Zum Inhalt springen


Comic Blog


Freitag, 24. Februar 2012

Der große Tote 3 – Blanche

Filed under: Mystery — Michael um 19:56

Der große Tote 3 - BlancheWäre nicht dieser furchtbare Unfall geschehen, hätte Erwan Pauline vielleicht niemals wieder gefunden. Wäre nicht überall eine Berichterstattung möglich, Fernsehkameras und Reporter, ständen nicht überall Fernseher, vielleicht hätte Erwan Pauline niemals entdeckt. Doch selbst der kurze Hinweis auf Paulines Anwesenheit in Paris macht es kaum einfacher. Ein dunkelhaarige Frau mit einer roten und einem Baguette unter dem Arm? Wie soll die inmitten all der anderen Menschen gefunden werden? Erwan beginnt damit, die Bäckereien der Umgegend abzusuchen. Die Schnitzeljagd wird zu einem Geduldsspiel. Aber Erwan gibt nicht auf. Er kann nicht.

Eine Welt verabschiedet sich: Die einstige Perle unter den Städten, Paris, verkommt. Sie ist nur noch Abglanz ihrer früheren Pracht, der Lebensfreude, Kultur und Zivilisation. Nun bevölkern immer mehr arme Menschen die Straßen. Sie haben keine Arbeit. Ihre Zukunft ist mehr als ungewiss. Nach dem ersten Teil der Serie Der große Tote wähnte sich der Leser kurz in einer vollkommen anderen Welt. In der gigantischen Weite der Natur zeigten Regis Loisel und Jean Blaise Djian eine ebenso fremde wie vertraute Umgebung. Eine Rückkehr der Hauptfiguren in unsere, die wirkliche Welt konnte diesen Zauber nur zerstören. Aber Loisel und Djian hielten für den Leser noch mehr parat.

Vieles sollte dem Leser bekannt vorkommen, doch diese haarscharfe Negativbeschreibung einer nahen Zukunft schmeckt recht bitter. Regis Loisel, der bei aller Phantastik auch einen Nerv mit seinen realistischen Szenarien treffen kann, entwirft hier einmal mehr eine Welt (am Bilde Frankreichs), in der sich die Menschen an den Untergang gewöhnt zu haben scheinen. Sie kampieren in Behelfszelten auf den Bahnhöfen, streifen obdachlos umher. Vertrieben werden sie nirgends mehr. Die geplante Revolution erneuerbarer Energien verrottet in Form von einstürzenden Windrädern auf dem Land vor sich hin. Wo auch immer der Optimismus sein Zuhause gehabt haben mag, hier ist er vor langer Zeit mit unbekanntem Ziel verreist.

Hoffnung? Die Menschen haben sich nicht vollkommen aufgegeben. Erwan und Pauline waren gemeinsam auf der anderen Seite, kehrten aber getrennt zurück. Erwans Suche nach Pauline gestaltet sich schwierig, bis ein Zufall ihm weiterhilft. Als er und seine Freundin Gaelle die junge Frau endlich finden, ist es auf einmal fraglich, ob dieses Wiedersehen unter einem guten Stern steht. Denn zusammen mit Pauline hat noch jemand diese Seite der Welt betreten: Blanche.

Die Entdeckung der Langsamkeit: Hier steht sie für Intensität, Ruhe, einen sorgsamen Aufbau, in dem sich ein Unheil mehr und mehr zu kristallisieren scheint. Blanche, einem kleinen Mädchen ähnlich, ist nicht so, wie ein kleines Mädchen dieses Alters normalerweise auftritt. Pauline, die Mutter, erkannte diesen Aspekt nicht nur durch eine enorm verkürzte Schwangerschaft, die darüber hinaus auch in gewisser Weise unbemerkt erfolgte. Blanche kann Dinge. Mehr soll hier nicht verraten werden.

Vincent Mallie, dem Zeichner, gelingt der Mittelweg zwischen Realismus und einer Prise Abstraktion. In der Kulisse, der Landschaft, dem städtischen Umfeld legt er wert auf starken Realismus und er trifft den Niedergang der Nation (vielleicht Europas) mit bestechendem Blick. In den Figuren schweift er ab. Mal legt er den Charakter stark im Gesicht fest, mal verfolgt er eine leicht puppenhafte Gestaltung. Dann wieder greift eine künstlerische Abstraktion, als habe tatsächlich jemand Modell gesessen, nur für ein Bild. Unter dem sprichwörtlichen Strich entsteht so eine hohe Lebendigkeit der Figuren und eine starke Nähe.

Neben einigen wenigen Straßenansichten, die noch einen gewissen Charme ausstrahlen, sind viele Kulissen mit Kühle dargestellt. Je mehr sich Erwan und Gaelle bewusst sind, wo Pauline zu finden ist, umso abweisender scheint die Stadt zu werden. Die Reise auf das Land hinaus wirkt wie eine Fahrt in eine heile Welt, wo das Grün der Natur noch vieles abschirmt oder auch zudeckt. Wie sich etwas Unbekanntes in diese heile Welt einschleicht, darf der Leser durch die Charaktere und ihre Reaktionen auf Blanche entdecken.

Mysteriös: Die Normalität ist nur oberflächlich. Regis Loisel und Jean Blaise Djian lassen den Leser noch einmal durchatmen, bevor das Geheimnis gelüftet wird. Eine kleine Andeutung zukünftiger Ereignisse lässt immerhin eine Ahnung aufkommen. Vincent Mallie und Francois Lapierre sorgen für die schönen Bilder eines bekannten und dennoch unheimlichen Frankreichs. Die Kenntnis der beiden ersten Teile ist zum Verständnis dieser Episode ein Muss. 🙂

Der große Tote 3, Blanche: Bei Amazon bestellen

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

You must be logged in to post a comment.