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Comic Blog


Donnerstag, 12. Januar 2012

Der ewige Krieg

Filed under: SciFi — Michael um 16:42

Der ewige KriegNur die Besten der Besten: Sie stehen nicht bereit, um die Menschheit in eine neue, bessere Zukunft zu führen. Sie sollen in einem interstellaren Krieg dienen. Bereits in ihrer Ausbildung werden sie gnadenlos gedrillt. Vielleicht werden sie nicht einmal die Reise zu ihrem Ausbildungsstandort überleben. Zu Beginn des neuen Jahrtausends zieht die Menschheit erstmals gemeinsam in den Krieg gegen eine außerirdische Rasse. Kämpfen will gelernt sein. Wer in dieser Ausbildung kämpft, simuliert nicht. Wer das erste Mal ein Schlachtfeld betritt, hat bereits einmal überlebt. Vielleicht öfter. Doch selbst die harte Ausbildung hat die Soldaten nicht auf den implantierten Blutdurst vorbereitet, der sie wie Berserker auf einen nahezu wehrlosen Feind vorrücken lässt.

Eine Aussage über den Krieg lässt sich in jeder Epoche treffen. Die Science Fiction mag dazu geeignet sein, ein übergreifendes Szenario zu schaffen und Fragen noch deutlicher aufzuwerfen: Wie lange kann ein Krieg geführt werden, dessen Feinde sich so gut wie nie zu Gesicht bekommen? Dessen Feinde nicht einmal genau zu sagen vermögen, warum dieser Krieg eigentlich begann? Es ist ein düsteres Bild von Joe Haldeman, der selbst im Vietnam-Krieg als Soldat für die USA diente und den Schrecken hautnah erlebte. In der Gesamtausgabe Der ewige Krieg, für deren Romanvorlage er den Hugo Award und den Nebula Award erhielt, skizziert Haldeman am Leben seiner Hauptfigur, dem Soldaten William Mandella, einen Krieg, der irgendwann für die Menschen nur noch existiert. Es gibt, also führt man ihn.

Die Gesetze der Zeit: 2009 zieht der Soldat William Mandella in einen Krieg, aus dem er nach Erdzeit rund 26 Jahre später zum ersten Mal zurückkehren wird. Er selbst ist in dieser Zeitspanne weitaus weniger gealtert. Während er sich dort draußen im All von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz begibt, vergehen für die menschliche Zivilisation beinahe tausend Jahre. Am Ende ist der Soldat erschöpft. Die Ziele, für die er ins Feld zog, selbst die Gesellschaft, die er verteidigen wollte, existiert so gar nicht mehr. Joe Haldeman nimmt den Leser von der Ausbildung der Rekruten mit in die erste Schlacht. Nahgefechte, Fernkämpfe: Ziele werden aufgenommen. Die Soldaten werden selbst zum Ziel.

Während die menschliche Gesellschaft zuerst die Heterosexualität auf breiter Ebene ablegt und die Homosexualität vorzieht, die Fortpflanzung per Klonen schließlich das sexuelle Miteinander komplett über den Haufen wirft, kämpfen die Soldaten in einem Krieg, mit dessen Raumfahrt und Waffentechnologie sie kaum Schritt zu halten vermögen. Die Liebe zwischen William Mandella und Marygay Potter, ein kleiner Lichtblick in der organisierten Zerstörung, vermag den Feldzug kaum zu überleben. Als sie getrennt werden, ist klar: Wenn der Feind, die gesichtslosen Tauren, es nicht schafft, sie zu töten, wird die durch ihre Reise entstehende zeitliche Barriere eine unüberwindbare Kluft werden.

Mark Marvano zeichnet die Grafiken mit sehr feinen Strichen, kurz ausgeführt, dort wo die Striche notwendig sind. Stilistisch schließt er unnötiges Beiwerk aus. Gerade so viel, wie nötig ist, um die jeweilige Form, die Landschaft, das Gerät zu zeigen, legt Marvano in der getuschten Fassung auf Papier nieder. Bruno Marchand gibt den Bildern Volumen, indem er den Realismus herabstuft, so als habe er eine Vorlage besessen, die er nun mit Einschränkungen wiedergibt. Im Ergebnis erhält der Leser eine optische Dystopie, ein gesamtmilitärisches Erscheinungsbild, wie es der Science-Fiction-Cineast von Outland, Aliens oder auch Space 2063 her kennen mag.

Die klaren Formen nehmen so manchen Schrecken, stellen es etwas klinischer dar, als eigentlich ist. Marvanos Grafiken stützen die halbdokumentarische Erzählform, in der nichts explodiert oder im Todeskampf schreit. Kommentare aus dem Off, in einer Art Tagebuch, berichten vom Grauen und hält auf Distanz. Aber weder Haldeman noch Marvano blenden den Krieg aus. Der Schrecken wird bildlich. Er zeigt sich in den stillen Explosionen, den Blutfontänen, den zerstörten Raumschiffen und den sich krümmenden Soldaten auf der Krankenstation. Selten schmeckte eine grafische Novelle im Science-Fiction-Genre derart bitter und wirkte so gekonnt.

Ein Abbild der Gegenwart in der Zukunft: Joe Haldeman erzählt von einem Krieg, den die Menschen zu ihrer Entwicklung brauchen. Die von anderen Autoren beschworene Begegnung mit einer außerirdischen Rasse verbündet den Menschen hier zwar auch, aber nur um den Krieg zur neuen Blüte zu treiben. Immerhin lässt Vietnam-Veteran Haldeman den Leser mit einem Lichtblick am Ende des Tunnels zurück. Doch bis er dorthin findet, dauert es eine ganze Weile. Sehr gut. 🙂

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