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Comic Blog


Samstag, 13. Oktober 2012

Winzling 2 – Das Geheimnis

Filed under: SciFi — Michael um 17:58

Winzling 2 - Das GeheimnisIn einer Welt, in der Männer keine leeren Drohungen verbreiten, wenn sie eine Vergewaltigung ankündigen und anschließend den Rest auffressen wollen, hat Baghira früh gelernt, sich zu wehren. Die Männer überleben ihren Angriff nicht. Für den Winzling ist dieses Ereignis ein Wendepunkt. Bisher fühlte er sich zusehends daheim. Nun sucht er einen neuen Weg. Nur sein Hund Rudyard darf ihn begleiten. Der Winzling findet zu seinem alten Leben zurück, das er auch ohne Erwachsene meistern konnte. Eines Tages gelangt er zur großen Stadt, die die Erwachsenen in seiner Umgebung bislang gemieden haben. Schnell begreift der Winzling, der nun auch auf den Namen Mowgli hört, warum.

Der Winzling fühlt sich im Dschungel nicht mehr daheim. War es zu Beginn noch ein Problem, den Jungen überhaupt in menschliche Gesellschaft zu integrieren und seine Wildheit zu zähmen, sucht er nun eine noch viel größere Nähe. Doch jemand wie Baghira, eine Frau, die vieles erleiden musste, ist weit davon entfernt, eine Mutter sein zu wollen. Die geschichte verlagert sich aus dem Dschungel in die Reste einer großen Stadt, die Reste der Zivilisation und Crisse, der Autor, dem der Fingerkniff gelungen ist, das Dschungelbuch in eine postapokalyptische Zukunft zu transportieren, diesem häufig thematisierten Untergang neue Seiten abzugewinnen.

Die Erwachsenen haben eigentlich schon aufgegeben. Gefangen zwischen der Trauer über das Vergangene und den Wünschen, es möge besser werden, finden sich immer mehr Kinder zusammen, die kaum etwas von dieser Vergangenheit wissen und nur noch eine neue, tatsächlich bessere Zukunft wollen, in der sie nicht durch die Erwachsenen gepeinigt werden. Aus dem Winzling wird langsam eine Führungspersönlichkeit.

Das schlechte Gewissen und die Vergangenheit treibt Winzlings bisherige Bezugspersonen Baghira und Balu um. Aus dem schwarzen Panther des ursprünglichen Abenteuers wurde eine schwarze junge Frau, mehr als fähig sich zu verteidigen. Aus dem Bär wurde ein gescheiterter Wissenschaftler, der in seiner Vergangenheit maßgeblich am Untergang mitbeteiligt war. Der Winzling, ein bemerkenswerter Aspekt seiner Persönlichkeit, kennt die Ängste einer Vergangenheit kaum. Es gibt so gut wie keine Baustellen aufzuarbeiten. Der Winzling lebt sein Leben jetzt aus der aktuellen Situation heraus.

In der allgemeinen Situation, auf die Stadt bezogen, die streng regiert wird, nur eine begrenzte Anzahl Menschen hinein lässt, wirkt das Szenario nicht sehr realitätsfern, mischt man einige tatsächlich existierende Gegebenheiten weltweit zusammen in einen Topf, auch solche aus der jüngeren Vergangenheit. Gemessen an der Realität hält sich die zweite Folge von Winzling mit dem Untertitel Das Geheimnis noch zurück. Gewalt wird angedeutet und wird ein Kind von einem Erwachsenen angesprochen, schwingt die Befürchtung über kommende Ereignisse gleich mit. Das Szenario ist in seiner Gesamtheit für jugendliche Leser geeignet, gleichwohl schafft es Crisse das Gefühl der kontinuierlichen Bedrohung über die gesamte Länge des Bandes aufrecht zu erhalten.

Marc NGuessan karikiert den Realismus ein wenig, gibt den Charakteren Formen, die besonders auffällig bei Bösewichtern sind. Kaa, eine zwielichtige Figur, wie auch Shir Khan, ein militärischen Befehlshaber, sind Beispiele hierfür. Dicht gestaltete Kulissen erschaffen ein breites Bild dieser Zukunft, die sich selbst durch Vernichtungskriege ausgelöscht hat. Leicht gezogene Außenlinien, mit dynamischen unterschiedlichen Strichstärken, mit dem richtigen dramatischen Effekt gesetzte Schwarzflächen schaffen bereits viel Raum, der durch die Kolorierung ein tageszeitlich überzeugendes Licht erhält und auch die Vergangenheit in eine tröstlich helle Farbgebung taucht.

