Samstag, 22. Februar 2014
Das Fernweh ruft. Die Zugvögel brechen auf. Ein Seemann erzählt Herrn Ratte von seinem abenteuerlichen Leben. Herrn Ratte gehen diese Eindrücke nicht mehr aus dem Kopf und natürlich kann er es nicht lassen und muss seinen Freunden, dem Maulwurf und dem Kröterich, davon berichten. Ist Fernweh ansteckend? So scheint es, denn wenig später ist der Kröterich, in einem Anfall gewohnter Überspanntheit, fort und Herrn Ratte und dem Maulwurf bleibt gar nichts anderes übrig, als ihn zu verfolgen, um ihn, auch wie gewohnt, vor Schlimmerem zu bewahren. Bisher klappte das ganz gut. Nur diesmal eben nicht. Kröterich bleibt verschwunden und Herr Ratte und Maulwurf finden sich stattdessen in Afrika wieder.
Andere Länder, andere Sitten. Und noch mehr als das. Der andere Kontinent gibt den drei Reisenden (zwei davon eigentlich wider besseren Willen) allerhand zu entdecken. Nach Der Wind in den Weiden, die von Michel Plessix für das Comic-Genre adaptiert worden war, hat der Comic-Künstler die Figuren von Originalautor Kenneth Grahame verwendet, um eine Fortsetzung zu inszenieren. Er versetzt die drei kleinen Helden in eine neue Umgebung, möglichst fern der Heimat liegend, in den geheimnisvollen Orient. Wie schon in seiner Adaption des Originalthemas zeichnet und malt Michel Plessix mit überragend feinem Stift und Pinsel.
Dem bereits bekannten Startgebiet mit seinen saftigen Farbtönen einer überquellenden Natur steht zunächst das karge, halbdunkle und trockene Ambiente eines Schiffsbauchs gegenüber, in dem sich zwei unserer Helden als blinde Passagiere wiederfinden. Der Kröterich ist zwar auch ein blinder Passagier, doch wie bekannt, findet er amphibiengleich seinen eigenen Weg. Der optische Schnitt mit der Ankunft auf dem afrikanischen Kontinent ist radikal. Und dann stürzt sich Michel Plessix ins Getümmel einer anderen Kultur mit allem, was zu dieser Begegnung dazu gehört.
Es ist eine vorurteilsfreie Reise nicht nur in ein fernes Land, mit anderer Kleidung, anderer Esskultur, anderen Gebräuchen, anderer Religion, anderer Fortbewegung und anderen Verhaltensweisen, die ganz einfach das Land verlangt, will man gegen Hitze, Sand und Trockenheit bestehen. Es ist, je nach verwendetem Charakter, eine sanfte, vorsichtige oder überaus tölpelhafte Annäherung an das fremde Land. Wer die Charaktere aus dem ersten Band kennt, darf dreimal raten, für welche Vorgehensgehensweise der Kröterich steht.
Nach dem ersten Teil der Annäherung, auch des Einlebens, folgt im zweiten Teil mehr das Abenteuer und der Kröterich (irgendwie ist er immer, obwohl sich die anderen dagegen wehren, eine treibende Kraft) darf wieder für die Slapstick im Band aufstehen. Zusammen mit den Wundern und Schätzen, die das Land zu bieten hat, gibt es in der zweiten Hälfte weitaus mehr Aktion. Und am Ende im rasenden Finale, darf mit Fug und Recht behauptet werden: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Und ebenso: Sehr schade, dass es schon vorbei ist.
Michel Plessix ist ein penibler Perfektionist, der in diesem Genre, dem Kinderbuch-Comic, seinesgleichen sucht. Plessix arbeitet feinste Details heraus. Kleiderstoffmuster, Speisen, Gassen, eine Brücke, über die kein Weg mehr führt, über einen Fluss, der schon lange ausgetrocknet ist. Die Eindrücke sind so zahlreich, dass sie eine zweite Geschichte nebenher erzählen und das transportieren, was nicht schon von den drei Reisenden (von Kröterich weniger) voller Bewunderung in Worte gefasst wird. Mittels seiner Bilder tritt auch die Verehrung für dieses Land zutage, so fremdartig es ist, so schön ist es auch.
