Der kleine Milorad hatte keine leichte Kindheit. Aufgewachsen und erzogen in einem Kloster von orthodoxen Priestern wurde er wegen kindlicher Verfehlungen ausgepeitscht. Milorads Kindheit war die reinste Qual. Als Erwachsener hat er nur einen Gedanken: An Bord eines Schlachtschiffes zurückkehren und dieses ganze verdammte Land in Grund und Boden bomben.
Aber dies ist die Vergangenheit. In der Gegenwart hat Milorad Probleme, die viel gewaltiger sind und alles, was jemals in seinem Leben geschehen ist, in den Schatten stellen.
Kalish, Kate, June und Mario können sich in gewissem Sinne dieser Lebenslage anschließen. Eben waren sie noch in der Nähe der Erde und kurz darauf hat sich alles geändert. Ihr kleines Shuttle schwebt irgendwo im Nirgendwo. Von der Erde existiert keine Spur. Was ist geschehen? Bald ist eine Lösung gefunden, doch lässt sich dieses Malheur auch wieder rückgängig machen?
In der Gegenwart hat die ICC den Krieg, diesen merkwürdigen und auch erbarmungslosen Krieg gewonnen – sofern man die Zerstörung des Planeten Erde als Sieg werten kann. Die Überlebenden wie auch die Nachkommen jener Katastrophe scheinen allerdings dieser Meinung zu sein. In einer Raumstation verwalten sie den Friedhof Erde, schaurig glühende Reste im All aus Asche und Gas. Durch den faschistoiden Aufbau der ICC ist die Menschheit vollkommen verarmt, an Geist, an Kultur, an Menschlichkeit.
Einer, der es genau wissen muss, Milorad, ist der Kommandant der Station über dem Trümmerfeld. Sein Leben ist ein schlichtes Abarbeiten geworden. In seinem Rollstuhl sitzend hat er die Aussicht auf ein besseres Leben endgültig eingebüßt. Da geschieht es: Ein kleines Shuttle gerät in die Anziehung der Station, und vier Menschen kehren in Milorads Leben zurück. Vier Menschen, die er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat und von denen er annahm, dass sie längst gestorben wären.
Mag der Alptraum nicht zu Ende gehen, sondern nur noch schlimmer werden? Es hat den Anschein, dass Autor und Zeichner Denis Bajram seinen Helden die Hölle im Weltall zugedacht hat – denn von einer Hölle auf Erden kann man nicht mehr reden.
In der Tat ist es keine leichte Geschichte, die Bajram seinen Lesern zumutet. Sie ist unbequem, sie ist sehr intelligent erzählt, sie ist ein modernes Kriegsepos, das jegliche Grenzen überschreitet. Die Frage nach einem atomaren Fallout ist in dieser Geschichte so zweitrangig wie ein Kropf, denn auch die Frage nach einer neuen Besiedlungsmöglichkeit der Welt nach einem positiven Rückgang von Radioaktivität stellt sich nicht mehr. Die Erde ist ganz einfach weg.
Vier Menschen, vier Hauptcharaktere sind noch übrig, die erwähnten Kalish, Kate, June und Mario. Jeder einzelne hat sein besonderes Schicksal, welches Bajram ausführlich vorstellt, einerseits in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart.
Kalish der Stratege, der Wissenschaftler, Heißsporn und kühler Kopf in einer Person. Dachte man bisher er würde es schaffen, auch weiterhin die Anführerposition ohne jede Probleme inne behalten zu können, tun sich in der fünften Episode des Universal War One Risse auf. Anziehung und Lust sind menschlich, zu diesem Zeitpunkt aber total fehl am Platz. Kalish ringt zeitweise um seine Selbstbeherrschung.
Mario trifft es am härtesten, der Mann, dem sowieso vom Leser die größte Sympathie entgegengebracht werden sollte. Inmitten des Chaos hat Mario, der Verlierer, das Liebesglück gefunden.
Wie sehr das Glück eines einzelnen auch Motivation für andere sein kann, zeigt Bajram perfekt inszeniert. Gleichermaßen deutet er auch die riesige Verzweiflung, die man mit einem respektierten und geliebten Menschen teilen kann.
Kalish und Mario, die gegensätzlicher kaum sein könnten, umreißen diesen Handlungsabschnitt, von dem sich seitens des Leser unmöglich sagen lässt, wie diese Geschichte in einer weiteren abschließenden Episode noch weitererzählt werden soll. Gedankenspiele gibt es viele. Bajram hat das Spiel mit den zeitlichen Abläufen genial in seine Geschichte eingewoben, trotzdem scheint eine Hintertür für eine Fortsetzung nirgends mehr versteckt zu sein.
Ein gruselig an die Nieren gehender Schluss, der wohl das größte Rätsel für den Leser in der bisherigen Reihe hinterlässt.
Ebenso wie erzählerisch keine Wünsche offen bleiben, gibt es auch grafisch wieder einmal nichts zu mäkeln. Ganz im Gegenteil möchte ich sagen. Diese Weltuntergangsstimmung, die hier in Szene gesetzt wird, findet man nicht häufig derart treffend umgesetzt.
Herzlich willkommen in einem Universum voll Scheiße. Mit dieser sehr treffenden Bemerkung einer der Hauptfiguren der Station lässt sich es sich wirklich gut umschreiben, wie die Wirkung der Bilder ist. Leider gelingt es einem nicht zur Gänze (sofern man sich darauf einlässt natürlich), sich aus dieser Trostlosigkeit zu entziehen. In einer Welt voller Trümmer gibt es keinen Halt mehr.
Perfekte Weltuntergangsstimmung in einem Szenario, das jeden seiner Vorgänger in diesem Genre in vielen Teilen weit hinter sich lässt. Es werden immer weniger. Eine Rettung scheint nicht mehr in Sicht. Selten wird Science Fiction so voller Details, so durchdacht und gleichzeitig so abgrundtief traurig erzählt. Denis Bajram hat es noch einmal geschafft, sich mit seiner Erzählung zu steigern. 😀
Universal War One 5 – Babel: Bei Amazon bestellen