In den Tiefen, jenseits von Midgard und Asgard, leben die Nibelungen. Zwist und Bruderkrieg ist Alltag. Eines Tages flieht Alberich, ein Nibelung, vor seinen Verfolgern nach Midgard und bricht damit ein strenges Tabu. Lange irrt er umher, bis er die Hüterinnen des Himmlischen Goldes trifft. Alberich ist zunächst von ihnen verzaubert. Als sie sich jedoch über ihn lustig machen, über seine so andersartige Gestalt, ihn hässlich nennen, nimmt der Wunsch nach dem Gold ihn in Besitz. Nur noch dieses Gold, dieses mächtige Metall will er haben. Und eines Nachts, als die Hüterinnen schlafen, taucht er hinab zum Versteck des Goldes und stiehlt es.
Mit diesem Diebstahl nimmt ein Verhängnis seinen Lauf, das sehr viel Unglück mit sich bringen wird, selbst für jene, die es zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ahnen. In Deutschland kommt ein Heranwachsender kaum an den Sagen um Siegfried vor bei. Ob in älteren Erzählungen, in Neuauflagen oder auch in Fernsehserien lässt sich das Wissen um den blonden Recken, den Drachentöter mehr oder weniger erwerben. Götterdämmerung beschäftigt sich mit seiner Ausgabe 0, Der Fluch des Rings, mit der Vorgeschichte.
Der erste Eindruck erinnert an den Herrn der Ringe. Das ist so falsch nicht, denn J.R.R. Tolkien bediente sich auch großzügig in Sagen und Legenden, um seine eigene Geschichte zu entwerfen. Optisch ist der erste Eindruck grandios. Auch mag hier eine Ähnlichkeit zur Verfilmung diverser Szenen von HdR kein Zufall sein. Damit begnügt sich Gwendal Lemercier allerdings auch schon. Der weitere Fortgang ist ebenso opulent, sehr naturalistisch gezeichnet. Einige Höhepunkte sind die Eingangsszene, Alberichs Rückkehr und Machtergreifung, Alberichs Kampf gegen Wotan, aber auch die Entstehung des Fafnir.
Farblich nutzt Mouclier die technischen Möglichkeiten des Rechners zur natürlich aussehenden Kolorierung. Sicherlich ist erkennbar, dass hier der Computer im Einsatz war, doch soll es möglichst nach einem natürlichen Farbauftrag ausschauen. Das geschieht mit der gleichen Ausführlichkeit, die auch bei echter Kolorierung geschehen kann, allein durch das zufällige Zusammenfließen oder Durchscheinen von Farben. Der Eindruck ist plastisch, aber zurückgenommen, mit gedeckten Farben. Lichter und Schatten werden sorgsam arrangiert. Goldglanz, Feuerschein und auch das Blond von Wotan reißen helle Flecke in dieses Arrangement.
Jean-Luc Istin, ein Autor, der sich bereits durch phantastische Szenarien wie Herr der Finsternis und Das fünfte Evangelium hervortat, kann nicht verhehlen, dass er klassische Stoffe mag. Merlin und Lancelot sind nur zwei weitere Beispiele hierfür. Fast musste es auch zu dieser Arbeit am Nibelungenlied kommen. Szene für Szene wird gut aufeinander aufgebaut, so dass die Überraschung nicht in der Erzählung, sondern in der Optik zu suchen ist. Istin sorgt dafür, dass sich hierfür die besten Szenen finden. Groß soll es sein, eine Oper für das Auge.
Ein optischer Gaumenschmaus: Abgesehen von Siegfried wurden Abschnitte von Heldensagen und Göttererzählungen selten so schön und aufwändig zelebriert. Ein sorgfältiger Anhang verdeutlicht Zeichentechniken und stellt Details aus der nordischen Sagenwelt vor. 🙂
Götterdämmerung 0, Der Fluch des Rings: Bei Amazon bestellen