Als Neuling, selbst in einer bewachten Umgebung, hat man es nicht leicht. Selbst wer frei ist, führt ein Leben wie im Gefängnis. Bewacht zu sein, bedeutet nicht, beschützt zu sein. So wird die junge Ellie kurz nach ihrer Ankunft bereits verprügelt. Aber aufgeben will sie nicht. Der Junge ist viel größer, er ist kräftiger und er hat keinerlei Probleme damit, ein Mädchen zu schlagen. Nachdem sich Menschen in monströse Kreaturen verwandeln, ist die Moral bei den nichtinfizierten Menschen zu einem großen Teil auf der Strecke geblieben. Aber ein paar Menschen gibt es immer noch, die den Versuch wagen, einander beizustehen. So lernt Ellie Riley kennen. Und mögen.
Wer hier einen lustlosen Lizenzcomic erwartet, wird bitter enttäuscht. So schrieb es Sarah Burrini und trifft damit den Nagel auf den Kopf. THE LAST OF US mit dem Untertitel American Dreams steht auch ohne Computerspiel, dem es hier die Vorgeschichte bietet, sehr gut alleine auf beiden imaginären Beinen. Wer sich den Zeichenstil von Faith Erin Hicks, hier auch als Co-Autorin tätig, anschaut, wird in meinen Augen keinen Indie-Comic-Stil vorfinden. Vielmehr mischt sich in die amerikanische Comic-Szene eine Zeichnerin, die stilistisch sofort in der europäischen Graphic Novel durchstarten könnte. Auf Augenhöhe mit kontinentalen Zeichnern wie Frederik Peeters (RG – Verdeckter Einsatz in Paris) und Fane & Jim (Sonnenfinsternis) ist durch Faith Erin Hicks ein Comic entstanden, in dem sich der Horror schleichend einstellt.
Im Vordergrund steht nicht die Katastrophe, die vor 19 Jahren (zur Startzeit der Geschichte) eingetreten ist. Zwei Mädchen weisen den Leser in diese Welt ein. Die alte Zivilisation ist komplett verschwunden. Es gibt Relikte, mehr nicht. Die beiden sind in einem Alter, in dem sie nie eine gewisse Normalität kennen gelernt haben. Dank Faith Erin Hicks‘ Zeichenstil finden sich auch ein paar Mangatechniken im Comic. Es ist eine feine Mixtur, die sich hier zu einem sehr eigenständigen Stil verbindet. So sind die Bewegungsabläufe in hektischen Situationen deutlich angelehnt, aber insgesamt fetter ausgeführt. Mit einer lockeren Tuschearbeit, die auch einem Klaus Janson (einem Inker, der häufig an der Seite von John Romita Jr. arbeitet) zu Gesicht stehen könnte, finden sich zusätzlich auch amerikanische Einflüsse.
Die Mädchen besitzen rundliche, offene Gesichter und unterscheiden sich mehr durch Haarfarbe und Kleidung als durch ihre Physiognomie. Gleichzeitig aber ist ihr Auftreten für den Leser sehr sympathisch. Es ist nicht schwer, für die beiden Mitgefühl zu entwickeln. Und der Horror? So könnte die Frage lauten. Es gibt keine riesigen Horden. Sie tauchen vereinzelt auf, diese Untoten, wahnsinnig geworden durch eine Infektion, mehr oder minder missgestaltet in frühen Stadien der Verwandlung. Von den späteren Stadien, wie sie der Spieler in The Last Of Us antrifft, findet sich hier nichts. So ist der Schrecken vergleichbar mit Szenarien wie 28 Days Later. Schnell zuschlagender Horror, der gerade durch seine menschliche Erscheinung in die Magengrube trifft.
Die Titelbilder, der hier zusammengefassten Hefte, gemalt von Julian Totino Tedesco verdienen eine gesonderte Erwähnung. Sie mögen am Rechner entstanden sein (oder tatsächlich am Zeichentisch mit echten Farben) oder auch nicht. Das Endergebnis hat es künstlerisch in sich und hebt sich auch erfreulich von anderen Publikationen ab. Eines der vier Bilder ziert auch den Titel des vorliegenden Sammelbandes. Ein intuitive Farbgebung, das Spiel mit richtungsweisenden Farben, die Stimmungen vorgeben und auf eine unterschwellige Bedrohung setzen, auch Theatralik, wie die Positionierung der Figuren beweist. Mehr als üblich erinnern die Bilder an Szenenfotos, wie sie gerne auch als Werbung für kommende Theaterstücke verwendet werden, so dass mehr als nur eine Szene eingefangen wird.
Ein auf den Punkt treffender Comic zum Spiel, der vollkommen alleine, ohne Vorwissen (oder Nachwissen) genossen werden kann. Faith Erin Hicks, Zeichnerin und Co-Autorin, sollte in der Comic-Szene im Blick behalten werden. Mehr als nur Horror und Endzeitszenario, auch eine sehr gute Geschichte mit fein konstruierten Charakteren. 🙂
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