Helden, die sich zu einer Gruppe zusammenfinden, gab es schon oft. Schurken, die ähnliches versuchten, gab es nicht weniger, allerdings fehlte ihnen häufig die Disziplin, um ein Bündnis dauerhaft zu führen. Norman Osborn und seine ganz persönlichen Rächer scheinen dieses Kunststück dank seiner starken Hand zu gelingen. Anderen geht es nicht so. Das weckt Neid. Norman Osborn hat die Macht. Noch. Denn andere wollen ein Stück von diesem Kuchen abhaben. Brian Michael Bendis, einer der namhaftesten Marvel-Autoren der letzten Jahre, fiel besonders mit seinen Beiträgen zum Ultimativen Universum auf. Zusammen mit Stuart Immonen, Zeichner und ebenfalls Veteran des Ultimativen Universums, beleuchtet er die Schurkenseite des Marvel-Events Dark Reign mit einer recht interessanten Facette.
Wenn es Schurken gelänge, anderen, Helden wie Schurken, die Superkräfte zu nehmen, was könnte sie noch aufhalten? Einfache Antwort: Nichts. Da Marvel-Universum käme in eine ähnliche Situation, wie sie auch die Marvel-Zombies heraufbeschworen haben, nur ohne das Aufessen. Plötzlich müssen die Rächer chancenlos aufgeben. Ihre Kräfte schwinden nicht nur, sie wenden sich gegen sie. Daraus resultieren neue und ungewohnte Situationen, spannende Momente, die bei all dem Kräftemessen, dem Herumprügeln auf Übermenschenniveau oft fehlten. Denn auffällig ist: Die Heldengeschichten sind erst dann richtig gut, wenn sie nicht nur mit ihrem Latein, sondern auch mit ihren Kräften am Ende sind.
Stuart Immonen schafft auf der Basis der Vorgaben von Bendis tolle Bilder, die immer noch Action-Kracher sind, aber den Helden alles abverlangen. Zur Verdeutlichung: Selbst die Überfigur Sentry wird zum greinenden Häufchen Elend, nachdem die Kräfte futsch sind. Und damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Osborns dunkle Rächer absolvieren einen grandiosen Auftritt und … Vor dem Haupthandlungsstrang verblassen die kleinen Nebenschauplätze, auch solche, die noch einmal interessant werden.
Immonen beherrscht eine Jugendstil-ähnliche Zeichentechnik, sehr klar, exakt, bei Haaren gerne auch etwas verschnörkelt, die hier wunderbar durch Wade von Grawbadger (Tusche) und Dave McCaig (Farben) unterstützt wird. Von Grawbadger setzt eine dickere Außenlinie, ist großzügig mit Schattierungen, die in feinen Schraffuren auslaufen. Feine Innenlinien sind auf das Nötigste beschränkt. Die Farbgebung folgt dieser Vereinfachung. Dennoch wirken die Bilder so, als seien Fotovorlagen, am besten aus entsprechenden Filmen nachgezeichnet worden. Immonen komponiert damit zuweilen seitenübergreifende Bilder, sogar komplette Doppelseiten. Das Duell am Times Square ist ein Beispiel für ein perfektes Comic-Bild.
Eine wirklich geniale Fortführung des Dark Reign Komplexes, die den Allmachtgedanken aus diesem Marvel-Ereignis zumindest zeitweilig entfernt und am Schurkenthron sägt. Bestens erzählt und gezeichnet. Top! 🙂
Links: www.jinxworld.com (Homepage von Brian Michael Bendis)