Zum Inhalt springen


Comic Blog


Sonntag, 14. Oktober 2012

Horologiom 6 – Das Ministerium der Angst

Filed under: SciFi — Michael um 17:59

Horologiom 6 - Das Ministerium der AngstMord gibt es in dieser Welt, die jeden Schritt regelt und Ausgangssperren verhängt. Ein Kopf, und nur ein Kopf, der vom Kinn her aus dem frisch gefallenen Schnee ragt, als einziger Beweis für die Tat, ist selten und lässt selbst die versierten Ermittler rätseln. Nun gilt es sehr altmodisch Spuren zu verfolgen. Aber die Erkenntnisse sind spärlich und selbst diese fallen bei manchen offiziellen Stellen nicht gerade auf Gegenliebe. Im Dschungel der Behörden und Ministerien wird mehr gemauert als geholfen, teils aus Bosheit, Missgunst oder schlicht, weil es auf seine Art der einzige Spaß seit langem ist.

Die Reihe, die hier nach vielen Jahren endlich auch auf den deutschen Markt vollständig vorliegt, dürfte zu den bemerkenswertesten gehören, die das Comic-Universum zu bieten hat. Fernab der üblichen Erscheinungen, gegen den berühmten Mainstream legt Fabrice Lebeault eine Welt vor, die wie eine Kreuzung aus Langs Metropolis und Baums Der Zauberer von Oz wirkt. In dieser Welt, die so streng reglementiert ist, dass ihre Bewohner sogar über Schlüssel in den Köpfen aufgezogen werden (und durch unterschiedliche Umdrehungszahlen eine Mehrklassengesellschaft entsteht), sieht mancher Einfall natürlich skurril aus, entpuppt sich aber bei genauem Hinsehen als perfekte Grundlage für einen Comic mit Alleinstellungsmerkmal.

Wer mag, kann auch eine verrückte Variante von Orwells 1984 hier entdecken, gewürzt mit Langs M, denn wie auch in vielen anderen ideenreichen Ländern, die aus der Fantasie eines Menschen entsprungen sind, kommt auch Horologiom nicht ohne Gesetzeshüter aus. Es beginnt mit einem Mordfall, der sogleich zeigt, wie schnell die Aufklärung eines Verbrechens kann (kann, nicht zwangsläufig muss) und wie zügig die Aburteilung erfolgt. In der verspielten, sehr technisierten wie auch oberflächlich sehr vornehmen Welt ist Mitgefühl ein selten gebrauchtes Wort. Spaß muss sein, aber bitte nicht, wenn der Vorgesetzte in der Nähe ist. Nun wird in dieser Welt ausgerechnet jener Polizeibeamte umgebracht, der über seine Tätigkeit als Ermittler hinaus auch noch als Henker arbeitet.

In einer Welt, in der alles wie eine einzige große Theaterbühne wirkt, mit Holzbauklötzen erbaut, von merkwürdigen Robotern durchschritten, wo jeder einen Hut trägt oder eine andersgeartete Kopfbedeckung, ist ein Mord nicht nur ein Mord, sondern er ist eine Störung der bekannten und allgemein anerkannten Ordnung. Außenseiter sind ein Phänomen. Ein eigener Wille, der sich allzu sehr abseits der Karriere anstrengt, ist unerwünscht. Denn abseits des Berufes gibt es ohnehin nicht mehr viel.

Fabrice Lebeault zeichnet seine Welt mit sehr feinen Strichen. Diese Welt ist so glatt und sauber, dass der Comic-Fan vielleicht Parallelen zur von Moebius skizzierten Welt in Die Sternenwanderer 3 sehr, ebenso steril wirkend, noch steriler eigentlich, da sie sogar gesichtslos daherkommt. Absolut reglementiert sind sie beide, aber beide verzichten auch nicht auf eine verspielte Buntheit. Es entsteht der Eindruck eines Art deco, wilder zwanziger Jahre mit Robotern, ein Spielzeugland für Erwachsene, denn selbst bei genauester Betrachtung finden sich nirgendwo Kinder. Der Strenge des Systems steht ein die Seele auffangendes Klötzchenuniversum gegenüber.

Auch ist diese Welt Luft, nicht überladen, jedes Gebäude, auch der architektonische Zusammenhang, kann sich so richtig entfalten, ohne eine Ablenkung nahebei. Die beiden Hauptermittler, der Chef eine optische Mischung aus Charles De Gaulle und Louis De Funes, der andere ein wenig wie eine Mixtur aus Charlie Chaplin und W. C. Fields sind zusammen genommen der typische französische Polizist, wie ihn ein Jean Gabin in Personalunion als Maigret spielte. Beide verstehen sie ihre Fälle zu sezieren, nur Mitgefühl geht ihnen vollkommen ab. Bei Fabrice Lebeault ist jeder Charakter eine Bühnenfigur, jede Szene ist, wie die Storyboards im Anhang zeigen, auf die Spitze hochstilisiert.

Ungewöhnlich, aber auch gerade deshalb ungewöhnlich gut. Der 6. und abschließende Band der Reihe kann durchaus für sich allein gelesen werden, ein faszinierendes Kabinettstückchen innerhalb des Mediums Comic, sehr intelligent erzählt und schön gestaltet. 🙂

Horologiom 6, Das Ministerium der Angst: Bei Amazon bestellen

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

You must be logged in to post a comment.