Die Wirkung wird selbstverständlich immer größer, je mehr uns die von BRENDEN FLETCHER und KARL KERSCHL erfundenen Charaktere an sich heranlassen.

Die Verbindung zwischen CAPTAIN ROOK und OLWYN ist zu Beginn seltsam. Auf die üblichen einleitenden Erläuterungen wird verzichtet. Der Leser soll und muss sich vertrauensvoll auf das Geschehen einlassen. In Zeiten, in denen Trailer schon die Handlung ganzer Filme vorweg nehmen, ein Spoiler-Alarm den nächsten ablöst, ist das ungewohnt und verlangt Geduld. Aber, das sei verraten, der Leser sollte diese Geduld aufbringen, denn es lohnt sich. So wartet zum Schluss eine ungewöhnliche Belohnung (die einige Fragen zusätzlich klärt). Zunächst setzen die beiden Erfinder von ISOLA auf Effekte, die den Leser zur Aufmerksamkeit erziehen sollen. CAPTAIN ROOK und OLWYN stoßen auf einen toten Körper (es einfach nur Leiche zu nennen, wäre untertrieben). Das geschieht nach einem recht kurzen, märchenhaften Beginn. Spätestens hier sollte die Faszination für ISOLA beginnen, denn man ahnt nun, dass in ISOLA etwas gewaltig anders ist als in sonstiger MAGIE-UND-SCHWERT-FANTASY.

Mystisch, asiatisch, märchenhaft. Das ist ISOLA. Einflüsse sind sicherlich erkennbar, darüber hinaus begibt sich ISOLA von BRENDEN FLETCHER und KARL KERSCHL auf einen sehr eigenständigen Pfad. ISOLA konzentriert sich sehr auf seine beiden Hauptfiguren und erzählt nur wenig vom großen Ganzen der hier vorliegenden Welt. Es wird also sehr emotional, zwischen Freund und Freund, außerdem zwischen Freund und Feind. Auf geopolitische Eigenarten dieses Fantasy-Universums wird weitestgehend verzichtet. Nur das in dieser Hinsicht für die Handlung absolut Nötigste wird dem Leser mitgeteilt. Genial und technisch perfekt illustriert. Klasse. 🙂

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Links:

THE ABOMINABLE CHARLES CHRISTOPHER
KARLKERSCHL.COM

FÜNF FREUNDE ERFORSCHEN DIE SCHATZINSEL

Filed under: Comics für Kinder — Michael um 19:45

FÜNF FREUNDE ERFORSCHEN DIE SCHATZINSELDie Geschwister JULIAN, DICK und ANNE sollen ihre Ferien bei den KIRRINS, TANTE FANNY und ONKEL QUENTIN verbringen. Außerdem ist da noch GEORGINA, die Tochter der KIRRINS, die es aber überhaupt nicht mag, wie ein Mädchen behandelt zu werden und lieber GEORGE gerufen wird, wie ein Junge eben. Sie ist ein ziemlicher Wildfang und kann eigentlich mit ihren beiden Cousins und der Cousine nicht viel anfangen. Lieber hätte sie die Ferien allein verbracht. Aber die Verwandten sind doch ganz anders als befürchtet. Bald schon ERFORSCHEN die FÜNF FREUNDE mit dem fünften im Bunde, TIMMY dem HUND, die SCHATZINSEL, ein kleines Eiland unweit der Küste.

Die FÜNF FREUNDE sind eines der Phänomene der Jugend- und Kinderliteratur. Über die eigentlichen 21 Bände hinaus, die ENID BLYTON, die Autorin der Romane, geschrieben hat, erschienen noch über 90 Geschichten aus der Feder anderer Autorinnen. NATAËL hat sich den allerersten Roman, das Auftaktabenteuer der FÜNF FREUNDE vorgenommen und dieses für das Medium Comic adaptiert. Er bearbeitete den Originaltext, während sein Sohn BEJÁ die Zeichnungen übernahm. Dabei wurde das Zeitkolorit nicht verlassen. Denn FÜNF FREUNDE ERFORSCHEN DIE SCHATZINSEL wurde 1942 erstmals veröffentlicht.

Vater und Sohn haben bereits häufiger zusammengearbeitet, aber die Szenarien hatten meist einen erwachsenen Charakter. Die Zielgruppe hierbei sind entweder Kinder oder Nostalgiker. Oder eine Mixtur aus beidem. So wie ich. Jedenfalls in mancherlei Hinsicht. Die FÜNF FREUNDE befeuerten ihre Popularität hierzulande gegen Ende der 1970er Jahre mit einer englischen Fernsehserie. Im zweiten Schwung übernahmen die Originalsynchronsprecher der vier Kinder auch die Hauptrollen in einer hierzulande sehr erfolgreichen Hörspielserie der FÜNF FREUNDE (für die Dauer der Folgen, die den Originalabenteuern von ENID BLYTON zugrunde lagen).

