Juri Jeljuschin fühlt sich nicht wohl. Ist es die unheimliche Nacht, die ihm in dieser Seitengasse zusetzt? Oder sind es nur seine Gedanken, die sich wirr verlaufen haben und ihm nun vorgaukeln, er verwandele sich in einen Werwolf? Kurz darauf hallt ein Wolfsheulen über die Straßen von Paris und niemand kann mehr sicher sein, was die Wahrheit ist. Flora Vernet, die junge Frau und Assistentin des Detektiv Dupin, hat inzwischen das Heft in die Hand genommen und setzt sich nachdrücklich für den nicht minder ungewöhnlichen Klienten Hugo Beyle ein. Ist Beyle in vielerlei Hinsicht immer noch ein Kind, fehlt es ihm dennoch nicht an Mut. Und diesen wird er bald brauchen, wenn die beiden sehr unterschiedlichen Ermittler sich einem Gegner stellen, der nicht mehr von dieser Welt ist.
Einer der berühmtesten Detektive der Literaturgeschichte hat eine verteufelt harte Nuss zu knacken und wird ausgerechnet von ein paar Anfängern (fast) dabei überflügelt. Der Detektiv, von dem hier die Rede ist, erfunden von Edgar Allan Poe, C. Auguste Dupin, ermittelt in einem Fall, der eine gewisse übernatürliche Komponente hat. Äußerlich erinnernd an den französischen Schauspieler Philippe Noiret (oder auch Jean-Pierre Marielle, da gehen die Meinungen auseinander) ist dieser Dupin ein knurriger Kriminalist, der kaum weniger exzentrisch ist als sein englisches Gegenstück Sherlock Holmes. Aber Autor Gloris nimmt sich nicht nur des literarischen Detektiven an, vielmehr überführt er auch eine Figur in einen Comic, die bislang nur von einem sehr berühmten Gemälde her bekannt war.
Die Freiheit führt das Volk: Auf jenem Gemälde, eine idealisierte Darstellung der Französischen Revolution (soll noch mal einer sagen, Comics bildeten nicht), ist nicht nur der Maler Eugene Delacroix selbst abgebildet, sondern auch eine der Hauptfiguren. Welche, das sei an dieser Stelle nicht verraten. Der Brückenschlag, den Gloris mit dieser Enthüllung schafft, ist feinstes fantastisches Kino, ganz im Sinne der fantastischen Detektei, deren Fall hier endgültig über einfache Entführung und Mord hinausgeht.
Paris: Ein Zeitbildnis und heimlicher Nebendarsteller. Thierry Gloris baut die Stadt und Zitate auf dieselbige mit großer Leichtigkeit in die Geschichte ein. Die Epoche erwacht zum Leben durch ihre dunklen Straßen, ihre feinen Kostüme und ihre verspielte Innenarchitektur, die heute eher den Begriff Kitsch bekäme. Es ist eine Fahrt, mal schnell, mal beschaulich, durch einen sorgfältig von Jacques Lamontagne erstellten, stimmigen und toll gezeichneten Kulissenwald. Es beschwört die Atmosphäre von Bildern eines Henri de Toulouse-Lautrec oder eines Edouard Manet herauf. Daneben wird auch nicht auf Klamauk im Stile eines Belmondo-Filmes verzichtet. Die automobile Verfolgungsjagd, in dieser Form schon fast putzig zu nennen, ist sicherlich einer der Höhepunkte des Bandes, der mit vielen tollen Szenen aufwarten kann.
Voodoo, Geister, Moulin Rouge: Ein Reiz dieses Falles, der hier mit Band 2 abgeschlossen wird, liegt in seiner Abwechslung und fortwährenden Überraschung. Wendungen treiben die Handlung für den Leser in moderner Erzählweise voran, die Bilder präsentieren passend zueinander choreographierte Charaktere. Wer sich über das Wort Choreographie in diesem Zusammenhang wundert, betrachte nur einmal das Titelbild des vorliegenden Albums. In einer Geschichte im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts darf auch der Cancan nicht fehlen.
Jacques Lamontagne, der zeichnet und koloriert, gelingt mit seinen Bildern eine schöne Mischung aus Realismus und leichter Karikatur. Figuren und Schauplatz sind immer ausfüllend, vor Ausdruck strotzend. Die Verwendung echter Vorlagen (siehe Schauspieler oben) zeigt, wie Lamontagne seine Geschichten begreift: Filmisch, mit echter Besetzung. So ging er bereits in der ebenfalls herausragend illustrierten Reihe Die Druiden vor.
Ein dichter und rasanter Abschluss, in dem es viel zu entdecken gibt. Jacques Lamontagne hat sich zu einem Garanten für feinste Illustrationen entwickelt. Thierry Gloris weiß ebenfalls auf dem Gebiet der phantastischen Kriminalgeschichte zu begeistern. Ein gelungenes Ende dieses Zweiteilers. 🙂
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