Nach der kalten und blauen Pracht des Aufenthalts im Weltraum scheint diese grüne und wuchernde Welt tröstlich. Kurz jedenfalls, denn die vier Difool werden angegriffen, mitleidlos. Ein Gegenschlag dauert zu lange, um das Schlimmste abzuwenden. Am Ende sind die vier Difool mehr auf Augenhöhe. Sie kamen her, um ein Rätsel zu lösen, irgendwie, und müssen erkennen, wie sehr sie noch von einer Lösung entfernt sind. Andernorts werden weitaus größere Pläne geschmiedet, Völker wollen dem Bösen begegnen, dem auch die Difool an den imaginären Kragen wollen. Schließlich wächst auf beiden Seiten die Erkenntnis, dass der Feind nur gemeinsam besiegt werden kann.
Das sind ja gleich vier John Difool auf einmal. Das geht nun wirklich nicht. Der Leser hat an gleich vier der widerwilligen Helden seine Freude, interessanterweise kann Difool selbst nur sehr schwer mit sich auskommen. Vielleicht liegt es daran, dass es sich bei den vier Männern um vier Ausprägungen dieses Charakters handelt, die sich gegenseitig nerven. Durch Besserwisserei. Pseudomut. John Difool ist eben kein Mann für alle Fälle. Er ist meist nur ein Mann, der fällt. (Wie auch gleich das Titelbild beweist.) Man schließt ihn trotzdem ins Herz, weil er Herz hat. Unproblematischer wird es für ihn allerdings nicht.
Denn Alejandro Jodorowsky stellt seinen viergeteilten Helden vor wahnwitzige Herausforderungen. Difool muss auch einige Geschmacklosigkeiten über sich ergehen lassen, harmlos ausgedrückt, und der Leser wird bei derlei gleich mit ausgesetzt. Aber das ist Jodorowsky. Die eine oder andere Entgleisung gehört bei ihm (häufig) dazu. Sieht man einmal darüber hinweg (oder blättert darüber hinweg, überfliegt dieses oder jene Bild), so stellt man fest, wie das Abenteuer wächst und ungeheure Dimensionen annimmt. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Feind meines Feindes ist nicht notwendigerweise mein Freund. Die Menschen sind bei weitem nicht die mächtigste Spezies im Weltraum. Schwarze Vampire, Weiße Erzengel, Gunas, das Reich des Benthacodon und noch einige Wesen, die zumindest recht unbequem werden können, wenn man ihn waffenlos begegnet oder wenigstens die eigenen Beine einen nicht schnell fort tragen können. Louz de Garra, Namensgeberin der zweiten Episode um den letzten Incal wird zu einer zentralen Figur und noch stärker treibenden Kraft hinter der Geschichte.
Jose Ladrönn geht in der Darstellung der teils gigantischen Szenen auf. Der Leser wird nicht nur die Rückblicke der Schlacht zwischen Vampiren und Erzengeln genießen dürfen. Auch die Rettungsaktion, die Difool wieder mit seiner Angebeteten Louz zusammenführt, hat es in sich. Es gibt sie, die ruhigen Momente, doch diese sind nicht weniger bombastisch. Ladrönn gibt, will man seiner Technik einen Namen geben, den Blick frei. Er inszeniert diese Space Opera wie auf einer Theaterbühne, die mit der Optik eines Hubble Teleskop arbeitet. Nur der Horizont ist die Grenze und nicht einmal der.
Schaut man im Schaffen von Jodorowsky zurück, brauchte es auch immer wieder einen Zeichner, der den gewöhnungsbedürftigen, mitunter abstrakten, auch abstrusen Humor umzusetzen verstand, vielleicht sogar teilte. Ladrönn dürfte bei dem einen oder anderen Detail bestimmt eine gewisse schöpferische Freiheit besessen haben. Es scheint nicht wahrscheinlich, dass Jodorowsky bis in diese Tiefe hinein Vorgaben gemacht hat. Ausstattung, Raumschifftypen und Charaktere sind mindestens ebenso stylisch, wie es der Genre-Fan von den großen Leinwandepen dieser Art her kennt (so viele gibt es da ja nicht). Es ist ein Fest für das Auge und dennoch schafft es Ladrönn bei all der Pracht noch eine durchgehende Rasanz zu entfesseln, die den zweiten Band zu einem Seitenumblätterer macht (dessen Bilder im Anschluss aber noch einmal genauer unter die Lupe genommen werden wollen).
Ungewöhnlich, auch hier wie immer. Spaßig und unterhaltsam für Jodorowsky-Fans. Seltsam für jene Leser, die noch nie mit Jodorowsky zu tun hatten. Grafisch fantastisch ausgeführt von Jose Ladrönn. Und immer noch mit einem der widerspenstigsten Anti-Helden, die je im Comic erschienen sind. 🙂
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