Der Junge ist krank und benötigt Antibiotika. In einem Land, das den Niedergang der Zivilisation erlebt hat und nur noch von seinen Resten lebt, sind Medikamente ohnehin schwer zu finden. Und Antibiotika sind fast eine Unmöglichkeit. Hätte RINGO nicht eine Idee. Diese führt geradewegs in die Höhle des Löwen, nur ist es diesmal nicht er, der diesen letzten Meter zu gehen hat, sondern der andere Junge, Seba, der die Aufgabe erfüllen wird.
Die römische Pietà. Michelangelo schuf dieses Meisterwerk der Bildhauerei, heute im Petersdom in Rom zu bestaunen. Im Schoße Marias liegt der verstorbene Jesus Christus. Illustrator Emiliano Mammucari hat das Motiv und die Haltung dieser Doppelstatue aufgegriffen und hiernach das Titelbild gestaltet. Der bewusstlose RINGO liegt hier in den Armen einer Krähe, die nur darauf wartet, ihm den Todesstoß zu versetzen. Angesichts der Fortsetzungen ist es kein Geheimnis, dass ihr das (vorläufig) nicht gelingen wird.
Nach einem stürmischen Auftakt im ersten Teil hat sich ein Quartett zusammengefunden, wie es nicht so recht zueinander passen will. Aber RINGO hat keine Wahl. Er hat einer Verstorbenen ein Versprechen gegeben. Außerdem besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass einer von den drei Jugendlichen, die er in Sicherheit bringen will (muss), ein Kind von ihm ist. Damit er sein Versprechen hält, hat seine ehemalige Geliebte ihm verschwiegen, welches Kind seine Gene trägt. Aber, ob nun ein Kind oder drei, es kommt sich fast gleich, denn die Reise sowie die Flucht, die von den Vieren angetreten worden ist, wird durch weniger Personen kaum ungefährlicher.
Zwei Grafikduos teilen sich die Arbeit an der Fortsetzung der Reihe. Diese trägt den irritierenden Untertitel NUMMER VIER. Es ist die Andeutung eines gemeinen, perversen Spiels in der zweiten Hälfte des Science-Fiction-Thrillers. Für mich immer auffallend bei italienischen Comic-Produktion ist der Umstand, wie identisch die Arbeiten von unterschiedlichen Künstlern an einer Reihe ausfallen. Es gibt nur kleine Abweichungen. Hier wird großer Wert auf ein sehr einheitliches Erscheinungsbild gelegt. So ist es beinahe kaum zu bemerken, dass hier unterschiedliche Grafiker am Werk waren.
Die Tuschezeichnungen in der ersten Hälfte, von Carlo Ambrosini und Giovanna Niro (Koloristin), fallen etwas gröber au. Aber der leicht brachialere Strich passt zur Härte der Geschichte, die dadurch noch unterstrichen wird. Und Härte findet sich ausgerechnet da, wo ein heute lebender Leser sie nicht erwarten würde: Rom. Aus der prächtigen Stadt, der ewigen Metropole ist eine untergegangene Stadt geworden. Hier lauert der Tod an jeder Ecke. Hier gibt es nichts umsonst. Hier dient Gewalt dazu, das zu bekommen, was man will. Oder sie macht einigen einfach nur Spaß. Weder Roberto Recchioni, noch Mauro Uzzeo (Autor der zweiten Hälfte) geizen mit entsprechenden Beweissituationen.
Beiden ist zueigen, dass sie mit einem sehr guten Timing erzählen, stets zu überraschen verstehen und es eben doch nicht immer so ist, wie man annehmen könnte. Gerade in der zweiten Hälfte gibt es eine solche Situation, deren Schwenk in eine unerwartete Richtung marschiert, Stichwort NUMMER VIER. Über allem liegt der erzählerische und optisch sehr eindrucksvolle Untergangsgrusel. Wie die beiden Grafikteams dies inszenieren, liegt toll auf der Linie meist verfilmter Szenarien. Kulturelle Überreste liegen herum, vergammeln, werden ausgeschlachtet oder einfach nicht mehr beachtet und gepflegt. Ein schönes Beispiel ist der ehemals hochmoderne Zug, der irgendwo in einem Wald von den Schienen entgleiste und nun liegt und verrottet.
Eine Reise durch ein erkennbares und doch so unterschiedliches Italien. Es ist interessant, den Untergang der Welt einmal auf einem anderen Kontinent zu sehen, als immer nur in den USA. Darüber hinaus sorgen das Szenario und seine Charaktere, auch die Widersacher, für ein ungewöhnliches Spannungsniveau mit teils wuchtiger Dramatik. Tolle Weltuntergangsstimmung! 🙂
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