Eine sehr gelungene Neuinterpretation in dieser zweiten Folge, keine Adaption im herkömmlichen Sinne. Crisse und Marc NGuessan setzen neue Anreize, diese Geschichte zu lesen und nehmen den Leser von einer Spannungsspitze zur nächsten mit, ohne dabei ein lautes Spektakel zu veranstalten. 🙂

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Donnerstag, 11. Oktober 2012

Perry – Unser Mann im All 140

Filed under: SciFi — Michael um 18:13

Perry - Unser Mann im All Nr. 140 - Alarm auf ArkonRaumschiffe sollten eine Kugelform haben. Das neue Schiff hingegen hat die Form einer Halbkugel, ist also halbfertig. Die Freunde um Perry, ja, sogar er selbst, sind angesichts der merkwürdigen Form mehr als skeptisch über den Verlauf der Mission. Besonders, da sich jemand, der bei einem offiziellen Anlass mit so einer Konstruktion auftaucht, sich garantiert lächerlich macht. Perry muss bald feststellen, dass es schön gewesen wäre, hätte man sich nur der Lächerlichkeit preisgegeben. Es wäre unkomplizierter gewesen. So liegt die kleine Mannschaft alsbald, von Gastgeber Bostich gefangen genommen, auf Foltertischen und kann nichts unternehmen. Aber Rettung naht.

In Ausgabe 140 präsentiert sich die Reihe Perry mit 65 Seiten prall und sehr bunt, sehr unterhaltsam und abwechsungsreich. Die Hauptgeschichte erzählt dem Leser eine aktionsreiche Handlung, die für enge Freunde des Mannes aus dem All Überraschungen bereit hält. Vincent Burmeister und die Alligator-Farm-Kampfzeichner-Kru haben mit flottem Strich Bilder zu Papier gebracht, von denen sich der Fan auch gerne längere Abenteuer erhofft.

Im Herzen des Reiches von Imperator Bostich angesiedelt, kann der Leser sich außerdem in der doppelseitigen Risszeichnung einen Überblick über den Arrestbereich des Palastes verschaffen. Ein kleine Hintergrundbeschreibung zur Figur des Monkey und ein paar kleine Produktionsbilder runden diese große Geschichte ab.

Mit Leibwache, toll illustriert von Manuel Clavel geht es abenteuerlich, aber auch mit einem Augenzwinkern vorgetragen, weiter. Weiche, klare Formen und eine sehr plastische Kolorierung machen aus dieser Episode den zweiten Höhepunkt des vorliegenden Heftes. Weiterhin komische Einschübe, mehrseitig, doppelseitig, einseitig tragen die gewohnt humoristische Linie des Magazins weiter. Picknick auf Schwammerl III ist ein gutes Beispiel für einen gespielten Witz, kurz, knackig, auf den Punkt.

Blick hinter die Kulissen: Die Reihe Perry ist ein Projekt der Idealisten. Autoren und Zeichner arbeiten unbezahlt, einzig in der Herstellung müssen Kosten aufgebracht werden. Doch die Geschichten zu schreiben und zu zeichnen, ist ein nicht unerheblicher Zeitaufwand, den sich nicht viele leisten können. 18 Zeichner haben das Projekt nun, die Hauptgeschichte, gemeinsam auf die Beine gestellt, stilistisch auf einen Strich gebracht und das Ergebnis kann sich mehr als nur sehen lassen, könnte für derlei Projekte sogar wegweisend sein.

Weiterhin nicht nur für Fans von Perry, aber ganz besonders, ist der Mann aus dem All mit neuen Abenteuern am Start, sogar mit einer besonders langen Folge. Ein schönes Projekt. 🙂

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Sonntag, 07. Oktober 2012

Der Selbstmörderclub

Filed under: Mystery — Michael um 16:12

Der SelbstmörderclubDes Lebens überdrüssig? Sterben? Dafür gibt es den Selbstmörderclub. Nur ist diese Form des Selbstmordes nicht ganz so einfach, auch vor das Ableben kann eine Aufgabe gestellt sein. Eine, die vielleicht schlimmer als der eigene Selbstmord ist. Prinz Florizel, der mit seinem treuen Oberst Geraldine von einem Unbekannten in diesen Club eingeladen wird, findet diese Versammlung, die sich wie die übliche Männerinstitution ausnimmt, zunächst nur befremdlich. Doch dann beginnt das Spiel. In der Runde werden zwei Karten gezogen. Das Kreuz As bestimmt den Mörder. Das Pik As bestimmt das Opfer. Niemand verlangt von Mitgliedern, selbst Hand an sich zu legen. Aber die Regeln wollen befolgt werden. Wer zum Tode bestimmt ist, der hat sich daran zu halten.