Feinste Unterhaltung, lustig, sensibel und spannend erzählt, mit perfekter Illustration bebildert. Fast so gut wie das Original. 🙂
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Dienstag, 18. Februar 2014
Irgendwo in der Tiefe Russlands, hoch im Norden, inmitten der verschneiten Einsamkeit geht ein Flugkörper nieder. Die Armee, die binnen kürzester Zeit auf den Absturz aufmerksam wird, entsendet ein Suchkommando. Das Wrack lässt sich technologisch nicht einordnen. Die Militärs halten jedoch weitere Nachforschungen für unabdingbar. Die Spur führt nach Afrika. Ein Tauchgang mit neuartigen Geräten birgt unerwartete und unerklärliche Erkenntnisse unter Wasser. Das Auftauchen führt die beiden Agenten verschiedener Nationen in eine lebensgefährliche Situation sehr weltlicher Natur. Ganoven wähnen die Forscher im Besitz von Schätzen monetärer Natur. Sie liegen damit vollkommen falsch.
Wenn Außerirdische die Erde besuchen würden, wie nähmen sie mit uns Kontakt auf? Wenn sie in der Vergangenheit schon hier gewesen wären, hätten sie sich bei uns gemeldet? Warum hätten sie unseren Planeten überhaupt besuchen sollen? Welchen triftigen Grund sollten sie dafür haben? Und wenn sie kämen, wie würden sie sich verhalten? Wichtige Fragen mit denen sich nicht nur die Macher von Star Trek oft genug beschäftigt haben, sondern auch die beiden Comic-Künstler Rodolphe und Leo. Sie betrachten die Szenerie aus der eher ohnmächtigen Position der Menschen heraus, die zuschauen, Forschungen anstellen und mutmaßen, welche Gründe eine fremde Intelligenz für einen Besuch haben könnte.
Der interessierte Science Fiction-Fan findet hier neben einem in dieser Form selten bedienten Szenario auch einen ungewöhnlichen Schauplatz vor. Der Victoriasee, ein Miniaturmeer inmitten eines Landstrichs, der eine solche Ansammlung von Wasser nicht vermuten lässt. Rodolphe (Szenario und Dialoge) und Leo (Szenario und Zeichnungen) haben eine illustre Gruppe an das Ufer des Sees gebracht. Russische Agentin, eine britische Agentin und ein amerikanischer Autor, der unverkennbar historische Vorbilder besitzt. Sie alle geraten in ein Abenteuer, in dem die Spannung gärt, denn an jeder Stelle kann sich der Leser fragen: Wann schlagen die Außerirdischen wieder zu?
Leo, der Veteran auf dem Gebiet mysteriöser Stoffe wie der Science Fiction-Saga, die sich in den Reihen Aldebaran, Betelgeuze und Antares findet, hat mit Rodolphe die Vergangenheit des Kalten Krieges für sich entdeckt. Bereits in anderen Szenarien, vorwiegend Fernsehserien wurden natürlich Übergriffe fremder Spezies auf irdischen Boden thematisiert, aber nur selten wurde derart glaubwürdige Motive eingebaut. Motive, die angesichts terrestrischer Ereignisse und menschlicher Verhaltensweisen Sinn ergeben.
Leos Art zu zeichnen, im schmetterlingsleichten Strich, passt hier ganz besonders zur Form aus Abenteuer und halbdokumentarischem Stil der Erzählung. Es ist genau diese Einfachheit, die auch in diesem Band beeindruckt, denn Leo hat die Reduzierung im Einklang mit einem haargenauen Strich zur Kunstfertigkeit erhoben. Die Technik eignet sich für kleinere Ansicht ganz hervorragend, funktioniert aber auch bei großformatigen Ansichten, halbseitigen oder ganzseitigen Bildern.
