Was ist die Matrix? – Eine Frage und eine unendliche Anzahl von Antwortmöglichkeiten. Doch wann begann die Matrix? Wo liegt der Ursprung in der Rebellion der Maschinen? Wann wollten Maschinen leben? Vielleicht begann alles mit einem simplen Haushaltsdroiden.
Es ist das alte Lied. Wenn jemand erfährt, dass sein Nutzen nicht den Erwartungen entspricht und er gefeuert werden soll, könnte es schon einmal zu einer Kurzschlussreaktion kommen. In diesem Fall ist letzteres gar nicht so weit hergeholt. B1-66er tötete seinen Herrn. Aber darf er dafür abgeschaltet werden?
Einigen Menschen ist diese Fragenstellung sehr suspekt.
Mir egal, wie klug er ist. Eine Maschine ist immer noch eine Maschine, und eins weiß ich: Wenn meine Zeit gekommen ist, und ich vor dem Himmelstor unseres Herrgotts in der Schlange stehe, will ich ganz bestimmt nicht nach einem Staubsauger dran sein.
Die Autoren Larry & Andy Wachowski beschäftigen sich in ihrer ersten Geschichte dieses Bandes mit Kleinen Informationseinheiten. So maßvoll B1-66er seine Arbeit verrichtete, so maßlos war er im Abschlachten seines Herrn und seiner diversen Schoßhündchen. Geof Darrow zeichnet in sehr exakten Schwarzweißbildern dieses Grauen nach, das in Farbe eher unerträglich wäre – und auch leichtes Magengrimmen verursacht.
Der Auftakt gibt die Richtung des gesamten Bandes vor. Die Matrix nimmt sich ernst. Und die Matrix probiert aus. Ähnlich wie die Animatrix unterschiedliche Wege ging, gibt sich auch die Sammlung einzelner Comic-Geschichten nicht mit einer Gangart zufrieden. Zeitweise werden sogar Erzählung und Illustration miteinander verbunden, so dass man nicht mehr von einem Comic sprechen kann, allenfalls von einer illustrierten Geschichte.
Aber Neil Gaiman war noch nie für seine bequemen Handlungen bekannt. Seine Geschichte Goliath ist ein Paradebeispiel dafür, dafür dass der Leser Sitzfleisch mitbringen muss, denn so schnell ist dieser Band nicht gelesen.
Dafür wird aber auch mit den Umsetzungen richtiggehend gespielt. Ob Cartoon wie mit Kapiert? von Peter Bagge oder im Zeichenstil eines Zeitungsstrips wie In der wirklichen Welt gibt es keine Blumen von David Lapham, der Experimentierfreude sind keine Grenzen gesetzt. Im ernsthaften Comic-Stil, sofern es diesen überhaupt gibt, kommen die Folgen Schmetterling von Dave Gibbons und Künstlerische Freiheit von Ryder Windham und Kilian Plunkett.
Die Menschen bekämpfen die Matrix und ihre Herren absichtlich, aber auch zufällig, wie Schmetterling zeigt. War die Episode von Neil Gaiman besonders textlastig, kommt die Geschichte von Dave Gibbons komplett ohne Text aus (fast, denn das bißchen Text entdeckt man erst auf den zweiten Blick). Andere Menschen haben eine Ahnung von der Matrix, die sie nicht haben dürften. Wieder andere bekämpfen die Maschinen Auge in Auge mit der mechanischen Bestie. Mit Ein ganz besonderes Schwert liefert ein Künstler namens Troy Nixey zusammen mit dem Koloristen Dave McCaig eine Geschichte ab, deren grafischer Stil an Guy Davis und seine Zombie-Interpretationen erinnert. Durch Kolorist McCaig entsteht sogar ein Zeichentrickeffekt, der jener ersten Trickepisode von Als die Zombies die Welt auffraßen nahe kommt.
Der persönliche Favorit, obwohl sehr vorhersehbar konstruiert, ist Künstlerische Freiheit. Eine Künstlerin formt Gebilde, die jenen Maschinen ähneln, die ständig auf der Jagd nach freien Menschen sind. Sie ahnt nicht, dass diese Gebilde der Realität entsprechen. Dass der Blick, den sie in einer Vision aus einer Versorgungskammer warf, echt war. Dass sie für einen winzigen Moment die Wahrheit sehen konnte.
Wer die Animatrix mochte, kann sich auf diese Comic-Ausgabe freuen. Neue Blickwinkel, weitere erzählerische Ansätze, unter denen durch die verschiedenen künstlerischen Umsetzungen für jeden etwas dabei ist. 🙂
Matrix – Comics 1: Bei Amazon bestellen