Ein Kinderbuch hat die Machthaber in Aufregung versetzt. Ist es wirklich unterschwellig kritisch? Rüttelt es mit seinem Märchen an der bestehenden Ordnung? Lynn ist ein Freigeist. Sie spielt Theater, im Untergrund nur und auch nur mit Pseudonym innerhalb einer Gruppe, die sich Themen für ihre Texte sucht, die sie in diesem totalitären Staat sofort ins Gefängnis bringen könnte. Lynn ist eine Bedrohung, nicht nur für den Staat, der jede freie Meinungsäußerung unterdrückt, sondern auch für ihre Familie. Ihre Schwester ist mit einem linientreuen Mann verheiratet, der sich sein Leben durch eine solche Verwandte nicht verpfuschen lassen will.
Dabei hat Lynn wirklich andere Probleme, als sich mit ihrem Schwager anzulegen. Ihr Mann ist verschwunden. Er stieß im All auf Schwierigkeiten, einfach formuliert. In Wahrheit versucht die Führungsspitze des Staates das Phänomen zu verschweigen. Die Forschungen finden auf einer Station im Orbit statt, weit weg von den immer größer werdenden Problemen der Bürger, der steigenden Armut und Verzweiflung in den dreckigen Straßenschluchten unter einem vom Smog verschmutzten Himmel.
Der Programmierer hat den Auftrag, den zu Programmierenden mit der Gesellschaft zu versöhnen.
Floreal Linman ist einer von hunderten Menschen, die sich einem Versöhnungsprogramm unterwerfen müssen. Aber er ist scheinbar einer der wenigen Menschen, die durch die Last der Erinnerungen, die doch versöhnen sollen, lauthals vor Verzweiflung schreien. Eric Corbeyran hat eine bittere Zukunftswelt geschaffen, die natürlich an die klassischen düsteren Zukunftsaussichten erinnert, allen voran 1984. Und gemäß solcher Aussichten gibt es auch immer Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen wollen. So tun sich Linman und Lynn zusammen, um wenigstens die Frage zu klären, was aus ihrem Mann geworden ist.
Nach einer nicht nur interessant erzählten Science Fiction Geschichte, die mit Thriller-Elementen untermalt ist, findet in der zweiten Hälfte ein Wechsel zu einem Kommandounternehmen statt. Wie komme ich in den Weltraum, wenn ich dort nichts zu suchen habe und auch noch in eine Raumstation, in der ich ganz und gar nicht erwünscht bin? Aus unterschwelliger Spannung wird eine Mission, die mehr Fragen aufwirft, als beantwortet. Grun (bürgerlich wohl Ludovic Dubois) lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm um einen besonders realistischen Blick auf diese Zukunft und dieses Regime geht. Gleich das erste ganzseitige Bild, die Ansicht einer Großstadt, von einem Fluss geteilt (Ob es da eine Inspiration gegeben hat?), qualmend, graubraun gefärbt, ein urbaner Dschungel, wie es heute so schön heißt, zeigt die Marschrichtung der Atmosphäre.
Die Freude an den Einzelheiten setzt sich im Kleinen fort. Im Dreck der Gassen und Plätze, den zersprungenen Pflastersteinen, dem Schmutz an den Wänden, selbst in den ungeputzten Wohnungsräumen eines Floreal Linman. Grun ist ein im absoluten positiven Sinne Pedant. Der Gegensatz ist die klinische Sauberkeit in der Umerziehungsanstalt und später im Weltall. Grun rangiert technisch auf Augenhöhe mit Grafikern wie Moebius oder auch Juan Gimenez.
Düstere Zukunftsaussichten, eine Mischung aus Thriller, Krimi und Science Fiction: Corbeyran und Grun gestalten eine ernsthafte Geschichte, ein wenig zurückhaltend erzählt, sehr atmosphärisch mit gut skizzierten Charakteren. Auf die Auflösung im dritten und letzten Band darf man gespannt sein. 🙂
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