Der Scheiterhaufen von Malemort ist mehr als eine Erinnerung. Allein das Bild weckt das Grauen in jenen, die diesen Tag überlebten und der Heiligen Inquisition und ihren Häschern entgingen. An der Vorgehensweise der Inquisition hat sich seither nicht viel geändert. Sie ist ebenso unnachgiebig und grausam. Mit Aymon de Montgarac steht ihr ein Mann vor, der unerbittlich jene jagt, die er im Bunde mit dem Teufel wähnt. Ritter Malperthuis hatte das Pech in seine Fänge zu geraten. Angeschlagen wie der Ritter ist, ohne Waffen und gegen eine Übermacht stehend, müssen er und die ebenfalls gefangene Agnes, Antheas Mutter, ihrem Schicksal harren.
Ein alter hohler Berg dient als Verlies und Folterkammer zugleich. Immer und immer tiefer geht es hinein und hinab. Je weiter die Gefangenen in diesen Schlund geführt werden, desto mehr schwindet ihre Hoffnung, jemals wieder an die Erdoberfläche zu gelangen. Oben sind Anthea und Arnulf weiter auf der Suche nach den beiden Entführten. Anthea wird von ihrer Sorge übermannt und gerät mit ihrem Begleiter, der besonnen vorgehen möchte, in Streit. Es ist keine glückliche Zeit. Und in der Tat: Wenig später stecken Anthea und Arnulf wieder bis zum Hals in Ärger, ohne zu ahnen, dass sie dadurch ihrem Ziel etwas näher kommen.
Aymon de Montgarac und Graf Colbus de Malemort sind die Drahtzieher hinter den Kulissen dieser Geschichte. Montgaracs unversöhnlicher Hass auf Malemort zieht jene, die sich für den Grafen einsetzen in einen Strudel hinab. Die Ursachen für den Zwist reichen Jahrzehnte zurück, wie es sich hier in einer kurzen Begegnung zeigt. Eric Stalner, Autor und Zeichner, lüftet einen Moment lang den Schleier und gibt dem Leser Einblicke in die Gründe für die unglückseligen Umstände, in denen sich Anthea, Arnulf, Agnes und Malerthuis befinden.
Der Kerker wird hier zum zentralen Handlungsort. Wer annehmen mag, dass ein Kerker nicht viel zu bieten habe, täuscht sich in den Ausmaßen. Der Wer hinein ist lang, die Wege drinnen noch länger und es scheint unzählige Zellen und Winkel zu geben. In der Dunkelheit schafft Stalner plötzlich Bedrohungen, die rein gar nichts mit Vampiren zu tun haben. In der Zelle, in die Anthea und Arnulf geworfen werden, gibt es bereits Bewohner. Für diese sind neue Zellenbewohner vor allem eines: Nahrung. Und hier wirft Stalner einmal mehr das alte Konzept des blutsaugenden Vampirs über den Haufen, indem er ihn nicht als Monster, sondern als Retter verwendet.
Das Monster hat seine dunklen Seiten, Stalner kann dies nicht ausblenden. Aber Malemort, der einen schwarzen Umhang über einer weißen Tunika trägt, ist auch jemand, der sich für seine Wesensart schämt. Allerdings lässt diese ihm auch zuweilen keine Wahl. Hier kann der Vampir erstmals so richtig mit aller Macht seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, die sich nicht nur im brutalen Angriff erschöpfen. Malemort ist ein Rhetoriker, eine Respektsperson. Für jemanden, der es nicht besser weiß, wie den kleinen Arvid, der im Kerker aufgewachsen ist, ist Malemort noch etwas anderes: Ein Vogelmensch und somit ein Sinnbild der Hoffnung.
Optisch schafft Stalner einen Ort der Verzweiflung und einen Vorhof zur Hölle. Nach einem kurzen Intermezzo in einer kleinen Ortschaft, deren Tageslicht und Farbenpracht über ihre Gefährlichkeit hinwegtäuscht, gehen die Befürchtungen der Helden (und des Lesers) und die Atmosphäre Seite an Seite. Stalner weiß jedoch die Befürchtungen seiner ihm Anvertrauten zu unterlaufen: Sie sind nämlich noch viel schlimmer. Cineasten mögen vielleicht Vergleiche zu den labyrinthartigen Gewölben aus Der Name der Rose ziehen, vielleicht auch zur Unterwelt unter dem russischen Friedhof in Hellboy. Das grob behauene Gestein wird durch Mauerwerk und Deckenbögen gestützt. Überall warten stählerne Gittertüren auf die Verzweifelten. An den Decken hängen eiserne eierförmige Körbe, wie sie auch in der Realität zur Folter und Gefangenschaft verwendet wurden.
Neben der Kulisse vergisst Stalner keinesfalls die Schergen und Folterknechte, die aus dieser Hölle einen noch unliebsameren Ort machen. Visagen und Fratzen machen aus diesem Ort zusätzlich eine Geisterbahn. Die Farben von Jean-Jacques Chagnaud können hier ihre volle Wirkung entfalten. Magisches Blitzen der Tricks von Malemort erhellen die Dunkelheit, Kerzenschein und Fackelfeuer machen aus dem Kerker einen Glutofen.
Ein sehr guter und hoch spannender zweiter Teil. Anthea und ihre Gefährten können eine Teilaufgabe der Handlung erfüllen, allerdings um einen hohen Preis. Der Gruselfaktor wurde hier deutlich angehoben, dennoch vergisst Stalner die Handlungstiefe nicht und wartet mit so manchen Details auf. Eine tolle Gruselmähr. 🙂
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