Robert Louis Stevenson, der mit seiner Schatzinsel Berühmtheit erlangte, mit seiner Erfindung von Dr. Jekyll und Mr. Hyde nachhaltig beeindruckte, wusste auch mit dieser Geschichte den Nerv des Lesers zu treffen, indem er einen teuflischen Club erfand. Sterben wollen sie alle, jene, die dem Club angehören. Sie machen sich sogar einen Spaß daraus. Nur die Sache mit dem Töten steht auf einem ganz anderen Blatt. Bevor der Tod selbst empfangen wird, kann es sein, es muss nicht, dass man selbst zum Mörder wird. Die Figur des ehrenhaften Prinzen Florizel erkennt sehr bald die Boshaftigkeit des Clubpräsidenten und beschließt, den menschenverachtenden Machtspielchen ein Ende zu setzen.

Clement Baloup hat eine Erzählung des Autors, erschienen 1882, für das Medium Comic adaptiert. Die Art und Weise, wie der Präsident mit den Clubmitgliedern im wahrsten Sinne des Wortes spielt, ein erweitertes, mit höheren Chancen durchsetztes russisches Roulette, lässt an Begegnungen mit dem Teufel denken, wenig faustisch hier, dafür mit weitaus mehr Satan angereichert. Der Prinz nimmt den Kampf auf, der anfangs ungleich scheint. Daraus wird eine Jagd, die schnell zeigt, wer hier der Herr der Ränkeschmiede ist. Am Ende muss es zum Kampf kommen und wer diesen gewinnt, kann aus Sicht des Lesers nicht vorher gesagt werden.

Eddy Vaccaro, verantwortlich für Zeichnungen und Farben, wählt eine luftig leichte Grafik, dünne Striche, weiche Farben mit dem Spektrum alter Fotografien, auch bereits verblasst vom Zahn der Zeit. Mitten hinein setzt Vaccaro treffen einfach gestaltete Figuren, in Richtung klarer Linie tendierend, aber wie auf halbem Wege stecken geblieben. Das wirkt intuitiv, künstlerisch freier und gibt viel Raum für Atmosphäre für das Böse, das sich von seinem ersten Rückschlag erholt und zur Gegenwehr ansetzt.

Ein schneller Strich, Aquarellfarben für ein meist unwirkliches, auch geisterhaftes Licht untermalen die immer düster werdende Geschichte, in der Menschen die Dämonen sind. Unter dem Deckmantel pompöser gesellschaftlicher Anlässe, hinter Galanterie und hohem zivilisatorischem Anspruch gärt es und wird das Wort Held bespöttelt. Das Böse glaubt sich unaufhaltsam und wird doch von der Hartnäckigkeit des Guten niedergerungen. So verklären die Bilder die Handlung beinahe in etwas Märchenhaftes, das etwas den Biss aus dieser dunklen Erzählung Stevensons nimmt.

Nicht die übliche Comic-Kost, überaus ernsthaft, mit Anspruch und selbst durch die Ansiedlung in viktorianischer Zeit thematisch zeitlos zu nennen. Hier zeigt sich, dass Stevenson eben nicht nur der Gruselromancier und der Jugendbuchautor war. Die Adaption ist sehr dicht erzählt, stimmig illustriert. Für Freunde von sehr erwachsenen grafischen Novellen einen Blick wert. 🙂

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Samstag, 06. Oktober 2012

Die Abenteuer von Tanguy und Laverdure 9

Filed under: Abenteuer — Michael um 16:13

Die Abenteuer von Tanguy und Laverdure 9 - Operation OpiumDer Lufteinsatz über serbischem Kriegsgebiet ist höchst gefährlich. Im widrigen Wetter, bei meterhohen Wellen kann der abgestützte Pilot im Wasser nur unter Mühen geborgen werden. Doch das Kriegsgebiet ist groß und Unterstützung aus der Luft kann nicht immer und überall zur Stelle sein. Die Piloten des Transportfluges, die Hilfsgüter abwerfen sollen, sehen sich plötzlich einem Luftangriff durch einen Helikopter gegenüber. Abwehrmaßnahmen können einigen Raketen ablenken. Eine trifft. Und damit ist der Überlebenskampf noch nicht vorüber.