Die FÜNF FREUNDE sind in einer Zeit unterwegs, als Kinder sich in ihrer Freizeit in der freien Natur herumtrieben, ohne Mobilfunk, keinen Fernsehnachmittagen oder anderen Segnungen technischen Fortschritts. Hier wird oft kampiert, im Freien oder auf Bauernhöfen übernachtet, gewandert oder mit dem Fahrrad die Gegend erkundet. Eigentlich haben diese Kinder sehr viele Freiheiten. Die FÜNF FREUNDE sind natürlich kindlich, aber auch sehr verantwortungsbewusst. Da fahren sie, so wie hier, schon einmal mit einem Ruderboot auf die offene See zur SCHATZINSEL hinaus, allein und ohne Erwachsenenbegleitung.

BEJÁ zeichnet die berühmte klare Linie, wenngleich die menschlichen Figuren etwas realistischer ausschauen als vielleicht bei einem berühmteren Vertreter dieser Technik wie TIM UND STRUPPI. Die Zeichnungen passen zur dargestellten Zeit, wirken sogar teils als seien sie damals entstanden, also ein schönes organisches Zusammenwirken von Handlung und Bildern. Es gibt Halunken bei den FÜNF FREUNDEN, immer wieder und nicht zu knapp. Hier sind es gleich zwei, deren Auftreten fast schon komödiantisch ist, selbst nach heutigen Maßstäben. PHIL und MIKE haben sich optisch aneinander angeglichen, in Kleidung, Frisur und Auftreten. Heißt, die Bösewichte agieren zielbewusst, sind schon höchst kriminell, aber ihnen wurde, auch optisch ein wenig der Zahn gezogen.

Ein Klassiker in neuer Aufmachung, eng am Original angelehnt. Die Erzählung besitzt ihre nostalgische Spannung, ein Flair der Vergangenheit, auch und besonders durch BEJÁS Zeichnungen. Rätsel werden gelöst, ein Schatz gefunden. Kinder lernen, sich aufeinander zu verlassen. Gauner werden geschnappt. Ein rundum feines Abenteuer für Kinder. Zeitlos gut. 🙂

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Link: deutschlandfunkkultur.de – Zum 50. Todestag von Enid Blyton

Dienstag, 12. November 2019

THE WALKING DEAD 32 – RUHE IN FRIEDEN

Filed under: Horror — Michael um 11:14

THE WALKING DEAD 32 - RUHE IN FRIEDENDWIGHT ist tot. Und RICK GRIMES wird als Retter der GOUVERNEURIN gefeiert. Zu sehr gefeiert, wie manche finden. Denn ein Retter wird in der GEMEINSCHAFT nicht gebraucht. Die GEMEINSCHAFT, beschützt durch eine gepanzerte Polizeitruppe, ist eine von mehreren Gruppen, denen RICKS LEUTE in den vergangenen Jahren begegnet sind. Die Strukturen beschwören eine vergangene Zeit herauf. Mit vielen guten Eigenschaften und ebensolchen schlechten Eigenschaften. Letztere sind es, die das Gefüge ins Wanken bringen. Denn so mancher ist unzufrieden mit einer Führung, die eine elitäre Hierarchie anstrebt. Wird RICK GRIMES als doch noch zum Retter? Oder wird er derjenige sein, der das Pulverfass zur Explosion bringt?

Nach einer Laufzeit von 16 Jahren, 193 Heften in den USA, hierzulande in 32 Hardcover-Bänden zusammengefasst, ist die Comic-Serie THE WALKING DEAD nun zu Ende erzählt. In einem recht emotionalen Beitrag beschreibt Autor ROBERT KIRKMAN, wie es ihm dabei ergangen ist. Und natürlich wächst einem eine Tätigkeit, in der viel Leidenschaft steckt, ans Herz. Entsprechend groß ist die Lücke, wenn diese Arbeit ihren Schlussakkord findet. ROBERT KIRKMAN hat das Kunststück fertig gebracht, Figuren in einer apokalyptischen Welt mit Leben zu füllen. 16 Jahre lang durfte der Leser sie bei ihren Erfahrungen begleiten. Er durfte sehen, wie sie es schafften zu überleben. Er sah, wie sie litten, sich aufrappelten, weitergingen, eine Gemeinschaft schmiedeten.