Dinosaurier! Das Rätsel um urzeitliche Wesen liegt neben dem um extraterrestrische Besucher gleichauf. Mit diesen Kreaturen, bereits auf den Titelbildern der ersten drei Bände mehr als nur angedeutet, vermag es Leo imposant zu spielen. Natürlich ist die Faszination für Dinosaurier die Grundlage für den Spaß an den Bildern. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Kreaturen gezeigt werden, bindet sie außerdem mit Fingerspitzengefühl und Sinn für Bildkomposition in die Geschichte ein.
Geheimnisvoll wie Lovecraft, spannend wie Leos alleinig erzählte Science Fiction-Saga, gewohnt fein gezeichnet. 🙂
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Samstag, 15. Februar 2014
Billy Batson ist alles andere als ein Musterknabe. Die für ihn verantwortliche Jugendfürsorgerin Mrs. Glover preist ihn bei dem neuen interessierten Ehepaar an, verheimlicht aber seinen Sturkopf und seinen immer wieder unter Beweis gestellten Ungehorsam. Aber Billy spielt wenigstens kurzzeitig mit, so dass Familie Vasquez sich freut, ihn in ihrem Zuhause aufzunehmen. Neben fünf anderen Pflegekindern, die sich im Hause Vasquez daheim fühlen und trotz ihrer Unterschiedlichkeit einen engen Familienverbund bilden. Leider hält Billy Batson von dieser heimeligen Atmosphäre rein gar nichts.
Andernorts sucht der letzte aus dem Rat der Magier nach einer ganz besonderen Person, die fähig und willens ist, eine nicht minder besondere Kraft in sich aufzunehmen. Die Sucher gestaltet sich außerordentlich schwierig, da jeder Kandidat nicht die erforderlichen Qualitäten eines Helden mitbringt. Geoff Johns, der Autor des Neustarts von SHAZAM! schildert den Anfang der Handlung nicht ohne ein Augenzwinkern. Besonders mit Billy Batsons neuen Geschwistern hat er ein besonders feines Händchen bewiesen. Obwohl sie im weiteren Verlauf, für SHAZAM!-Fans keine Überraschung noch eine wichtige Rolle spielen, ist ihre Rolle gerade im Familienverbund mit Gefühl und der typisch amerikanischen Erzählerfreude inszeniert.
Gary Frank nimmt unter den realistisch zeichnenden Künstlern noch einmal eine Sonderstellung ein, da er mit seinem Strich noch das letzte Quäntchen Echtheit aus seinen Figuren herauskitzelt. Es dauert ein wenig, bevor die Superhelden-Action in SHAZAM! im neuen DC-Universum losgeht, deshalb darf der Leser einen Blick auf ganz normale amerikanische Verhältnisse werfen. Straßenszenen, Familienleben, Kinder und Teenager unter sich. Allein wie Gary Frank hier bereits arbeitet, ohne mit Machos und Muskeln gestalten zu können, ist toll anzusehen. Wünschenswert wäre es, wenn er eine Arbeit bekäme, die diese Atmosphäre vollkommen von mir fordert. Er wäre bestimmt ein guter Kandidat für einen Krimi im Stile von Sleeper oder Gotham Central.
Sind die Superhelden erst einmal geboren, in einer Konstellation, die an eine Mischung aus Highlander und Big erinnert (Junge altert binnen Sekunden zum Erwachsenen, Muckis inklusive und einiger besonderer Fertigkeiten), beschreibt Geoff Johns folgerichtig das, was wohl jeder erst einmal tun würde, der unversehens in eine derartige Situation gerät. Das ist nicht ganz Party, aber mit einen drauf machen trifft es ganz gut.