Neue Zeichner, famose Optik: In den vorliegenden zwei Abenteuern dieses Sammelbandes geben sich Yvan Fernandez und Renaud Garetta die Ehre. Das bedeutet auch: Zurück den grafischen Wurzeln, wie Albert Uderzo sie zu Beginn der Serie vorgegeben hat. Zwischenzeitlich als Jije die Reihe künstlerisch übernahm, wurden die Grafiken intuitiver. Dem gefühlten Abenteuer wurde deutlicher Vorrang gegeben. Nun steht wieder die Technik und das Miteinander der beiden Hauptfiguren im Vordergrund. Das ist wieder moderner, aber auch klassischer. Freunde des Flieger-Comics, die an Serien wie Buck Danny ihre Freude haben, können diesen 9. Sammelband mit den Abenteuern In serbischer Gefangenschaft und Operation Opium auch als Einstiegsdroge in die Reihe begreifen.

In serbischer Gefangenschaft gibt die ernsthaftere und an historischen Ereignissen orientierte Ausrichtung der beiden Abenteuer vor, die sicherlich auch nicht uninspiriert von entsprechenden Filmen ist. Aber auch damit folgen diese Geschichten der Technik, die auch der erste Erzähler der Reihe, Jean-Michel Charlier, aufgriff. Aber der Leser wird auch den Gebrauch echter Kriegsverbrecher entdecken, gruselig gut erkennbar. Ausgerechnet Laverdure trifft es auf einer seiner Missionen, so dass er gezwungen ist, aus seiner Maschine auszusteigen. Der neue Autor Jean-Claude Laidin macht zuvor mit Laverdure die gewohnten wie auch zu erwartenden Slapstick-Einlagen, bevor es wie in Im Fadenkreuz sehr spannend zur Sache geht.

Yvan Fernandez ist grafisch zwischen den Künstlern Victor Hubinon und Leo einzuordnen. Aber in der perfekten Inszenierung technischer Details, bei Fahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft finden sich auch die Anklänge eines Roger Leloup. Der Strich von Yvan Fernandez bedeutet klassische Schule, in der nichts dem Zufall überlassen wird, kaum ein Schatten verdeckt vielleicht unklare Perspektiven. Keine Einzelheit wird gescheut, selbst wenn der Bildausschnitt noch so klein ist. Die Bilder von Fernandez laden zum Verweilen ein, alles will betrachtet werden. Das ist, wie auch von Laidin erzählt, fast ein wenig Jerry Bruckheimer auf Comic-Seiten.

Renaud Garetta bleibt realistisch, vielleicht nicht mit ganz so hohem Detailgrad, gerät aber mit seiner Darstellung der Figuren näher an den ursprünglichen Zeichner Albert Uderzo heran. In den von Garetta gezeichneten Gesichtern liegt etwas mehr Charakter, mehr Unterschied. Bei ihm sind sie mehr Schauspieler als gezeichnete Charaktere. Operation Opium führt den Realismus fort und greift nach dem Krieg in Serbien den Anschlag auf die Twin Towers am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten auf. In einer Szene begleitet der Leser sogar die Passagiere in der gekidnappten Maschine bei ihrem Anflug auf das nächste Ziel, das Pentagon.

Die Vermischung von derlei dramatischen Ereignissen, die das Weltgeschehen unglaublich beeinflussten, mit einem Comic wirkt zunächst schwierig, ist aber der Auftakt zu einem Militärthriller neuerer Machart, wie er sich ansonsten nur in Romanform (meistens) finden lässt. Da sind die, wenn auch sehr wenigen, Scherze eines Laverdure eigentlich fehl am Platz.

Härter, realistischer als gewohnt, sehr gut illustriert, im Stile moderner Technikthriller erzählt, können die beiden hier zusammengefassten Bände sehr gut zum Einstieg in die Reihe gelesen werden. 🙂

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Mittwoch, 03. Oktober 2012

Himmel in Trümmern 1

Filed under: Biographie — Michael um 17:56

Himmel in Trümmern 1 - Über den WolkenSophie Scholl riskiert alles. An der Universität fällt sie durch ihre Bemerkungen auf. Mit Freunden entwirft sie Flugblätter. Parolen an Häuserwänden sollen aufrütteln. Als Nikolaus Wedekind ihr noch bei den Vorbereitungen hilft, sind seine Gedanken trotzdem schon auf die nächsten Flugstunden gerichtet. Wedekind soll die Me 262 in die Luft bringen, ein Jagdflugzeug, das dank seines Düsenantriebs 150 Stundenkilometer schneller ist als alles, was die Alliierten im Luftkampf aufbieten können. Bald jedoch blickt Wedekind dem Teufel ins Gesicht, da er die Lage vollkommen unterschätzt hat. Als Sophie Scholl auf ihre Hinrichtung wartet, weiß er sich in seiner Verzweiflung nicht mehr zu helfen.

