Der Mann im Flugzeug auf dem Sitz gleich neben Morgentau will nur seine Ruhe haben. Das kleine Mädchen mit dem märchenhaften Namen sucht allerdings Abwechslung auf dem langweiligen Flug. Um weiter an der kleinen Kugel forschen zu können, die er bei sich hat, gibt er der Kleinen eine Puppe, mit der sich das Mädchen beschäftigen soll. Wenig später hat der Mann einen Schwächeanfall. Jetzt ist nicht nur guter Rat teuer, denn an der Kugel wie auch an der Puppe scheinen verschiedene Menschen interessiert zu sein. Aber aus welchem Grund?
Bestechen die Geschichten rund um Yoko Tsuno schon immer durch ihre phantastischen Ideen, kann Autor und Zeichner Roger Leloup in seinen Szenarien aus dem Reich der Mitte noch einen Schritt weitergehen. Die Japanerin Yoko Tsuno, in deren Stammbaum sich auch eine chinesische Wurzel verbirgt, erreicht im ersten Abenteuer des vorliegenden Sammelbands Unter der Sonne Chinas die ehemalige britische Kronkolonie Hong Kong mit äußerst gemischten Gefühlen.
Roger Leloup kann nicht umhin und die Monsterfilme aus dem asiatischen Raum ignorieren, die eher dem japanischen Kino zuzuordnen sind. Im Gegensatz dazu glänzte Hong Kong mehr mit seinen so genannten Martial Arts Filmen. Leloup nutzt einen Trick. Er vermischt chinesische Mythologie mit etwas Science Fiction und schon entsteht etwas, das sich als Mixtur aus Godzilla und Surface deuten lässt. (Besonders letzteres ist interessant, da hier Thematiken vorweg genommen worden zu sein scheinen, die 20 Jahre später im amerikanischen Fernsehen auftauchen.)
Der Drache von Hong Kong ist für Leloup nicht nur die Gelegenheit, sich vor dem Monster-Film zu verbeugen. Er vergrößert die Familie von Yoko durch eine Adoption. Der traditionelle Weg ist langwierig und nicht eben machbar in einem Comic. Mit der kleinen Chinesin Morgentau erhält Yoko nicht nur eine Tochter (oder auch kleine Schwester), es ergeben sich auch neue Möglichkeiten, kindliche Abenteuerlust einzubringen, ein Umstand, der von Leloup in den Abenteuern um Vinea mit der kleinen Poky bereits genutzt wurde. Allerdings ging er noch sehr verhalten damit um.
Betrachtet man die beiden weiteren Abenteuer Die Himmelsdschunke und Die Pagode der Nebel bringt er damit einen regelrechten Stein ins Rollen. Morgentau bleibt nicht lange alleine. Mit der kleinen kaiserlichen Gemahlin Sin-Yi findet sich sogar noch ein weiteres Mädchen, das für allerhand Trubel sorgt, wird sie doch sogar zu einem Auslöser für eine Reise in die Vergangenheit. Roger Leloups Ideen verweigern sich irgendwelchen Grenzen. Damit erinnert er ein wenig an die Welten eines Henri Vernes und seiner Figur Bob Morane. Leloups Abenteuer sind jedoch viel kinderfreundlicher erzählt, obwohl es dennoch zur Sache geht.
Bezeichnend für Leloup ist bei aller Phantastik eine gute Recherche, die Anlehnung an die Wirklichkeit in real existierender Umgebung, die Verwendung von Dingen, die er für seine Zwecke umformt und natürlich der technische Aspekt, ohne den keine seiner Produktionen auskommt und das besonders phantastische I-Tüpfelchen markiert.
Im ersten Abenteuer des Sammelbands, der die chinesischen Abenteuer Yoko Tsunos vereinigt, ist es der mechanische Drache, der in den Gewässern vor Hong Kong sein Unwesen treibt. Mit der Zeitmaschine wird diese Technik noch einmal getoppt. Die Darstellung eines altertümlichen Chinas mit seinen Kostümen, seiner urig schönen Landschaft und seinen traditionellen Gebäuden bildet eine grafische und erzählerische Einheit mit diesen von Leloup erdachten Errungenschaften. In der Geschichte Die Pagode der Nebel gelingt es ihm sogar, beides perfekt miteinander zu verschmelzen.
Im Vorfeld, wie auch im Anhang des vorliegenden Bandes wird die genaue Arbeitsweise Leloups wieder einmal sehr deutlich. Penibel ausgeführte Zeichnungen, auch fallengelassene Entwürfe, Farbvorgaben: Leloup überlässt nichts dem Zufall. Mit großem handwerklichen Geschick und künstlerischem Talent wird auch diese Seite von Yoko Tsunos Leben zu einem Erlebnis.
Drei chinesische Abenteuer vorn Yoko Tsuno: Etwas märchenhafter, von toller Ausstattung und ebenso feinen Einfallsreichtum durchdrungen, liebevoll, ernsthaft und spannend erzählt. Leloup ist ein Garant für schöne Phantastik. 🙂
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