Viele Zeichner haben nicht nur ihren eigenen Strich, häufig kreieren sie auch ihre ganz eigenen Charakterzüge. Figuren aus ihrer Feder haben eine Handschrift, die sich allenfalls in Verwandtschaft zu anderen Künstlern bewegt, aber auf jeden Fall eigen bleibt. So verhält es sich auch mit Gary Frank, der in der Liga eines Steve Dillon (Preacher), eines John Buscema (Conan) oder auch eines Jim Lee (Superman) spielt. Letzteres Betätigungsfeld teilt sich Frank sogar mit Lee, lebte aber dort grafisch seine Bewunderung für den verstorbenen Christopher Reeve in Spitzenportraits aus.
SHAZAM! ist neben der anderen herausragenden Zusammenarbeit von Geoff Johns und Gary Frank, Batman: Erde Eins, ein toller Neustart, einerseits nostalgisch anmutend, bricht er doch nicht mit den Traditionen der Superhelden-Entstehung, andererseits schöpft er im weiteren Verlauf das volle grafische Potential im Superhelden-Bereich aus, mit perfekt mystischen Eindrücken, schön passend gestaltet, und einigen ganzseitigen Bildern, die richtige Kracher sind und Posterqualität besitzen.
Toller Auftakt, neben vielen anderen Neustarts innerhalb des DC-Universums, ein Tipp für jeden Superhelden-Fan, der runde Geschichten und noch bessere Zeichnungen mag. Klasse! 🙂
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Montag, 10. Februar 2014
Die Blume der Erinnerung. Sie könnte den Vater von Prinz Golias aus der Dunkelheit seines Geistes ins Licht zurückführen. Doch der Preis, den Gott Kronos für diese Blume verlangen würde, könnte immens sein: Lebensjahre. Außerdem würde Golias alles unternehmen, um seine über alles geliebte Schwester zu retten. Hilfe könnte eine Priesterin der Artemis bringen, indem sie ihn auf die rechte Spur zur verlorenen Verwandten führt. Eine Richtung findet sich, doch keine, die einem Bruder gefallen mag, denn sie endet zunächst auf dem örtlichen Sklavenmarkt. Eine im wahrsten Sinne bezaubernde Melodie erklingt und ein schlagkräftiger Tumult entbrennt.
Serge Le Tendre führt die, um im Thema zu bleiben, zauberhafte Handlung in einem klassischen Griechenland fort. Ein Prinz befindet sich auf seiner eigenen kleinen Odyssee, mit Freunden an seiner Seite, zu Wasser und zu Lande, getrieben und selbst auf der Jagd. Der Beginn darf getrost als Verschnaufpause für Golias wie auch für den Leser bezeichnet werden, denn sobald sich die Helden einschiffen, befindet man sich sofort im Abenteuer, in einer gelungenen Mixtur aus Elementen alter Göttersagen und neuerer, moderner Erzählformen, wie sie Romane und Kino in diesen Bereichen transportieren. Und es ist gerade diese Mischung, die übertriebene Härte scheut und einen guten Teil der Magie und göttlichen Wunder bevorzugt, die aus dem 2. Teil von GOLIAS eine märchenhafte Angelegenheit machen, eine echte Alltagsflucht, auf der Couch oder anderswo, ganz nach Belieben.
Golias: blond, sportlich, freundlich, herzlich, heldenhaft. Jerome Lereculey zeigt mit ultrafeinen Linien diese traumhafte Welt, die von Seite zu Seite, je mehr sich die Handlung entwickelt, immer sagenhafter wird. Stilistisch bewegt er sich auf einer Ebene mit Christian Rossi, Michel Blanc-Dumont oder John Cassaday, allesamt Vertreter eines sehr leicht wirkenden Zeichenstils, dünnsten Strichen, klarsten Formen, mit starkem Realismus bei menschlichen Motiven und ihrer Umgebung. Sie sorgen für viel Lebendigkeit in ihren Bildern. So ganz besonders Jerome Lereculey, der in der zweiten Hälfte des Albums die beiden hervorstechenden Helden Golias und seine Schwester Aerena in wahnwitzigen wie auch wunderschönen Situationen zeigen darf.
