Keine Gnade! Der Piratenkapitän, der bei seiner Mannschaft in Ungnade fällt, muss um sein Leben fürchten. Wenige Getreue allein können wenig gegen eine Übermacht ausrichten. Sollte der neutrale Beobachter glauben. In Wahrheit kann berserkerhaftes Verhalten und wahnsinnige Brutalität so manches Ungleichgewicht der Kräfte ausgleichen. Kapitän Dan Dark kann von Glück reden, zwei getreue Gefolgsleute zu haben, die dergleichen Qualitäten in sich vereinen und eine Meuterei mit Stumpf und Stiel ersticken.
Die Piratin Bonnie und der Hüne Killing Howie können diesen Kampf nur gewinnen, da sie ihr eigenes Leben in die Waagschale werfen, gleichzeitig aber mit einer wahren Begeisterung für das Gefecht bei der Sache sind. Da wird nicht gejammert, nur getobt. Einzig Kapitän Dan Dark wird noch von anderen Motiven als nur Gold und Kampf angetrieben. Und das könnte sein Ende bedeuten.
Eric Corbeyran hat die aus Erzählweise der Piraten der Karibik aufgegriffen und vermischt klassische Piraterie mit fantastischen Elementen. Flüche, Riesenmonster, betörende Frauen, sogar Wesen, die fröschelnd der Fantasie eines Mike Mignola entsprungen sein könnten, treiben die Piraten um, bringen sie nicht um den Verstand, aber geben ihnen einen Haufen Piratenarbeit zu tun.
Die Mischung macht es. Seit Maureen O’Hara hat es wohl nicht mehr einen solch energischen Rotschopf unter den Piraten gegeben, obwohl die weibliche Hauptfigur aus Gegen alle Flaggen es bei weitem nicht mit der Brutalität und Gemeinheit einer Bonnie aus Unter schwarzer Flagge aufnehmen kann. Die Zeiten und die Darstellung von Kämpfen ändern sich eben. Vergleicht man die Farbenpracht, sicherlich übertrieben, alter Filme, auch neuerer Leinwandepen, die das Genre maßgeblich geprägt haben, mit dieser Reihe, so gibt sich Unter schwarzer Flagge hier noch düsterer als im ersten Teil, als vergleichbare Szenarien überhaupt.
Ist die Passage über das Geschehen in der Vergangenheit erst einmal in die Geschichte integriert und Bonnie mit ihrem zwischenzeitlichen Gefolge wieder auf der Suche nach ihrem Kapitän und Killing Howie, so wird aus der Piraterie eine Dschungelhatz und eine gruselige Odyssee in einem Dungeon. Autor Eric Corbeyran kann nicht verbergen, dass er sich bereits mit dem Rollenspielgenre beschäftigt hat (Assassin’s Creed) und auch Horrorszenarien zugeneigt ist (Zwielicht).
Der skizzenhafte Stil des Zeichners Brice Bingono zusammen mit der sanften, gedeckten Farbgebung von Nicolas Bastide ergibt ein natürliches Erscheinungsbild, wie es auch ohne moderne Techniken bewerkstelligt hätte werden können. Das Endergebnis passt stilistisch sehr gut zur anvisierten Atmosphäre. Bingono ist nicht nur mit flottem Strich bei seinen Figuren, er vermag es auch den zeitlichen Gegebenheiten Leben einzuhauchen. Die Szenen zur See atmen Salzwasser, unter Tage und in der grünen Hölle sind stimmig inszeniert und für ein lockeres sowie flüssiges Lesevergnügen platziert. Bei vielen Bildern lohnt sich dennoch das Innehalten, einfach, um zu genießen.
Ein Rundumpiratenvergnügen, modern erzählt, sehr schön gezeichnet und koloriert, die Kenntnis des ersten Teils ist zum Verständnis dieses Bandes ein Muss.
Unter schwarzer Flagge 2, Über die Weltmeere: Bei Amazon bestellen