Rache! Die Baba Jaga kann und will Hellboy nicht verzeihen. – Aber das interessiert Hellboy sowieso nicht. Eine Hexe ist wie die andere. Und dieser ganze Haufen, der ihn zu sich gelockt hat, kann sich den Mund fusselig reden, niemals wird er sein so genanntes Erbe als König der Hexen antreten. Deshalb dreht er ihnen den Rücken zu und marschiert zur Tür heraus. – Wo kommt der ganze Schnee auf einmal her? Oh! Kacke! Hellboy steckt wieder in Schwierigkeiten, großen Schwierigkeiten sogar, denn diesmal hat es ihn weitab in die Fremde verschlagen, fern der Heimat. Fern der irdischen Dimension.
Während sich die Hexen überlegen müssen, wer denn nun ihr neuer Herrscher oder ihre neue Herrscherin wird, hat Hellboy ganz andere Probleme. In seiner Vergangenheit hat er viele Feinde kennen gelernt. Sie waren unheimlich, brutal, auch zahlreich, aber so zahlreich? Vor ihm steht, von den eisigen Winden gepackt und umweht, ein Heer von untoten Kriegern, die nur ein Ziel haben: Hellboys Tod.
Hellboy lässt sich nicht beirren. Dumm ist er auch nicht. Eine Übermacht vermag er zu erkennen, also flieht er. – Geradewegs in ein Wolfsrudel hinein, deren einzelne graue Gesellen weitaus größer sind als gewöhnliche Wölfe.
Hellboy ist in der Welt der Baba Jaga angekommen und dort kann sie mit machen, was sie will. Das glaubt sie jedenfalls. Nicht jeder ist mit den Plänen der Baba Jaga einverstanden, auch nicht in ihrer Welt. Das ist letztlich nur ein kleines Glück für Hellboy, der daraus nur eine Verschnaufpause ziehen kann. Mike Mignola nutzt hier eine offene Rechnung aus, um Hellboy mal wieder so richtig in die Bedrouille zu schicken. Mignolas Held muss sich verdammt anstrengen, damit er dieser Falle entgeht.
Thematisch schafft Mignola eine ähnliche Grundlage wie im neuen Kinofilm um den roten Ermittler. Die Hexen müssen sich es auf den Kopf zusagen lassen, dass sie verblassen, wie alle Kinder der Erde langsam verblassen. Als ein Teil der mythologischen Figuren besitzen sie zwar noch Macht, doch sie nutzen sie nicht. Gruagach, auch ein alter Bekannter, will den Hexen eine Königin verschaffen, ein Wesen, das so mächtig ist, dass sich sogar die Hexen vor ihr fürchten. Hier entspinnt sich eine Handlung, von der Hellboy nichts erfährt, da er alle Hände voll zu tun hat.
Zu diesem Zweck hat sich Mignola ein Duell ausgedacht, wie es lange nicht zu sehen war – ich möchte es gerne mit jener scheinbar ausweglosen Auseinandersetzung zwischen Spider-Man und Morlun vergleichen. Auch Hellboy begegnet hier einem Gegner, den er aus eigener Kraft nicht zu besiegen vermag. Mit Koschej ist Mignola eine ungemein kraftvolle und ausdrucksstarke Figur gelungen. Dieser Feind ist jemand, der tötet, damit er selber sterben kann. So erhofft es sich jedenfalls durch die Hand der Baba Jaga, die ihn als Handlanger gegen seinen Willen am Leben erhält.
Was für ein schönes, was für ein schreckliches Ding du bist.
Besser lässt sich diese Figur nicht umschreiben als mit den Worten der Baba Jaga. Ein Komödiant würde als Titel vielleicht Apokalypse für zwei wählen. Obwohl es ein beständig hin und her wogender Kampf ist, verliert er zu keiner Zeit seine Dramatik. Mignola, so scheint es, hat sich an ähnlichen Kämpfen aus der Mythologie orientiert, in der Auseinandersetzungen bis an das Ende aller Tage nicht selten sind.
Die Inszenierung dieser und der parallel laufenden Handlung obliegt Duncan Fegredo, der hier das Kunststück vollbringt, sich grafisch Mignola anzunähern, aber dennoch eine eigenständige Handschrift behält. Die Technik erinnert auch hier an einen äußerst feinen Holzschnitt, eckig, gebrochen, immer etwas abstrahiert. Und er passt gekonnt zu der unheimlichen Atmosphäre, in der ein optischer Höhepunkt den nächsten jagt. Ob der wieder auferstandene Hexenjäger, die Hexen selbst, das Heer der Untoten, Peruns Auftritt, der Kampf gegen Koschej, das kleine helfende Mädchen … Die Liste der interessanten und fesselnden Szenen in diesem Band ist lang.
Die Action ist hier auch maßgeblicher als zuvor in anderen Ausgaben. Die Menge all der Wendungen, in denen sich Hellboy seiner Haut erwehren muss, oder in denen die Baba Jaga mit ihrer Bösartigkeit auch vor Göttern nicht Halt macht, erweckt jedenfalls diesen Eindruck.
Die Details, mit denen Fegredo aufwartet, sind mannigfaltiger als bei Mignola, allerdings kann sich Fegredo auch über viele verschiedene Sets dank der erzählerischen Vorlage von Mignola freuen. Die Farben von Dave Stewart geben jeder Szene das richtige Licht. Stewart ein Topprofi auf diesem Gebiet, kennt die B.U.A.P. und andere phantastische Szenarien schon länger und versteht sich mit hoher Eleganz auf kontrastierende Farbgebungen, die Plastizität verleihen, aber keine drei dreidimensionale Form imitieren wollen.
Hellboy muss sich einer seiner größten Herausforderungen stellen. Mike Mignola ist ein tolles Szenario in einer Mischung aus Märchen, Mythos und Endzeit gelungen – fast ein wenig japanisch. Duncan Fegredo zeichnet teuflisch gut. Seine düsteren Ansichten aus dieser und der jenseitigen Welt gefallen ungeheuer gut und sind hoffentlich nur ein Vorgeschmack auf weitere Arbeiten. 🙂
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