Satyrn und andere Sagengestalten bevölkern dieses Abenteuer, auch in all der Pracht, die ihnen jeweils zueigen ist. Oder in der treffenden jeweils gruseligen Erscheinung, die angemessen ist, ohne ein furchtbares Äußeres über Gebühr zu bemühen. Die Sirenen sind so in dieser Gestalt nicht oft zu sehen, die Satyrn sind auf gewisse knuffig, ein Pegasus strahlt wie immer. Jerome Lerekuley zeichnet das geflügelte Pferd außerordentlich schön, stark und in den jeweiligen Szenen besonders frei und ungebändigt.
In solchen und ähnlich gelagerten Bildern, auch die Helden selbst betreffend, liest das Auge aus der Haltung, der Konstellation und den Gesichtern mit. Lässt man die Action, die Magie, die göttlichen Eingebungen beiseite, gibt es Bilder, die in dieser Kameraführung und im Ausdruck auch im französischen Film zu finden sind. So wirkt Aerena teils wie eine französische Schauspielerin, gerade gegen Ende, wenn sie verstärkt ins Zentrum rückt. Golias selbst schwankt zwischen jugendlichem Helden und Lausbub und erfährt auch durch Jerome Lerekuley eine entsprechende Darstellung, ohne einer zur Zeit gängigen Heldenschablone zu folgen.
So schön kann die griechische Sagenwelt sein: toll gezeichnet, sehr realistisch, fast zart zu nennen. Mit viel Humor, jugendlich erzählt, ohne kindlich zu sein. Ein Held mit dem Zeug zum jungen Klassiker. 🙂
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Samstag, 08. Februar 2014
Die Zeiten sind für Sklaven im Süden der Vereinigten Staaten sehr schlecht. Weitaus besser sind sie für Kopfgeldjäger, gefährlich, aber einträglich. Django steht als Bestätigung für die erste Aussage in einer Reihe mit anderen Sklaven, durch die Prärie getrieben von zwei brutalen Sklavenhaltern. Dr. King Schultz steht für die zweite Aussage. In einer dunklen Nacht treffen die beiden Männer aufeinander, ein Glück für beide. Dr. Schultz handelt keineswegs uneigennützig. Django hat Kenntnis von einigen Männern, die für Dr. Schultz bares Geld wert sind. Am Ende der Zusammenarbeit soll für Django nicht nur die Freiheit stehen. Der Doktor will ihm auch helfen, seine Frau wiederzufinden. Und ganz nebenbei erlernt Django auch noch die Kopfgeldjagd, um für ein späteres eigenes Auskommen gerüstet zu sein.
Django lernt schnell, zumal der Hass ihn antreibt. Dr. Schultz gibt Django als freien Mann aus, ein Kuriosum in einem Süden, besonders, da Django zunächst einen sehr ausgefallenen Kleidungsgeschmack besitzt. Das hindert ihn nicht, seine Rache allein und ohne zu fragen in Angriff zu nehmen. So bleiben die ersten Schwierigkeiten nicht aus. Denn ein Plantagenbesitzer kann es überhaupt nicht leiden, wenn zwei Fremde ihm nicht nur auf dem eigenen Grund und Boden Vorschriften machen wollen, sondern auch noch seine Angestellten töten. Deshalb steht bald schon die nächste Lektion von Dr. Schultz auf den Plan. Wie wehre ich mich gegen eine Horde schießwütiger Südstaatler mit Säcken auf dem Kopf?
