Am Ziel angelangt werden die Soldaten aus ihrem künstlichen Tiefschlaf geweckt. Das Ziel, ein unwirtlicher Planet namens Siberia, soll kontrolliert werden. Ist der Planet auch eine Eiswüste, wird dort dennoch eine Forschungsstation unterhalten. Der Auftrag unterliegt dem Roten Codex: Materialschäden sind keine erlaubt. Menschen jedoch können geopfert werden. Selbst jene, die den Auftrag überhaupt erst ausführen. Die Marines, die im Shuttle auf dem Planeten landen, sind über diese Auftragskennung keineswegs begeistert. Dagegen unternehmen, können sie nichts. Überhaupt ist einiges merkwürdig. Sicher, unten auf der Oberfläche ist es kalt, verdammt kalt sogar, irgendwo her muss der Name Siberia schließlich kommen, aber die Pillen, die sie vor dem Einsatz schlucken sollen, waren nicht eingeplant.
Richard Marazano und Christophe Bec, zwei Comic-Macher, die es immer wieder schaffen, das Geheimnisvolle, Mysteriöse in ihre Geschichten einzubauen und eine knisternde Spannung anzulegen, nehmen den Leser in ein Szenario mit, in dem sich Genre-Freunde direkt wohl fühlen werden. Marazano und Bec, die mit Veröffentlichungen wie Der Schimpansen-Komplex, Eco Warriors, Prometheus oder Heiligtum auf sich aufmerksam gemacht haben, agieren hier einmal mehr auf zwei Ebenen, die zunehmend (alp)traumhaft ineinanderfließen.
Die erste Ebene, jene des real fassbaren Einsatzes, verläuft kühl, mechanisch, präzise, eben mit der Professionalität von Marines, die ihren x-ten Auftrag durchführen. Es wird geredet, getratscht, die Arbeit gemacht. Allzu schnell werden Flapsigkeiten zur Nebensache. In der Station finden sich Tote. Ein Angriff erfolgt. Die im Einsatz befindlichen Soldaten verlieren langsam den Verstand, die einen mehr, die andere weniger.
Stellen Sie sich vor: Jesus lebte wirklich.
Marazano und Bec spielen mit der Vorstellung, der Einbildung, dem Wahn. Sie spielen mit ihren Vorbildern, flechten Ansichten von Tom Cruise, Sigourney Weaver, auch Arnold Schwarzenegger ein. Sie vergessen das Alien auch nicht, indem sie den Schauplatz des dritten Kinofilms ein wenig imitieren. Darüber hinaus stellen sie dem Leser ein Rätsel (eines, dem ich nicht einmal ansatzweise auf der Spur bin). In ihrer Bildsprache oder Szenen verbergen sich Hinweise (oder auch nicht). Jesus trägt auf dem Wege zur Kreuzigung ein Hakenkreuz, Der Meister und Margarita, Terence Hill als Nobody, Pin-Ups. Bilder blitzen kurz auf: Mondlandung, Micky und Goofy und Che Guevara. Das ist alles in allem, zumindest oberflächlich betrachtet, keine leichte Kost.
Der Meister und Margarita: Die in kühlen Brauntönen gehaltenen Szenen, offensichtlich jenem Roman von 1940 entstammend (erschienen 1966), als Versatzstücke in die Handlung eingeordnet, stehen Szenen aus Platoon gegenüber, untermalt vom Liedtext eines Bruce Springteen. Über allem mag die Frage stehen, ob der Teufel existiert. Setzt man die Puzzelteile zusammen, die sich hier finden lassen, ist die Antwort eindeutig. Sicher ist auf jeden Fall, dass Comics ihre Leser selten derart auf die Folter spannen und zum Mitdenken (auch zum Recherchieren) einladen.
Rätselhaft, ungewöhnlich: Richard Marazano und Christophe Bec tauchen wieder tief in die menschliche Psyche ein, manchmal etwas verwirrend, aber auch faszinierend. Für Freunde von Geschichten mit Interpretationsspielraum im Stile von 2001 oder Solaris.
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