Der Coup ist halsbrecherisch. Mücke, klein von Gestalt, ist ein artistischer und sicherer Einbrecher. Er besitzt Erfahrung und ist auf seine Weise äußerst kaltblütig. Eustache, mindestens doppelt so groß wie Mücke, ist nicht untalentiert, wenn es um das Überbrücken von Distanzen geht, vertikal und horizontal, an Stahlseilen hängend, doch besser noch ist er im Öffnen von Panzerschränken. Diesen Tresor, den die beiden Berufseinbrecher knacken, hätten sie besser verschlossen gehalten. Der Inhalt ist nicht wertvoll, aber brisant und bringt sie alsbald in Lebensgefahr.
Es ist nicht leicht, ein Einbrecher zu sein, vor allem dann nicht, wenn die Welt schlecht ist, verdammt schlecht. Die beiden Einbrecher, man möchte den Begriff Pat und Patachon verwenden, sind weit davon entfernt, Naivlinge zu sein, obwohl sie optisch den Eindruck erwecken, als habe ein Komödiant sie erdacht. Sie sind geschickt, in ihrem Beruf sehr versiert und mögen Risiken nicht, wissen aber ganz genau, welche Risiken sie eingehen. Abseits der Gefahr wird das normale Leben gesucht, doch im Rotlichtmilieu ist kein bürgerliches Leben möglich. Eustache, der lange Einbrecher, muss sich diese Einsicht seiner Angebeteten gefallen lassen.
Schenk mir weiterhin Spielzeug, bring mich zum Lachen und schlaf mit mir. Aber träum nicht davon, mich zu heiraten.
Eric Corbeyran scheint der Autor für düstere Szenarien zu sein. Metronom oder die Umsetzung von Assansin’s Creed sind zwar spannend, heitere Geschichten sind es jedoch nicht. Mit Schmetterlingsnetzwerk, einem in einer Art Steampunk-Genre angesiedelten Thriller-Geschichte, wird Cobeyran noch düsterer, nimmt er doch eine Thematik für einen Comic heran, wie sie auch schon in Hollywood-Streifen wie Acht Milimeter und vielen anderen Kriminalgeschichten thematisiert wurde: Snuff-Movies. Die Tötung von Menschen vor der Filmkamera, sadistisch, sexuell pervers und zur Erbauung besonders reicher Klienten, die sich an derlei Grausamkeiten ergötzen, sind ein moderner Mythos und ein ziemlich ungewöhnliches Thema für einen Comic.
Cecil, der nicht nur gezeichnet, sondern auch am Text mitgearbeitet hat, hält durch seine Darstellung der Figuren einerseits Abstand zum Geschehen, andererseits führt er durch leichte Verfremdung oder auch Übercharakterisierung näher an das Szenario heran. In Mode, technischem und architektonischem Flair der Jahrhundertwende von 1900 verhaftet, entwickelt Cecil eine Bilderflut auf jeder Seite, um sich vielleicht einem filmischen Effekt anzunähern. Das bewegte Bild, das in der Handlung so angepriesen wird und die Fotografie zu verdrängen droht, ist einerseits Fortschritt, andererseits zeigt sich hier der Fortschritt auch von seiner schlechtesten Seite.
Das Duo der Handlung tritt sehr bald in den Hintergrund. Eustache und Mücke geraten derart in Bedrängnis, so dass nur noch einer der beiden Diebe die Handlung zu Ende bringen kann. Cecils Arbeiten erinnern insgesamt an einen Kollegen, nämlich Andreae, der auch auf ähnliche Weise überzeichnet in Ausgaben wie Die mechanische Welt und Die Bruderschaft der Krabbe. Cecil koloriert jedoch dezenter, nicht unrealistisch, aber mehr mit dem Flair alter Fotografien, die nachkoloriert wurden. So entsteht ein feiner Blick in die Vergangenheit, die sich jedoch einer näheren Bestimmung entzieht.
Cecil entwirft eine Stadt, die am Tage unwirklich wirkt. In Der Nacht überwiegt die Bedrohung, dunkle Wolken hängen über der Stadt. Künstliches Licht lässt die Szenerie falsch erscheinen, wie Kulissen (die sie in einigen Szenen auch tatsächlich sind). Vielerorts protzt die Stadt mit ihren Errungenschaften, ihrer Technik, ihrem Prunk. Die Hintergründe sind durchgehend atmosphärisch, ähnlich übercharakterisiert wie es die Figuren sind. Ein treffendes Wort als zusammenhaltender Begriff dürfte theatralisch sein.
Eine finstere Handlung mit einer Hauptfigur, die zum Mitfiebern einlädt, da sie zwar forsch ist, aber schwach wirkt und wirklich verdammt schlechte Karten hat. Wer absolut düstere Abenteuer mag, mit eigenem und eigenwilligem Zeichenstil, sollte einen Blick riskieren. 🙂
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