Quentin Tarantino, dessen jüngstes Westerndrehbuch nach einer allzu frühen Veröffentlichung nun vielleicht auch als Comic erscheint, breitet seine Geschichten sehr gerne sehr weit aus, so weit, dass sie die Längen normaler Filme sprengen würden. So verhielt es sich auch mit DJANGO UNCHAINED. Er hätte, dieser Meister des Regiestuhls und Kinofan, noch länger drehen können, wie die vorliegende Comic-Umsetzung beweist, die sich am Ursprungsdrehbuch orientiert. Kapitel für Kapitel beleuchtet die Adaption von Reginald Hudlin zuerst das Verhältnis von Django und Dr. Schultz, bevor Ausflüge in die Vergangenheit, so auch in jene von Bromhilda, Djangos Frau, die Geschichte noch mehr vertiefen und die Ursachen für jede Menge Hass und Rachegelüste freilegen.
Verschiedene Zeichner sorgen für unterschiedliche grafische Ansätze. Von leicht und zerbrechlich bis schwer und holzschnittartig, von experimentell europäisch bis klassisch amerikanisch gibt es optisch einiges zu entdecken. Mit dieser Adaption lehnen sich die Zeichner auch nur an die Verfilmung an und vermeiden es, sich sklavisch an die darstellenden Schauspieler und ihre äußere Erscheinung im Film zu halten. R.M. Guera, ein Sachen Western erfahrener Comic-Künstler (Scalped), sticht hier als Künstler ebenso hervor wie Denys Cowen, ein Veteran in Sachen Superhelden.
R.M. Guera führt im Strich eine optische Verwandtschaft zu Eduardo Risso, mit sehr feinen Linien, zerbrechlichen Figuren und klar definierter Optik. Das geht aber auch in die Richtung von Loveless (auch eine Westernserie bei Vertigo, genau wie Scalped), gezeichnet von Marcelo Frusin. Insgesamt wird hier eine grundlegende Stilistik des Genres deutlich. Sehr genau, hart, mit starkem Blick auf die Charaktere und einer Mischung von Stilen, auch in den Arbeiten nur eines Zeichners, um zeitliche Sprünge noch besser voneinander abzusetzen. Aus dem Originaldrehbuch haben die Künstler ein pralles Buch mit einer stolzen Reihe von Bildern erarbeitet, die eine ebensolche Zahl an Facetten mehr bietet als der Kinofilm.
Eine sehr dichte Geschichte, die sich enorm Zeit ablässt, seine Charaktere vorzuführen, in ein paar interessante Nebenstränge abgleitet und einen Mann im Hintergrund hat, dessen Macht an wenigen, aber entscheidenden Stellen deutlich wird. Szenisch packend, ein moderner Western, der es in sich hat. 🙂
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Links:
www.rmguera.com (Homepage von R.M. Guera)
www.comicfestival-muenchen.de/?page_id=1634 (R.M. Guera auf dem Comicfestival München mit weiteren Infos zu DJANGO UNCHAINED)
Dienstag, 04. Februar 2014
Einfacher Plan. Von oben kommen, im Schutz der Nacht. Über dem Dach niedergehen und das Einsatzteam absetzen. Die gehen rein, leise, schleichen zum Zimmer, wo die junge Frau gefangen gehalten wird und bringen sie auf ebenso leisen Sohlen wieder raus. Leider will die Frau nicht mitgenommen werden. Die Gegenwehr ist brachial und kompromisslos. Das Einsatzteam rennt blindlings in eine Falle. Mit einem großen Knall löst sich die gut gemeinte Befreiungsaktion in Rauch auf. Greg Colinas, ein Cop, hat ein anderes, weniger lebensgefährliches Problem. Man hat ihm alle Sachen geklaut. Bis auf die Unterhose hat man ihm alles abgenommen, denn in South Central lässt sich alles zu Geld machen, sogar gebrauchte Socken.
