Die R.S.S. Konstantinow hat die Geistersphäre erreicht. Kurz darauf kollabiert das Transfertor. Diese Katastrophe stürzt viele tapfere Soldaten ins Verderben. Stundenlang kreuzt die Konstantinow alleine durch einen unbekannten und unheimlichen Nebel. Das mächtige Kriegsschiff ist blind. Nirgends gibt es einen Anhaltspunkt. Plötzlich erschallt der Warnruf. Nur ein Ausweichmanöver bewahrt die beiden aufeinander zufahrenden Luftkreuzer vor der Kollision und somit der endgültigen Vernichtung.
Bald tobt in und um die Konstantinow der Kampf. Die Soldaten sind nicht allein in ihrem Wunsch, die verlorenen Seelen zu befreien. Eher heimlich begeben sich derweil der verschollene Marcus Antares und die Rote Frau in die Höhle des Löwen.
Das Gefängnis der Seelen bildet den Höhe- und Abschlusspunkt einer innovativen und oppulenten Fantasy- und ScFi-Trilogie eines etwas anderen russischen Reiches. Christian Gossett und seine Mannen mischen hier munter und unverkrampft die verschiedensten Genres miteinander.
Wer sich an die gute alte Zeit der Piratenfilme und die Seeschlachten erinnern kann, der findet sich hier in einem Kampfszenario mit vollen Breitseiten wieder, dass es nur so scheppert und explodiert. Geschossbahnen ziehen ihre Spuren, während in den Unterdecks – eine Verneigung vor dem guten alten U-Boot-Szenario – die Mannschaften dafür sorgen, dass der Pott läuft. Im Dunst einer anderen Dimension fahren zwei Kriegsschiffe aufeinander zu, bis die Kollision droht – ein ebenfalls gern genutzter Effekt zur Spannungssteigerung in einem Epos über Schiffskämpfe, das auch hier seine Wirkung nicht verfehlt.
The Red Star vermag es – natürlich nur bei jenen, die kriegerische Szenarien mit einem hohen und ausgefallenen Fantasy-Faktor mögen – den Leser absolut in seinen Bann zu ziehen. Dies funktioniert zuallerst über die Optik, die in dieser Art sehr selten ist, da ihre Herstellung einen Aufwand bedeutet, der im Comic-Bereich eher ungewöhnlich ist. Das Endergebnis – wie auch der Erfolg – gibt den Machern aber recht.
Wir begegnen den Kriegsschiffen im vorliegenden Band in der so genannten Geistersphäre, einer Dimension zwischen Leben und Tod, in der der Diktator Imbohl die Seelen der Gefallenen sammelte. Durch ihre Versklavung erhoffte er sich Unsterblichkeit. Für alle Beteiligten geht es den Sturz oder Erhalt der Macht ihres Gebieters.
Für den an Geschichte interessierten Leser ist klar, dass die vorliegende Handlung durchaus von realen Ereignissen inspiriert ist. Der Zerfall der Sowjetunion hat sich bestimmt nicht derart surrealistisch abgespielt, aber die Phantastik, die auferlegte Göttlichkeit in der Darstellungen von Marx und Lenin hat die Ideen der Macher von The Red Star sicherlich in größere Höhen getrieben. Letztlich findet sich hier ein Abbild der westlichen Vorstellungen über den russischen Bären. Größte Ergebenheit, Hörigkeit gegenüber dem Reich, der ideologische Glaube an eine höhere Bestimmung, ein starkes Gemeinschaftsgefühl – Gossett stellt das Gute im Geist jener Soldaten heraus, die sich einem Ideal verpflichtet fühlten, in Realität Mütterchen Russland, hier Imbohl, ein böser Geist.
Obwohl die Kämpfe die Geschichte im vorliegenden dritten Band zu weiten Teilen bestimmen, wird der Leser von einer Fülle von Text überrascht, der nicht zu erwarten war und der eine ziemliche Dichte der Handlung zur Folge hat. Außerdem fesselt so manche Collage das Auge, überschwemmt es mit Informationen, muss verweilen, springen und sich in die Details bohren, da die Intensität der Darstellung keine andere Wahl lässt. Das ist ungewöhnlich, strengt auch an, wird aber dankbar wegen seiner außergewöhnlichen Andersartigkeit angenommen.
Diese Bilder sind es, die zum Vor- und Zurückblättern einladen, die einen festhalten. Maßgelblich dafür verantwortlich ist natürlich die Mixtur aus traditionellen Charakterzeichnungen und vornehmlich dreidimensional gestalteten Hintergründen. Hier sind besonders die Kriegsschiffe und technischen Gerätschaften zu nennen. Das ergibt zusammen mit allen nur erdenkbaren Spielereien, die per Computerkolorierung möglich sind, eine unglaubliche Comic-Ansicht.
Trotzdem ist eine der eindrucksvollsten Figuren Troika, eine Art stählerner Tod, ein Diener Imbohls. Leider ist sein Auftritt nicht sehr groß. Dafür ist die Optik gigantisch. Wie auf einer riesigen Leinwand starrt der Leser dieses stählerne Skelett an, dessen Ketten weit geschwungen in der Ferne des Nebels verschwinden.
Eine verschachtelte Geschichte, die viel Aufmerksamkeit benötigt, vor einer grandiosen Optik. Die Geschichte zelebriert das Ende eines Abschnitts einer großen Nation und gibt einen Ausblick auf eine Fortsetzung – die angesichts des technischen und grafischen Aufwands auf sich warten lassen wird. Aber nicht verzagen. Die ersten drei Teile haben so viel zu bieten, auch zwischen den berühmten Zeilen, dass sich ein mehrmaliges Lesen lohnt. 🙂
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