Man mag es kaum glauben, aber auch Lucky Luke war einmal ein kleiner Lausbub, ein Lucky Kid. An der Seite von Old Timer lernte er den Wilden Westen, die Indianer und auch Jolly Jumper kennen. Aber eines war schon immer so! Bereits als Kind schoß Lucky schneller als sein Schatten – mit einer Steinschleuder.
Old Timer ist ein wenig grantig, aber verträglich. Nicht viel kann ihn aus der Fassung bringen. Außer vielleicht die mangelnde Fähigkeit Gold dort zu finden, wo er gerade sucht. Oder wenn Lucky Old Timers Revolver heimlich für Schießübungen benutzt. Hier kann der Leser sehr schön sehen, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist.
Allerdings ist die Jugend von Lucky Luke nicht weniger spannend und lustig als seine Abenteuer im Erwachsenenalter. Lucky kommt dem Old Timer leider abhanden. Ein Indianer klaut den Jungen, um ihn Fetter Mokassin zu bringen. Die Squaw hat stets einen Bedarf an Kindern, die ihr bei der täglichen Arbeit zur Hand gehen. Dabei wachsen ihr die geraubten Kinder auch ans Herz. Immer wenn die Kavallerie anrückt, heißt es für Fetter Mokassin und die Kinder sich zu verstecken.
Lucky gibt sich alle Mühe. Aber es gelingt ihm einfach nicht, dieser hartnäckigen Frau zu entkommen.
Als es schließlich doch gelingt, kommt er sozusagen vom Regen in die Traufe. Holzfäller, Soldaten, falsche Eltern und ein ziemliches Durcheinander erwarten den kleinen Jungen – aber auch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Er ist zwar ein einsamer Cowboy, trotzdem haben Frauen sein Comic-Leben sehr stark bestimmt. Mit der Gaunerin Belle Starr reiht sich eine weitere Persönlichkeit in all diese starken Frauen ein. Lucky Luke ist gezwungen gewissermaßen Undercover zu operieren, um ihr Gaunernest auszuheben. Kurze Zeit wird er sogar zum Gesetzlosen. – Ein Beweisstück dieser Epsiode wird zu Lukes Glück dann doch vernichtet.
Am Klondike wird es für Lucky Luke nicht einfacher, nur kälter. Der Freund eines Freundes ist in einem Goldsucherstädtchen verschwunden.
Freunde älterer Lucky Luke-Ausgaben werden sich freuen, dass das Greenhorn Waldo Badmington wieder mit von der Partie ist. Sein ehemaliger Butler Jasper ist auf einen Verbrecher hereingefallen. Grund genug für den getreuen Waldo, seinem früheren Diener zur Hilfe zu eilen. Das Leben in der Eiseskälte und im Matsch, fernab jeglicher Zivilisation bietet für die beiden Retter eine sehr große Herausforderung.
Diese drei Geschichten im vorliegenden Sammelband aus den Jahren 1995 und 1996 könnte man unter der Überschrift Nostalgie zusammenfassen.
Es ist nicht nur das Wiedersehen mit alten Bekannten wie Bill the Kid, Jesse James, Ma Dalton oder Waldo Badmington, dem eine größere Rolle zufällt. Es ist die Erzählweise, die irgendwie den Eindruck vermittelt, an alte Erzählungen anknüpfen zu wollen. Zwar ist es zu Unstimmigkeiten gekommen – Morris hielt sich nicht sklavisch an die Vorgaben, die ihm für die Geschichten gemacht wurden – das bleibt für den Leser aber unmerklich, denn die Gags brennen immer noch Seite für Seite ab, reichlich und sehr pointiert.
Die erste Geschichte um das Lucky Kid folgt jenen Gesetzen um die Jugendgeschichten erwachsener Helden, wie der Fan es zum Beispiel von Veröffentlichungen des jungen Spirou her kennt.
Luckys Herkunft bleibt im Dunkeln, kein Wort über seine Eltern – außer, dass er keine hat und sich auch mit Händen und Füßen gegen eine Adoption wehrt. Hier wird ein kleiner Spaß angewendet, als sich ausgerechnet ein Farmer im Aussehen von Morris mit seiner Frau um den kleinen Jungen bemüht. Nur, um ihn schlußendlich in Mädchenkleider zu stecken, weil den Herrschaften ein solches von den Indianern geraubt worden ist. Dies ist für Lucky noch schlimmer, als für einen Indianer gehalten und als solcher aufgezogen zu werden. Der kleine Lucky weiß bereits sehr gut, was das Beste für ihn ist.
Alles in allem ist dieses Jugendabenteuer auf dem gleichen guten Niveau wie alle übrigen Geschichten der Reihe. Dies ist überhaupt ein Phänomen. Über all die vielen Jahre und einer großen Zahl von Erscheinungen (immerhin über 80) hat sich Lucky Luke auf einem sehr hohen Level gehalten. Neue Themen wurden gebracht, inspiriert durch die reale Geschichte des Wilden Westens, jedoch wurde auch immer Rückschau gehalten, wurden bestehende Figuren aufgegriffen und ein regelrechtes Wiedersehen gefeiert. Auch Am Klondike könnte man als eine solche bezeichnen.
Diese Mixtur aus Nostalgie und dem Mut beständig etwas auszuprobieren, mag ein Teil des Erfolgsrezeptes der Serie sein. – Das und der unnachahmliche Humor. Hierbei ist besonders Jolly Jumpers trockener Witz hervorzuheben. Seine Kommentare sind herrlich, so, als habe man ihnen ein besonders Augenmerk gewidmet.
Zur Klondike-Episode wurde schon etwas gesagt. Abschließend mag noch Belle Starr erwähnt werden. Die Daltons haben hier eine kleine Nebenrolle. Es ist sehr schön, wie Lucky die vier Gauner außer Gefecht setzt, ohne auch nur einen Schuss abzugeben – niemand sollte die Macht der Mütter unterschätzen. Belle Starr ist aus vielen scheinbar einzelnen Episoden zusammengesetzt, die sich immer auf etwas Wichtiges oder eine Figur konzentriert.
Ein rundum gelungener Sammelband, der ein Lachen am laufenden Band zu produzieren vermag. Die Mischung sehr unterschiedlich angelegter Handlungen hält für jeden etwas bereit. Top! So lustig war der Wilde Westen. Dieser Reihe kann man nur eine lange Laufzeit wünschen.
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