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Comic Blog


Montag, 15. November 2010

An Bord der Morgenstern

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:05

An Bord der MorgensternEine tote Krähe für einen Blick unter den Rock. So hatte es sich der verwahrloste Junge gedacht. Das Mädchen hatte ihm eigentlich nur etwas zu essen geben wollen. Sogar für den nächsten Tag hatte sie schon geplant. So weit kommt es nicht mehr. Der Junge erwürgt das Mädchen. Diese Untat führt auf einen langen Weg in die Piraterie, sogar in ein langes Leben, was mehr als ungewöhnlich für einen Piraten ist. Nicht wenige werden im Laufe der Zeit sterben. An Krankheiten, Messerstechereien, bei Überfällen, als Strafe. Hier werden keine Frauen gerettet. Hier werden sie ausgesetzt. Hier hat ein Blinder kein Pardon, denn er besitzt sogar den Wagemut zur Meuterei. Dann kann er auch sterben wie ein ganzer Mann. Und wie es sich herausstellt: Er kann auch töten wie einer. Aber diese Männer kennen auch Angst, die Angst vor dem elenden Verrecken. Ein schneller Messerstich ist ihnen lieber als das Siechtum einer Krankheit.

PIRATEN! Aber nicht irgendwelche Piraten: Es sind die Piraten des Seglers Morgenstern, die hier die Weltmeere unsicher machen. Echte Männer, ohne die geringste Spur altehrwürdiger Seefahrerromantik. Der Erzähler der vorliegenden Geschichte, eine Adaption eines Romans von Pierre Mac Orlan, ist niemand, der Sympathien weckt oder Vertrauen einflößt. Bereits als Junge tötet er ein Mädchen, nur um ihr unter den Rock zu schauen. Während die alten Männer, bei denen er untergekommen ist, den grausamen Akt wenigstens als etwas begreifen, das ihnen Ärger einbringt, ist dem Jungen die ganze Aufregung eher unbegreiflich.

Riff Reb’s hat sich kleine Episoden aus dem Leben dieses Taugenichtses herausgesucht, einem Leben, das an Bord der Morgenstern führt. An die Seite des Schiffsarztes Mac Graw, eines Mannes, der sich über das Schicksal von Hundewelpen grämt, während der Alltag als Pirat ihm kein schlechtes Gewissen bereitet und der seine Trauer über den Verlust der Hunde im Blut eines Mannes ertränkt. Es führt an die Seite des Kapitäns George Merry, einem Halsabschneider, wie er im Buche steht. Für einen solchen Halunken zählt nur das Überleben. Eine Beute ist eine Beute, ganz gleich ob es nur ein wenig Fang von Fischkuttern ist, Gold oder Menschen, die sich verkaufen lassen.

Riff Reb’s erzählt eine Geschichte nach, die interessant im einfachsten Falle, mitreißend im besten Falle ist. Nirgends wird der Leser eingeladen, sich auch nur mit einem einzigen der vorgestellten Charaktere zu identifizieren. Hier ist es sogar besser, nur ein stummer Beobachter zu sein. So mitleidlos wie die Piraten zu anderen sind, so mitleidlos ist diese Welt zu ihnen. Keine Gesetze, kein Schutz. Der Tod ist allerorten. Er hat sie gezeichnet und nimmt auch den in Rückblicken heranwachsenden Erzähler nicht davon aus. Die von Riff Reb’s adaptierte Geschichte wir auch von ihm gezeichnet. Die Technik und das Endergebnis setzt rundum auf Atmosphäre.

Visagen: Die Figuren sollen einen Ausdruck haben, sie sollen nicht in letzter Konsequenz realistisch ausschauen. Riff Reb’s gibt Gefühlen und Erfahrungen ein Aussehen. Da ihm durch die episodenhafte Erzählung nicht genügend Zeit bleibt, um jedes Detail eines Charakters zu erläutern, muss das Gesicht des Einzelnen, müssen Haltungen und Körper erzählen. Daraus entsteht rein optisch eine harte, auch tief verkommene Welt, in der Widrigkeiten wie die Cholera den Menschen zusetzen. In der Abartigkeiten und Verkommenheiten kaum der Rede wert sind.

In feinen Schwarzweißzeichnungen, perfekt schattiert und dadurch mit toller Tiefe versehen, zeigt Riff Reb’s diese doch eigentlich sehr exotische Welt irgendwo bei Veracruz und Porto Bello düster und dunkel, nicht hell und heiß, wie man sie sich eigentlich vorstellen sollte. Die Männer nehmen ihre dunkle Heimat mit sich, Frankreich, England, die Kriege in der alten Heimat erreichen sie auch hier draußen. Es gibt Farbe, doch je Seite gönnt Riff Reb’s sich und den Lesern nur einen Grundton, den aufhellt oder abdunkelt. Und selbst diese Farbtupfer sind kalt: Braun, Blau, Grün, Ocker, und andere, auch ein seltenes Rot wurde unterkühlt.

Wunderbar gezeichnet und trefflich erzählt. Doch gibt es hier keinen Errol Flynn oder Johnny Depp, aber es gibt eine Spur von Verstehen darüber, warum die Männer sind, wie sie sind. Aber kein Verständnis. Und keine Gerechtigkeit, außer der Tatsache, dass am Ende auf jeden der Tod wartet. Für manche am Ende eines Stricks, für andere nach langer Bitterkeit. Tiefgründig und spannend. Nichts für Romantiker. 🙂

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