In 16 Jahren sind viele Charaktere zu entdecken gewesen. Viele dieser Figuren haben es nicht bis zum Schluss geschafft. Aber so mancher erlebt das Finale, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise. RICK GRIMES hat die Geschichte lange Zeit getragen. Mit ihm begann es, einem Unfall während eines Schusswechsels, einem Koma und einem sehr bitteren Erwachen. Bis dahin benötigte ROBERT KIRKMAN lediglich eine einzige Seite zur Einleitung. Später, als die Serie höchst erfolgreich war, ließ sich der Autor mehr Zeit für seine Erzählung. Aber ROBERT KIRKMAN konnte damals kaum ahnen, was aus der Serie einmal werden würde. Ebenso wenig wie Zeichner CHARLIE ADLARD ahnen konnte, dass der Arbeitsdruck einmal so groß werden würde, dass neben CLIFF RATHBURN, dem Verantwortlichen für die Graustufen, auch STEFANO GAUDIANO als Tuscher zum Team stoßen würde.

Der ehemalige COP aus Band 1, mit dem Untertitel GUTE ALTE ZEIT, hat es also in Band 32, mit dem Untertitel RUHE IN FRIEDEN, geschafft. Eine fehlende rechte Hand ist nur einer der Verluste, die diese Figur auf ihrer Reise erdulden, ertragen musste. Aus dem einfachen Polizisten wurde ein Anführer gegen diktatorische Feinde und Psychopathen wie den GOUVERNEUR, NEGAN, die FLÜSTERER. Nun aber das Ende mit einer letzten Konfrontation, der GEMEINSCHAFT, geführt von der GOUVERNEURIN MILTON. Viel Normalität, vieles von der GUTEN ALTEN ZEIT hat sich wieder in den Alltag der Überlebenden eingeschlichen. Und das hat sie unvorsichtig und träge gemacht. Zu träge zu erkennen, dass ein Regime viele Gesichter tragen kann, sogar harmlose und wortgewandte.

Oft wurde RICK GRIMES nicht nur als Anführer, sondern auch als Retter angesehen. Irgendwann sah er sich selbst als solcher, bis er begriff, dass er nicht alle Antworten auf sämtliche Fragen hat. Als nun in der GEMEINSCHAFT ein Konflikt schwelt, ein Aufstand sogar, lehnt er eine Führerschaft ausdrücklich ab. Auch versucht er jegliche Gewalt zu verhindern. Sein Gewissen lastet inzwischen schwer und der alte Weg, Hindernisse, Menschen, einfach aus dem Weg zu räumen, ist ihm unmöglich geworden. Wer als Leser diesen Charakter über 16 Jahre verfolgt hat, kann den Wandel nachvollziehen. Aber ebenso gut den von Figuren wie CARL GRIMES, RICKS SOHN, oder MICHONNE, die zuletzt einige glückliche Momente erleben durfte.

Die Serie darf durchaus unter dem Genre APOKALYPTISCHER WESTERN eingeordnet werden. Als Beleg mag der lange Epilog gelten, der eine Zeit nach den großen Umwälzungen zeigt. Die Vereinigten Staaten beruhigen sich (was andernorts passiert ist, erfährt der Leser nie). Es gibt ein neues politisches System, dem vorhergehenden angelehnt. Eine neue Rechtsprechung sorgt für Ordnung, nicht immer zu jedermanns Freude und ist mit einer Logik behaftet, die vor Jahren (im Sinne der Zeiteinteilung in THE WALKING DEAD) noch nicht funktioniert hätte. Die Zivilisation breitet sich aus und längst ist nicht alles wieder zusammengewachsen. Untote besitzen inzwischen Seltenheitswert. Insbesondere am Beispiel von CARL GRIMES, erwachsen und mit eigener Familie, wird das neue, alte Leben gezeigt, mit kleinen Städten, Farmen, einem Land, das sich ohne menschliche Einflüsse gehörig erholt hat. Die Parallelen zur amerikanischen PIONIERZEIT sind offensichtlich.

Der lange Abschied im letzten Teil von THE WALKING DEAD versöhnt mit dem Ende der Reihe. Für die überlebenden Charaktere geht ein Leidensweg zu Ende. Andere büßen weiterhin ihre Untaten oder sind in gnädige Vergessenheit geraten, so wie zum Beispiel NEGAN. ROBERT KIRKMAN hat eine bombastische Serie hingelegt, höchst erfolgreich als Comic, ebenso als Fernsehserie, die inzwischen ein zweites Spin-off nach FEAR THE WALKING DEAD erhält. Der Nachschub an Untoten geht für die Zuschauer vorerst nicht aus. Und sollte es einen HORROR-FAN geben, der die Comics nicht kennt, vielleicht nur aufs Pantoffelkino gesetzt hat, sollte vielleicht doch zum Comic greifen, denn ROBERT KIRKMAN hat die Comics anders erzählt als die Fernsehserie. Manches ist ähnlich, aber es dürfte für Neuleser viele Überraschungen parat halten. 🙂

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