In Paris wäre das nicht passiert. In Paris hätte eine Dame einem Grobian eine Ohrfeige gegeben und er hätte wegen seiner Verfehlung und der darauf folgenden Bestrafung reumütig den Kopf gesenkt. Vermutlich. Auf dem Lande jedoch wehren sich die Männer und schubsen die so austeilende Dame geradewegs in den Matsch des Ufers. Camille, so gedemütigt, muss auch noch das Lachen der Kinder über sich ergehen lassen, die einer Dame der Pariser Gesellschaft mit absoluter Respektlosigkeit begegnen. (siehe Titelbild) Auch alle übrigen Bemühungen, so auch mit einem Fest die Dörfler mit ihr zu versöhnen, scheitern kläglich. Camille wird von allen (bis auf einen) nur noch als Unmensch wahrgenommen.
Die Kluft zwischen Honore und Camille wird größer. Innerlich hat Camille mit ihrem Mann abgeschlossen. JB Djian führt in der zweiten Eisode des Zweiteilers Kapuzinerschule die bisherigen Handlungsstränge konsequent fort, doch überrascht die Kälte wie auch die Kaltblütigkeit der Charaktere. Hier stehen Städter gegen Dörfler, Eigensinn gegen Mitgefühl. Zu einem Ehedrama gehört nicht zwangsläufig ein Dritter, aber es gibt der Angelegenheit eine besondere Note, besonders, wenn ein Nebenbuhler die Zerstörung der Ehe aktiv betreibt. Dieser Nebenbuhler ist von Djian derart angelegt worden, dass er, von Beruf Richter, eigentlich auf der Seite des Gesetzes steht und doch die höchstmögliche kriminelle Energie in dieser Geschichte entwickelt.
Die Sonne scheint, aber das Dorf liegt im Schatten. Es ist erstaunlich, wie gut (wenn man es so ausdrücken kann) Djian das Böse in diese kleine Welt holt und ein Drama entspinnt, dessen Fäden vor langer Zeit gezogen wurden. In diesen bereits gezogenen Kreis zieht Djian einen weiteren, einen neuen, der neuen Grundsteine legt und den alten stürzen könnte. Hier wurde sehr geschickt konstruiert, aber ohne bemüht zu wirken.
Neben dem offensichtlichen Drama entwirft Djian darüber hinaus einen charakterlichen Niedergang, macht er aus der Liebe etwas Übles und Gefährliches. Sie wird zum Werkzeug und verführt zu Gier. An die Bösartigkeit und Berechnung von Camille hatte sich er Leser bisher gewöhnt, die Verwandlung des Richters Aristide ist umso ungewöhnlicher und fürchterlicher. War er bisher eher gemein, ungeheuer ehrgeizig auf seine Art, wird er durch Eifersucht ein Monster, das auch einen Mord nicht zur Erreichung der Ziele scheut.
Vincent, Zeichner, hat einige bemerkenswerte Szenen anzufertigen, die vor allem anderen mit der Darstellung von Kindern in Zusammenhang stehen. Denn Kinder spielen eine große Rolle in dieser Welt der Erwachsenen, die nichts von dem erfüllt hat, was zuvor noch von den Kindern erdacht und gehofft worden ist. Doch die Kinder kehren zurück. Durch Vincent werden sie zu kleinen Rachedämonen, ihnen fehlt die Schönheit echter Kinder, sie wirken verzerrt. Die allseits beschworene Unschuld von Kindern geht ihnen völlig ab.
Vincent gelingen auch die kleinen Momente. Bei aller Tragik und Dramatik, der Herzlosigkeit einer Camille, die der gemeine Hauptcharakter ist, schafft es Vincent dennoch Mitleid mit Camille zu erwecken, wenn das Gerüst, das sie sich mühsam aufgebaut hat, immer mehr bröckelt. Einsamkeit und Verzweiflung steht über diesen Szenen. Mitleid entsteht und vergeht sogleich wieder, als Camille eine Verletzung nutzt, um ihren Liebhaber gegen ihren Mann aufzustacheln.
Ein spannender und sehr dramatischer Abschluss. JB Djian führt vor, wie gut auch Geschichten innerhalb von zwei Folgen erzählt und zum Abschluss gebracht werden. Ein Drama in bester französischer, ja klassischer Erzählform, mit einer Prise Phantastik abgeschmeckt. Sehr schön. 🙂
KAPUZINERSCHULE 2, Der Erbe: Bei Amazon bestellen