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Comic Blog


Freitag, 17. September 2010

Die Herberge am Ende der Welt

Filed under: Mystery — Michael um 18:50

Die Herberge am Ende der WeltEin Schriftsteller sucht den perfekten Ort für seine Inspiration und für die nötige Ruhe, um seine Arbeit mit aller erforderlichen Konzentration zu machen. Sein Weg führt ihn zur Herberge am Ende der Welt. Freilich liegt die Herberge nicht dort, denn ein Ende der Welt gibt es wohl nicht. Ein Ende bewohnter Gegenden schon. In dem kleinen Ort, den der Schriftsteller Edgar Saint Prieux in einer regnerischen Nacht betritt, lebt nur noch eine Menschenseele. Alle anderen sind gegangen. Saint Prieux richtet sich in seinem neuen Domizil ein. Es ist, besonders bei diesem Unwetter, ein wenig unheimlich. Der Herbergsinhaber hingegen, der so lange einen Gesprächspartner entbehren musste, erkrankt und ist für ein wenig Pflege und Gesellschaft dankbar. Bald beginnt er seine Erzählung darüber, wie es mit dem kleinen Ort so weit kommen konnte.

Es waren einmal zwei Kinder, keine Königskinder, doch zusammenkommen sollten sie trotzdem nicht. Irena und Yann verstehen sich sehr gut. Es gibt keine der üblichen Hänseleien, wie sie zwischen Mädchen und Jungen sonst bestehen. Sieht ein aufmerksamer Betrachter die beiden zusammen, könnte der Eindruck einer Bestimmung entstehen. Doch eines Tages verschwindet Irena und ihre Mutter, die sie nach Hause hatte bringen wollen, wird ermordet aufgefunden. An diesem Tag ändert sich für Yann alles. Aus dem lebenslustigen Jungen wird ein gebrochener Charakter. Die Jahre vergangen und schließlich geschieht etwas sehr seltsames.

Menschen verschwinden. Menschen kehren zurück. Viele Geschichten ranken sich um dieses Grundthema. Meistens sind die Heimkehrer auf eine bestimmte Art verändert und zehren von Erfahrungen, um die sie ein Geheimnis machen. Auch Irena kehrt nach vielen Jahren zurück. Vom Vater sofort wiedererkannt, kann sie dennoch nicht mündlich bestätigen, dass sie Irena ist. Irena ist verstummt.

Tiburce Oger, bewandert in gruseligen, auch märchenhaften Geschichten, wie seine bisherigen Veröffentlichungen zeigen, nimmt den Leser auf eine Reise mit, deren Atmosphäre sich einschleicht. Zuerst ist es nur eine harmlose Geschichte. Ein Schriftsteller auf der Suche, zwei glückliche Kinder, bis sich, man möchte sagen klammheimlich, eine merkwürdige Stimmung einstellt. Oger wirft neue Fragen auf, indem er den Leser an der Seite des Schriftstellers langsam auf das Geheimnis zuführt. Damit dieses Kunststück (und es ist eines), braucht es einen Künstler, dessen Bilder diesen Vorgang unterstützen können.

Oger arbeitete bereits bei Canoe Bay mit Patrick Prugne zusammen. Prugne, der dort eine Geschichte aus der nordamerikanischen Kolonialzeit illustrierte, zeigte auch schon mit FOL, dass er sich mit märchenhaften Themen auseinandersetzen kann. Seine sehr weiche, glasige Aquarelltechnik kommt der Geschichte zugute. Manchmal nebelhaft aufgetragen, hin und wieder in unwirklich hellen Farben, selbst in dunklen Szenen, könnte seine Technik mit der Überschrift romantisch versehen werden.

Prugners Außenaufnahmen, die Ansichten des Hafenörtchens, der Küste, sind wunderschön. Das Interieur, mit all seinen Bildern, die einen Blick auf diese vergangene Zeit geben, auch die Sicht auf Innenhöfe und Marktplätze, verstärkt die Dichte der Atmosphäre und Geschichte. Dank Prugne entsteht die Grundlage für Die Herberge am Ende der Welt in einer handfesten, greifbaren Weltenbeschreibung, auf der Oger seine Handlung in kleinen sorgsamen Schritten ausbreiten kann.

Romantisch unheimlich: Eine geistvolle Geistergeschichte, in bestem Sinne französisch, packend, einfach schön vom bewährten Duo Tiburce Oger und Patrick Prugne in Szene gesetzt. 🙂

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