Der Glen wartet bereits. Mit gefletschten Zähnen schleicht die Raubkatze auf die beiden Eindringlinge zu. Der Ausgang dieses Kampfes scheint festzustehen, würde nicht einer der beiden Einbrecher über ein besonderes Talent verfügen: Glens sind das sprichwörtliche Wachs in seinen Händen. Der Nachtwächter, ein kleiner Mann mit Dolch und Laterne, ist eher Zierde als Wachmann und könnte sich gegen einen Glen ohnehin nicht behaupten. Allzu schnell ist er bereit, die beiden Einbrecher in das Zimmer des Direktors zu führen. Dort allerdings ist die Falle längt gestellt.
Marlysa ist nicht eben vom Glück verfolgt. Ihr Erzähler Jean-Charles Gaudin schickt sie in dieser Episode wirklich vom Regen in die Traufe. Es beginnt mit einem kleinen Einbruch, der, gemessen an ihren sonstigen Aufgaben und Abenteuern eher ein leichtes Unterfangen ist. Dieser Einbruch entpuppt sich als Falle. Jean-Charles Gaudin (momentan ist auch seine Abenteuerwelt Angor nachzulesen) hat eine 9. Folge der Reihe Marlysa geschrieben, in der nur eines sicher ist: Man weiß nie, was als nächstes geschehen wird.
Marlysa ist als junge und geheimnisvolle Frau konzipiert, die keine Gefahr scheut und mittels einer Maske eine Entstellung verbirgt. Manchmal trachten ihre Feinde danach, hinter die Maske zu sehen, so auch diesmal. Die Frau ist inzwischen eine Legende, aber, wie es sich zeigt, ist sie für Bösewichte zu einer Art Trophäe geworden. Nach langer Zeit führt Gaudin seine Marlysa zurück in ihr Heimatdorf. Gaudin quält seine Hauptfigur ziemlich. Allgemein müssen Helden einiges aushalten und gerade Marlysa war in vergangenen Abenteuern recht leidgeprüft, aber hier wird es auf die Spitze getrieben. Das darf gesagt werden, ohne zuviel zu verraten.
Jean-Pierre Danard gestaltet wieder ein phantastisches Abenteuer. Marlysas Welt zeichnet sich stets durch großen Einfallsreichtum und Phantastik aus. Auch hier wird wieder aus dem Vollen geschöpft. In sehr klar strukturierten Bildern, sehr deutlich gezeichnet, penibel fast, reist der Leser erst durch eine nächtliche Stadt, erlebt wilde Natur, eine Art Staudamm und natürlich Marlysas Heimat. Die Attraktion dieser Ausgabe sind sicherlich die Kidriks, eine Mischung aus Barbar und Ork.
Sie sind ein muskulöses, frech aussehendes, auf Angriff und Eroberung bedachtes Volk. Entsprechend aktionsreich sind die zahlreichen Szenen, in denen die Kidrik auftreten. Ein besonderes Merkmal ist ihr Gebiss, an die breiten Zahnreihen eines Gorillas erinnernd. Danard setzt diese Ansicht häufig wirkungsvoll in Szene, mal grinsend, mal bedrohlich, mal gepflegt, mal auch mit Zahnlücken versehen, wenn einer der Kidriks in Gefangenschaft gerät und befragt wird.
Optisch sehr schön gelungen ist die Reise flussaufwärts, auf dem Rücken eines riesigen Fisches und beobachtet von krokodilsähnlichen Kreaturen, die kleine Brüder der Krokos aus Bernard und Bianca sein könnten. Eine eher melancholische Szene, in der Marlysa nach langer Zeit einmal wieder ihr altes Haus betritt, in dem alles von Staub und Spinnweben bedeckt ist, ist ein der seltenen, eher bedächtigen Szenen.
Ein schöner Auftakt zu einem neuen Abenteuer von Marlysa, aber eben nur ein Auftakt. Wer die Rätsel aufgelöst sehen möchte, musste den Folgeband abwarten. Beste Fantasy-Unterhaltung. 🙂
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