Hinter den Kulissen tobt ein Fall, in dem sich Politik mit Gangstern einlässt. Stadtrat McAdams Tocher wurde entführt. Für die Polizei steht das Wohl der jungen Frau ganz oben in der Liste. Ein wirklichen Schritt sind sie bisher noch nicht weiter gekommen. Zahlreiche Informationen fügen sich jedoch zu einem Bild zusammen, das Mutmaßungen entstehen lässt. Es sind keine guten Schlussfolgerungen, auch lassen sie glauben, dass sich die Suche nach McAdams Tochter langsam zu einem Wettrennen entwickelt. Und der Endspurt wird verdammt schmutzig.
Atmosphäre: Antonio Sarchione (Zeichner) und Lou (Farben) gelingt das Kunststück, die Welt von South Central mit außergewöhnlicher Authentizität ins Leben zu rufen. Es ist erst Mai und dennoch hält die Hitze die Stadt bereits gefangen. Die städtische Atmosphäre, will man einen cineastischen Vergleich, erinnert an den Start von Predator 2. Banden beherrschen ihr Gebiet. Wer als Polizist in diesem Kalifornien arbeitet, das sich von den mittlerweile faschistisch regierten Vereinigten Staaten abgespalten hat, hat ein hartes Leben. C.O.P.S. steht für Central Organisation for Public Security. Anfangs experimentell aufgestellt, ist die Truppe innerhalb des LAPD, Los Angeles Police Department von Jahr zu Jahr weniger gut angesehen. Wer den zweiten Teil von C.O.P.S. – Absturz in South Central liest, wird diese Ansicht nicht teilen.
Marc Sautriot hat einen knallharten Thriller geschrieben, ein wenig in der Zukunft angesiedelt. Die Atmosphäre, um einen anderen Vergleich zu bemühen, erinnert auch an Zustände in Mexiko, wo sich Normalbürger zu Milizen zusammenschließen, um gegen Drogenkartelle zu kämpfen. Offizielle Stellen scheinen machtlos zu sein. Ermittlungen münden beinahe in kriegsähnliche Handlungen. Besitzt das Titelbild beinahe etwas von der Atmosphäre eines Vietnam-Kriegsszenarios, tauchen die Bilder von Antonio Sarchione dank der Farbgebung durch Lou in ein grelles, sommerliches Licht, teils schon psychedelisch zu nennen. Vergleiche zu weitaus früheren Comictagen werden wach, als Künstler wie Jean Geraud und andere mit knallenden Farben experimentierten.
Dies ist auch das Stichwort zum Zeichner Antonio Sarchione selbst, der stilistisch mit dem Meister mithalten kann, zuweilen auch an Eduardo Risso erinnert (100 Bullets) und mit sehr individuellen Figuren punktet. Die technischen Abbildungen, Straßenzüge und Ansichten, Perspektiven generieren ein sehr realistisches Ambiente, bestimmt angelehnt an cineastische Blickweisen. Die Handlung beinhaltet sehr viele Charaktere, Einsatzkräfte und Kriminelle gleichermaßen. Diese, vor allem in Massenszenen, zu inszenieren gelingt immer bis hin zu einem packenden Finale mit Wechseln in Perspektive und Schauplatz.
Nicht nur im Sinne eines Thrillers, auch in Sachen Action geht es ordentlich zur Sache. Hier werden entsprechende Bilder nicht ausgespart. Sie werden nicht über Gebühr strapaziert, nicht zum Selbstzweck erklärt, aber wo Gewalt die Szene beherrscht, folgen die Grafiken auch den aktuellen Sehgewohnheiten des Kintopps.
Schnörkellos, zwischenzeitlich auch hart, erzählt Marc Sautriot einen runden Thriller, spannende Wendungen inklusive. Das grafische Duo, Antonio Sarchione und Lou, hebt das Szenario auf Kinoniveau, sehr realistisch gestaltet. Die Kenntnis der ersten Folge dieses hiermit abgeschlossenen Zweiteilers ist sinnvoll für ein packendes Lesevergnügen. 🙂
C.O.P.S. – Absturz in South Central 2: Bei Amazon bestellen