Der Kampf um die Arche hat begonnen. Mit dem Einsetzen des Regens kommen die Menschen. Es sind nicht nur Krieger, es sind auch ganz gewöhnliche Menschen, Alte, Frauen und Kinder. Sie alle wollen überleben und sie können nicht begreifen, dass dort hoch oben auf dem Rumpf des Schiffes einer steht, der es ihnen in Gottes Auftrag verwehren will. Außerdem ist Noah, so der Name des Schiffsbauers, nicht allein im Kampf gegen die anrückenden Menschenmassen. Die Wächter, gefallene Engel, halten die Verzweifelten so gut auf, wie sie es vermögen. Ihr Widerstand währt nicht lange. Selbst ihre gewaltigen Kräfte können der zahlenmäßigen Überlegenheit, dem schier endlosen Strom der um ihr pures Überleben kämpfenden Menschen nicht standhalten.
Mit dem Regen kommen die Fluten. Das Wasser steigt, nimmt überhand, die Arche, sie schwimmt am Ende wie ein gewaltiger Ziegelstein im Wasser. In ihrem Inneren schlafen die Tiere, alles, was da kreuchte und fleuchte, denn nun ist die Schöpfung Geschichte. Wer es nicht in die Arche geschafft hat, stirbt den Tod in den Fluten. Durch Ertrinken, durch die bittere Kälte, an Erschöpfung. Und Noah kämpft bis zu selbigen, vertreibt und tötet jene Menschen, die es auf das Deck der Arche geschafft haben. Das ist seine Aufgabe, die er vom Schöpfer erhalten hat und die er mit aller Kraft, bis zur Selbstaufgabe wahrnimmt. Wie weit ihn diese Aufgabe noch an seine Grenzen treiben wird, sieht er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Darren Aronofsky und Ari Handel, deren Textvorlage nicht nur die Basis des gleichnamigen Kinoblockbusters ist, sondern auch jene des vorliegenden, mehrteiligen Comic-Abenteuers, lassen Abweichungen zwischen beiden Versionen zu. Abgesehen davon gestalten sie natürlich die biblische Vorlage dramaturgisch an den Nerven zerrend aus. Gott gestattet Noah Interpretationen seiner Anweisungen und stiftet so Verwirrung bei seinem frommen Gefolgsmann, eine Verwirrung, die zur Spaltung seiner Familie beiträgt. Hält man das biblische Textstück daneben, schadet diese Veränderung des Inhalts nicht, verschärft sie doch einerseits die Untergangsstimmung und rückt auch eine Ansicht Noahs (die er gehabt haben könnte) in den Mittelpunkt. Wenn alle Menschen schlecht waren (oder sind), müsste die Verderbtheit auch in ihrer Familie zu finden sein. Warum sollte Gott also eine Handvoll von ihnen am Leben lassen?
Niko Henrichon entwirft dieses Endszenario mit weiterhin kraftvollen wie auch erschütternden Szenen. Die Gestaltung der Wächter ist hier weitaus weniger unnahbar als in der Filmvariante der Erzählung, weshalb ihr Schicksal greifbarer wird und auch die Freundschaft zwischen Noah und Og verständlicher ist in Gestik und Mimik. Das Ende der Wächter rührt an. Noahs Kämpfe, es sind nicht wenige, sind blutig, unbarmherzig gegen die eigene Art. Noah wird ein Vollstrecker des Göttlichen. Man fühlt sich optisch an eine Kreuzung aus Conan und Indianer erinnert. Der Kampf währt mit Äxten und Schwertern.
Strichführung und Kolorierung wirken intuitiv und schnell geführt. Niko Henrichon wählt (sicherlich unbewusst) stilistisch aus verschiedenen Strömungen, europäisch, überseeisch, asiatisch eine solide Mischung mit tollen Ausdrücken. Aus dem Dauerregen wird ein Schneestreiben und wird nur einmal in ruhiger Erzählung durch die Schöpfungsgeschichte unterbrochen, die für sich allein schon ein grafisches Schmankerl ist.
Der dritte Teil der Erzählung um Noah und seine Familie jagt den Leser durch ein dichtes, beklemmendes und brutales Drama. Die Menschheit geht unter, im wahrsten Sinne des Wortes. Niko Henrichon schafft mit seinen Bildern eine schöne eigenständige Interpretation der Neuerzählung des Noah-Mythos der Filmemacher Aronofsky und Handel. 🙂
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