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Comic Blog


Mittwoch, 02. April 2008

Point Blank

Filed under: Thriller — Michael um 19:47

Point BlankDer Tod macht keinen Spaß. Ganz besonders nicht, wenn man ihm in einem düsteren matschigen Hinterhof begegnet, kniend, mit dem Lauf einer Waffe am Kopf. Die Augen sind geschlossen, als der Schuss knallt. Warum soll man dem Tod sehenden Auges begegnen, wenn der Abgang schon so deprimierend ist?
Dabei hatte alles so einfach begonnen. Ein alter Freund wollte nur, dass Cole ihm den Rücken freihält. Lynch, ein Kumpel, mit einem Plan – und plötzlich mit Fähigkeiten ausgestattet, die so keinen Sinn zu machen scheinen. Warum hat Lynch seine Kräfte verstärken lassen? Wer ist so wichtig und gefährlich, dass Lynch auf ihn Jagd machen, ihn ausschalten muss?

Point Blank ist nicht nur der Name des vorliegenden Comics, sondern auch der eines Film-Klassikers mit Lee Marvin. Kompromisslosigkeit ist beiden Thrillern zueigen. Ähnlich wie Walker alias Lee Marvin folgt auch Cole Cash unbeirrt der Spur, angespornt einzig vom Rachegedanken. Wer verübte den Anschlag auf seinen Freund Lynch?

Ed Brubaker kennt sich in der alten Comic-Szene ebenso aus, wie er auch Anteil an den neuen Universen hat. Ein umfangreicher Informationsteil im Anhang des Comics beschreibt die Entstehung des Wildstorm-Universums, in der Superhelden existieren, die deutliche Anleihen an bekannten Charakteren genommen haben, aber auch eindeutig realistischer zu sein versuchen – ja, sogar ein wenig parodistischer.
Der Superheld ist zur Bedrohung geworden, auch bei Marvel und D.C., sicherlich eine Folge jener kleinen Revolution, die mit den stärker werdenden kleinen Labels der letzten Jahre einherging. Im vorliegenden Band schwebt diese Bedrohung immer über dieser düsteren Welt, sind Geheimdienste und dunkle Mächte am Werk.

Cole Cash will es nicht einsehen, aber auf seine Art ist er ein Spielball. Tao, das Supergehirn, jener hyperintelligente Psychopath, hat seine Fäden so geschickt gesponnen, dass Cole Cash nichts anderes machen kann, als darüber zu stolpern. Autor Ed Brubaker kennt sein Metier. Bei Superhelden wie auch Thrillern ist er Zuhause, wie er mit Captain America, aber auch Gotham Central oder Criminal beweisen konnte. Aber er kennt noch mehr. Denn je weiter die Figur Cole Cash sich in dieser Geschichte verliert, wird die Erinnerung an einen Mystery-Thriller wie Angel Heart wach.

Mehr soll nicht verraten werden, um die Pointe nicht vorwegzunehmen, aber das Schema der Geschichte ist ähnlich. Auch soll dieser Vergleich kein Vorwurf sein, denn die Grundidee trägt auch Point Blank und passt zu einer Rachegeschichte, die wohl zu den klassischsten Handlungen im amerikanischen Thriller-Genre gehört. Eine wichtige Besonderheit dieser Geschichte ist die Normalität, mit der über die Helden und die Schurken erzählt wird. Die kleine Bar, in der die Kostümierten verkehren und sich selbst irgendwie zum Narren machen wie auch der Gauner-Laden, in dem ehemalige Heldinnen wie Kenesha, die frühere Savant, auf der Suche nach einer schnellen Nummer sind. Diese Beispiele reißen den Helden auf menschliches Niveau herunter, sogar noch darunter, denn die Allmacht dieser Charaktere wird von selbigen letztlich mit Füßen getreten.

Für die grafische Umsetzung dieser Schmutzigkeit, dieser allgegenwärtigen Verkommenheit, dieser Hoffnungslosigkeit all dieser Underdogs wurde mit Colin Wilson eine perfekte Wahl getroffen. Mit der Jugend von Blueberry konnte er bereits Erfahrung mit Geschichten sammeln, die tough guys im Mittelpunkt des Geschehens haben. Wer den Zeichenstil von Wilson betrachtet, könnte dem Glauben verfallen, dass der Künstler mit dieser Art der Bilder zur jüngeren Generation gehört. Aber weit gefehlt. Wilson hat inzwischen nicht nur einige Lebensjahre gesammelt, sondern auch reichlich Erfahrung.
Wer die Bilder in ihrer Machart beschreiben möchte, könnte sie eine Mischung aus altem Jean Giraud und jungem Eduardo Risso nennen. Wilson könnte tatsächlich ein gestalterischer Erbe von Giraud sein. Seine Männer sind kernig, seine Frauen glatt und attraktiv. Aber da ist manchmal auch ein wenig Risso. Es sind geschwungene, leicht abstrahierte Ansichten, besonders dort, wo die Gesichter entweder grobschlächtiger oder einfacher sind, mit rasierten, sauberen Zügen.

Wilsons Grafiken benötigen keine aufwendige Kolorierung. Wieder einmal ist ein Rückschritt von jenen überbordenden Kolorierungen festzustellen, die sich im Zuge des Computers immer weiter gegenseitig übertrumpft haben. Grafik vor Geschichte schien es zu heißen. Inzwischen stehen Grafik und Geschichte häufig wieder gleichberechtigt nebeneinander. Eine glanzvolle Kolorierung erfolgt nur noch da, wo es Sinn macht. Hier gibt Janet Gale einer Gangster-Unterwelt ihr Licht und ihre Farben. Sie macht dies verhalten und gibt den Farben dort Gewicht, wo es gebraucht wird. Ein Schuss blitzt, Blut tropft rot auf einer grauen Wand, die Tiefe ist schwarz, gähnend, die Nacht eine stete Dämmerung, auf der kein Morgen folgen wird – mit einem Wort ist die Kolorierung atmosphärisch zu nennen. Es ist perfekt so, wie es ist.

Als Krönung finden sich im vorliegenden Band die Cover zu den Einzelausgaben einerseits von Wilson selbst, andererseits von Simon Bisley, dessen Bilder aus der gleichen Schule zu kommen scheinen wie die eines Glenn Fabry. Immer etwas anarchistisch, aber auch stets auf einem technisch perfekten Niveau.

Eine Gangstergeschichte mit einem knallharten Hauptcharakter, der einem ganz eigenen Ethos folgt: Man verarscht Cole Cash nicht. Wer es dennoch versucht, hat nur eine Strafe verdient. Brubaker und Wilson nehmen ihre Leser mit auf einen klassisch spannenden Thriller-Trip. So, wie es sich gehört! Cool. 🙂

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