Eigentlich wollte Jomi nur ein wenig Geld verdienen, da ihre Kunst eine brotlose ist. Wie gut, dass ihr Vater der Besitzer einer Bodyguard-Agentur ist und ihr eine Stelle geben kann. Doch so richtig glaubt er nicht an ihr Talent als Leibwächter. So müssen ihre Brüder heimlich im Hintergrund auf sie aufpassen. – Um ihr zu Hilfe zu eilen, falls Gefahr droht. Und natürlich, falls sie Mist baut. Auch Väter müssen hin und wieder unternehmerisch denken.
Können Androiden von elektronischen Schafen träumen? Das ist nicht ganz die Frage, die sich hier stellt. Vielmehr stellt sich die Frage, ob ein künstliches Wesen, per Definition ohne Seele, ein eigenständiges Leben führen kann? Noch dazu das eines Künstlers? Kunst ohne Seele? Geht das?
Ja, es funktioniert in dieser Geschichte von Andi Watson, der sich dem Thema auf sehr amüsante und weitaus weniger philosophische Art annimmt, wie mancher Leser zuerst befürchten mag.
Jomi ist es zu Beginn nicht anzumerken, dass es sich bei ihr um eine Androidin handelt. Sie ist eine junge Frau, deren Ziele sich nicht zu erfüllen scheinen, die Talent hat, aber nur wenig Möglichkeiten, um daraus auch ihren Lebensunterhalt zu beziehen. An einem Punkt, an dem sie eine Art von erzwungener Bescheidenheit gelernt hat, nimmt sie einen Job als Leibwächter einer reichen Zicke aus dem Show Business an. Doch die Zicke namens Ms. Hostynek ist gar nicht so zickig. Brant, ein Ex, macht ihr in bester Stalking-Manier das Leben schwer.
Jomi hält die Aufgabe für leicht – ebenso wie der Leser und damit wird die Geschichte gleich zu Beginn an unterschätzt.
Von Kapitel zu Kapitel wird Geisha komplexer. Peck, der Mann, der sie zur Fälschung eines Gemäldes anstiftete, lässt ihren Bruder verprügeln, da er angeblich in Pecks Gebiet dealt. Jomi kann gegenüber ihren Verwandten kaum zugeben, dass sie nur über halbseidene Machenschaften plötzlich an viel Geld gekommen ist. Schlimmer noch, Jomi droht Peck wegen ihres verprügelten Bruders mit Enthüllungen über das Gemälde und plötzlich geht es um Leben um Tod.
Andi Watson spielt in höchstem Maße mit den Erwartungen des Lesers. Er enttäuscht, er veralbert sie, verstärkt sie, nie bleibt er auf der Spur und macht genau das, was eigentlich erwartungsgemäß passieren sollte. Watson kennt diese Erwartungshaltung genau, hat er auch für den Mainstream geschrieben, wie Veröffentlichungen von Buffy, Aliens, X-Men und Hellboy belegen.
Mit Geisha fühlt man sich als Leser zunächst in ein zukünftiges Beverly Hills 90210 versetzt. Keine echten Probleme oder eben nur jene, die Heranwachsende haben, wenn sie ihren Platz im Leben finden. Aber Jomi ist als Charakter vielschichtiger als die Partypüppchen aus der erwähnten Fernsehserie, ihre Geschichte viel interessanter.
In einer Szene, die Watson in ähnlicher Form im Film Bodyguard gesehen haben mag, eskaliert die Situation. Nicht nur Jomi zeigt, was in ihr steckt, sondern auch ihr Bruder. Eine Schießerei entbrennt im Publikum und auf der Bühne, wo Jomi gegen einen Mann im Kampfroboteranzug antreten muss. Am Ende ist es eindeutig: Jomi hat durch ihre neue Aufgabe ihre Berufung gefunden. Ihr Talent als Bodyguard ist größer als das der Malerin in ihr.
Watson illustriert seine Geschichte selber in einem cartoon-artigen Stil, fast ein wenig wie Darwyn Cooke. Auch Watson zeichnet eine Trickfilmserie auf Papier, arbeitet mit einfachen Formen und Gesichtsausdrücken, die einerseits äußerst rudimentär, aber anderseits grundsätzlich aussagekräftig sind. Manchmal ist dieser grafische Stil – obwohl die Geschichte in Zukunft handelt – eine Rückbesinnung auf die absoluten Anfänge der Comic-Zeit als Augen noch Punkte waren und jede Figur einen Kartoffelkopf besaß.
Die Darstellung beschränkt sich auf eine Graustufe als Kontrastfarbe. Das Auge erhält die nötigen Informationen nebst Dialog für ein schnelles Lesen. Watson beherrscht eine gute Tempovorgabe, die man als Leser einfach mitmachen muss, da die Bilder zügig erfasst und inhaltlich ausgewertet sind. Ein zweiter Blick ist nicht erforderlich.
Ein kleines Experiment nahe bei den Wurzeln des Comics, Nostalgie in einer Mixtur aus Soap Opera und Science Fiction. Wer ein schnelles und rundes Lesevergnügen (mit Zugaben nach der Hauptgeschichte) sucht, Spannung und Humor in einem Paket mag, der sollte einen Blick riskieren. 🙂
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