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Comic Blog


Dienstag, 24. Juni 2008

Der Schimpansenkomplex 1 – Paradoxon

Filed under: SciFi — Michael um 20:53

Der Schimpansenkomplex 1 - ParadoxonWährend einer Abenddämmerung im Februar des Jahres 2035 erscheinen plötzlich unerwartete Radarechos auf den Schirmen einer kleiner amerikanischen Flotte mitten im Indischen Ozean.
Die Schiffe erhalten den Befehl, sich um das im Meer niedergehende Objekt zu kümmern. Als die Mannschaften eine Raumkapsel bergen, ist die Verwunderung noch nicht allzu groß. Als die Besatzung der Kapsel auf das Deck des Flugzeugträgers klettert, herrscht bald Alarmstufe Rot und höchste Geheimhaltungsstufe.

Helen Freeman grämt sich noch einen Moment darüber, dass die bevorstehende Mars-Mission abgesagt wurde und ihr nun die Möglichkeit einer Reise zum roten Planeten verwehrt bleibt. Sofia, ihre Tochter, erkennt sofort, was los war. Ihre Mutter hat sie angelogen. Niemals hatte sie auch nur in Erwägung gezogen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen, um mehr Zeit für ihre Tochter zu haben.
In diese Familienstreitigkeiten platzt ein neuer Auftrag. Helen wird wegen ihrer Erfahrung angefordert. Bei der ersten Begegnung mit der Besatzung der Raumkapsel ist sie zunächst erstaunt, dann erschüttert und schließlich weiß sie nicht mehr, was sie glauben soll.

Mehrere große Kriegsschiffe, darunter drei Flugzeugträger und mehrere unterstützende Kreuzer, fahren im Eingangsbild vor einer untergehenden Sonne auf den Betrachter zu.
Als Bild funktioniert es hervorragend, aber es ist auch gleichzeitig der größte – wie auch einzige Fehler – der den beiden Machern Richard Marazano und Jean-Michel Ponzio passiert. Kein Flottenkommandant der bei gesundem Verstand ist, würde einen Trägerverband so eng zusammen ziehen, schon gar nicht einen Verband, der gleich drei Träger schützen muss. Auch aus Gründen der Flugsicherheit ist diese Enge nicht sinnvoll. Die Landung auf einem Träger ist für die Piloten schon schwierig genug, wenn sich dann drei dieser schwimmenden Landeplattformen auch noch in die Quere kommen, ist ein Desaster beinahe vorprogrammiert.

Diese Kritik müssen sich Richard Marazano und Jean-Michel Ponzio gefallen lassen, die ansonsten einer akribischen Erzählspur folgen, die auch ein Veteran des populären SciFi-Abenteuers wie Michael Crichton hätte legen können. So wirkt dieser Auftakt wie eine Mixtur aus Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All, Apollo 13 und Sphere.

Seit Jahren glaubte also die Menschheit mit den Ausflügen zum Mond abgeschlossen zu haben. In dieser Geschichte – wie auch in der Realität – wird dieses Thema wieder überaus interessant.
Der grafische Effekt, mit dem Jean-Michel Ponzio hier zu Werke geht, erinnert an überzeichnete Fotografien. Das wirkt kühl, technisch, wissenschaftlich und erleichtert den Zugang zur Geschichte und ihrer anschließenden zugrunde liegenden Hypothese. Den Zugang zu den Figuren erschwert es etwas. Hinzu kommt eine reduzierte, eher dunkel angelegte Farbpalette, die gut zu einem Wissenschaftsthriller mit Science Fiction-Elementen passt.

Wie es sich für einen (modernen) Thriller gehört, beginnt die Handlung mit einem Kracher. Das ist optisch ebenso zu verstehen wie von der Erzählstruktur her. In diesem Zusammenhang verstehe ich das Vorwort überhaupt nicht. Verfolgt man moderne Wissenschaftsthriller in Roman und Film, so ist der Band stark an derlei Strukturen wie Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All oder auch Phase IV angelehnt. Einzig für den Comic mag es gelten, dass erstens die Thematik und zweitens die Erzählstruktur in dieser Mischung nicht so oft angewendet werden. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Comic-Leser als solcher eher anspruchsloser behandelt werden soll, weil seine Erwartungen nicht so hoch sind. (Was ein absoluter Trugschluss ist!)

Zurück zum Schimpansenkomplex, der gleichzeitig der Titel dieser Reihe ist. Unter dem Strich bedeutet dieser Komplex, sich seiner Funktion als Spielball eines Experiments bewusst zu sein, ohne bedeutend in dieses Experiment eingreifen zu können. Gegen diese erzwungene Schicksalsergebenheit lehnt sich der Verstand bis zum Wahnsinn auf.
Der Wahnsinn lauert hier nicht nur hinter dem oberflächlichen Paradoxon, das sich letztlich als etwas ganz anderes herausstellt. Er lauert in einer Vermutung, die der Leser selber herausfinden muss. Richard Marazano baut eine verschachtelte aber schlüssige Geschichte auf, die sich jedoch hütet, bereits alle offenen Fragen in diesem Band zu klären.
Und er hat mit Sofia, Helens Tochter, eine Figur am Start, die als Sinnbild der Menschlichkeit verstanden werden kann, die zugunsten eines großen Rätsels mit Füßen getreten wird.

Grafisch kann sich Jean-Michel Ponzio wenigstens einen kleinen Scherz nicht verkneifen. Wenn der gezeigte amerikanische Präsident nicht dem Duke nachempfunden ist, weiß ich es nicht. In einigen Bildern passt es perfekt von Gesicht und Haltung her.

Ein wirklich toller Auftakt. Für Freunde des Wissenschaftsthrillers und –abenteuers, jene, die den großen Erzählwerken eines Michael Crichton hinterher trauern, ist der Schimpansenkomplex genau das richtige Album. Grafisch sehr gut und von einem hohen Spannungsgrad, der mit erhöhter Rätseldichte rapide zunimmt.

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