Der Himmel liegt grenzübergreifend in Trümmern. Jene, die den Krieg fortsetzen, haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Und Satan ist selbst nach der Erkenntnis des jeweiligen Bündnispartners, einen großen Fehler begangen zu haben, nicht mehr bereit, auf seinen Lohn zu verzichten, denn der Pakt wurde mit Blut besiegelt. Autor Philippe Pinard nimmt den Leser mit in die Endphase des Zweiten Weltkriegs, als die deutsche Luftwaffe mit einem neuen Flugzeugtyp eine Wende im Luftkampf herbeizuführen. Für jene in der Luft und am Boden war nur allzu deutlich, dass es sich dabei um Phantastereien handelte. Philippe Pinard zeigt gerade jene junge Generation, die es wagte sich aufzulehnen. Die einen mehr, die anderen weniger.

Nikolaus Wedekind, an der Universität in München eingeschrieben und ein Kommilitone von Sophie Scholl, ist von der Herrschenden nicht begeistert, aber er ist nicht dazu bereit, denselben Weg einzuschlagen, wie es seine gute Freundin macht. Zwar hilft er ihr, ein Flugblatt zu entwerfen, das die Missstände anprangert, aber weiter geht er nicht. Die Schwierigkeiten im Land sind im allzu bekannt, er wird auch Zeuge solcher Ereignisse, die den Überwachungsstaat vor Augen führen. Auch weiß er um die tatsächliche Kriegslage, die Zange, die von den Alliierten immer enger gezogen wird und die deutsche Armee letztlich einkesselt. Doch den letzten Schritt, die Fahnenflucht, vollbringt er nicht.

Philippe Pinard beschreibt einen jungen Mann, dem die Lage bewusst ist, der aber auch fliegen will. Der Teufel, der, wie auch im zitierten Faust, in der Gestalt eines Hundes (mit dem treffenden Namen Fisto) erscheint, seziert den Untergang Deutschlands, den Weltenbrand, verhöhnt den jungen Wedekind mit rhetorischer Eleganz. Dabei reitet Wedekind im Cockpit der Messerschmitt Me 262 auf der sprichwörtlichen Kanonenkugel, mit eng bemessenen Zeitplan und sensiblem Steuerknüppel.

Olivier Dauger zeichnet die erste Folge des Fünfteilers mit der klassischen klaren Linie. Streng aussehend, keineswegs verspielt, wie die Linie ansonsten wirken mag. Erinnert das Szenario am Boden an Weltkriegsschilderungen wie Die Entdeckung, mit historischen Begebenheiten und Kriegsalltag im Inland, ist das Szenario in der Luft technisch ähnlich versiert wie ein Buck Danny. Vorerst zählt hier nicht der Luftkampf. Die Maschine, die Me 262, dient zu Anfang zu Schulungszwecken, denn leicht macht sie es ihren Piloten nicht. Die klare Linie lässt die Handlung (gerade bei historischen Szenarien) halbdokumentarisch erscheinen. Farblich wird auf eine zumeist einfarbige Kolorierung von Flächen gesetzt. Nur hin und wieder erzeugen wenige Lichter oder Schattierungen etwas mehr Volumen.

Die Dramatik steigert sich bis zum Ende. Und tatsächlich könnte die Geschichte hier schon zu Ende sein, würde Teufel nicht etwas dagegen haben. So wird dem Bösen (wie im Faust) ein Gesicht und eine Stimme gegeben, äußerlich harmlos, aber verschlagen. Philippe Pinard schiebt so noch eine weitere, traumhaftere Ebene in die Handlung ein. Doch ein Verführer, wie im erwähnten Faust, ist Fisto, der Hund, nicht. Hier ist er ein Philosoph der Zerstörung, ein Wissenschaftler der Vernichtung. Ein entsprechendes Licht wirft er auf dieses Wunderwerk der Technik, die Me 262.

Fliegen für das Vaterland wird zu einem Akt des Verrats an den Menschen. Doch die Versuche sich dagegen aufzulehnen sind allzu zaghaft und schlecht geplant. Der Auftakt der Reihe lässt die Hauptfigur an sich selbst verzweifeln, der Himmel liegt im wahrsten Sinne des Wortes in Trümmern. Packend. 🙂

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siehe auch: Die Entdeckung (Link innerhalb des Comicblogs)